Wenn man einmal Szenegrößen wie Fat Mike, Greg Graffin, Jim Lindberg oder auch Trever Keith nach ihren Vorbildern und musikalischen Einflussgrößen fragt, fällt ein Name eigentlich immer und zwar der der 1980 gegründeten Kapelle Adolescents.
Diese hob sich bereits mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum in den Punkrock/Hardcore Olymp und gesellte sich dort zu Bands wie den Bad Brains, Black Flag oder auch Minor Threat.
Doch wer schnell steigt, fällt auch gerne mal etwas tiefer und so folgten diverse Trennungen, Wiedervereinigungen, Mitgliederwechsel und mehr oder weniger glanzvolle Nachfolger des Debüts.
Dieses sollte aber mit dem Jahrtausendwechsel eingestellt werden, denn seit ihrer Neugründung im Jahre 2001 veröffentlichten sie wirklich glanzvolles Material, welches nun wiedermal durch eine weitere Veröffentlichung aufpoliert werden soll und dieses nahmen wir zum Anslass, um mal ein paar Worte mit Sänger Tony Reflex zu wechseln.
Interview mit Sänger Tony Reflex
AFL: Zu Beginn möchte ich dir erst einmal zu eurem neuen Album „Manifest Density“ gratulieren – es ist wiedermal grandios geworden und ich habe langsam das Gefühl, dass die Adolescents, ebenso wie guter Wein, von Jahr zu Jahr besser werden…
Tony: …oder doch eher sauer und herb wie Essig.
AFL: Euer selbstbetiteltes Debütalbum ist ja nun bereits 35 Jahre her und da frage ich mich doch, wie ihr es geschafft habt, eure Musik über die ganzen Jahre so frisch und energiegeladen zu halten. Habt ihr dafür vielleicht ein Geheimrezept und was glaubst du, woran es liegt, dass viele andere Bands ihr Gefühl für die Wurzeln verlieren?
Tony: Es ist einfach wie Joan Jett schon gesungen hat…“I love Rock´n´Roll“ und das ist auch die eine Sache, die mich über die ganzen Jahre als Konstante begleitet hat. Zudem darf ich mich glücklich schätzen, dass ich auch Freunde haben, welche diesbezüglich gleich denken und fühlen.
Warum andere Bands ihre Wurzeln verlieren weiß ich nicht, aber es gibt Leute, die unterstellen mir, dass ich meine verloren hätte – was ich sehr komisch finde, da ich immer noch regelmäßig die Beatles, Kings, Stooges, Buzzcocks, Ramones oder auch Cheap Trick höre, wie ich es auch schon in den 70ern getan habe.
AFL: Wie ist euer neuer Albumtitel „Manifest Density“ zu deuten? Beinhaltet er eine gewisse Botschaft?
Tony: Ob er eine spezifische Botschaft beinhaltet weiß ich nicht, aber der Begriff ist eine Wortspielerei, welche sich auf das Manifest Destiny bezieht. Der Doktrin, Lehre oder auch Überzeugung des 19. Jahrhunderts, dass die kontinentale Erweiterung der Vereinigten Staaten sowohl unvermeidlich, wie auch gerechtfertigt gewesen sei.
Ebenso bezieht es sich auf die Monroe Doktrin. Eine Prinzip der US-Politik, welches 1823 von Präsident James Monroe eingeführt wurde und beinhaltet, dass jeder Eingriff in die Politik der Vereinigten Staaten durch äußere Kräfte als potentieller feindlicher Akt gegen die USA zu sehen ist. Und dieses findet in der Amerikanischen aggressiven Außenpolitik des 21sten Jahrhunderts auch immer noch Anwendung.
Meine Absicht ist es, eine parallele zwischen der US-Politik der Vergangenheit und dem aktuellen Stand der USA zu ziehen. Gegenteilig zu all ihren Ansprüchen werden die Vereinigten Staaten immer paranoider und Ameri-zentrischer.
AFL: Man merkt, dass du sehr politisch denkst und dieses zeigen ja auch immer wieder deine kritischen und direkten Texte. Wie wichtig ist dir die Botschaft in deiner Musik für dich? Könntest du dir vorstellen unpolitische Radiomusik für die Massen zu schreiben?
Tony: Ich war nie außerordentlich produktiv im Schreiben von albernen Liebesliedern, obwohl es eine schöne Sache ist und ich sie genieße. Ich denke nicht, dass es jemanden außer mich interessieren würde, wenn ich Lieder über meine Frau singen würde…sie würde sich nicht einmal dafür interessieren und somit ist es irgendwie sinnlos.
Es gibt auch nichts was sich in unserem Denken in Bezug auf Freundschaft ändern muss, aber es gibt viele Dinge die sich in der Welt ändern müssen und ich habe kein Problem darauf hinzuweisen.
Die Botschaft ist der Song, die Herausforderung ist es ihn eingängig und einprägsam genug zu machen, damit sich die Leute Gedanken über ihn machen.
Ich bin mit Protest-Musik aus dem Radio aufgewachsen, somit ist die Idee die politische Musik dem Mainstream Publikum zugänglich zu machen nicht problematisch…mal davon abgesehen, dass sie derzeit einfach nicht im Radio gespielt wird.
AFL: Wenn ich so zurückblicke waren die Adolescents gerade in den letzten Jahren sehr aktiv in Europa. Seid ihr dieses ebenfalls in den Staaten oder liegt euer Focus doch eher auf der Europäischen Hörerschaft?
Tony: Wir sind eigentlich überall aktiv, aber unser Focus in Bezug auf Live-Shows liegt im Sommer klar auf den Staaten und Europa, denn hier dauert die Tour aufgrund der Größe halt immer am Längsten und ich muss die Tour um meinen Job als Lehrer herumplanen. Am Anfang tourten wir im Sommer meist in Europa, weil uns die Leute immer sagten, dass dieses nicht möglich wäre. Uns wurde immer wieder davon abgeraten, weil dann viele im Urlaub sind und zudem auch die Weltmeisterschaft stattfindet. Mittlerweile scheint es, dass jeder aus den Staaten im Sommer verschwindet.
AFL: „Mainifest Density“ ist eure fünfte Veröffentlichung auf Concrete Jungle Records und somit scheint es ja, dass ihr sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit seid. Wie kam es dazu, dass ihr mit einem doch eher kleineren deutschen Label zusammen arbeitet.
Tony: Wir näherten uns damals, in Bezug auf eine neue Veröffentlichung, mit PeopleLikeYou an, aber ich fand das es irgendwie nicht richtig passte und so erzählten sie mir von Concrete Jungle, was besser passte.
Sie verstehen unsere Ziele, sie kennen unsere Situation und sie mögen unsere Musik. Somit sind wir sehr zufrieden . Sie mögen ein kleines Label sein, aber sie haben die größten Punkrock Bands meiner Nachbarschaft im Programm.
AFL: Stimmt da wären aus eurer Nachbarschaft ja zum Beispiel Death By Stereo oder The Generators zu nennen, von welchen ich übrigens ebenso ein großer Freund bin.
Ein großer Freund bin ich neben eurer Musik auch von euren Cover-Artworks und ich muss sagen, das Cover von „Manifest Density“ ist mal wieder hervorragend gelungen. Wer steckt denn eigentlich hinter euren Artworks?
Tony: Dahinter steckt der großartige Mario Riviére aus Madrid. Wir lernten ihn vor ein paar Jahren kennen, als er und seine Band Muletrain ein paar gemeinsame Shows mit uns spielte. Er machte damals ein unglaubliches Poster von Santa Claus, welcher einen Punkrocker fest im Griff hatte. Das fanden wir so cool, dass ich ihm einfach eine Mail schrieb, als wir auf der Suche nach einem Künstler für unser neues Album waren.
Seitdem hat er all unsere Cover gemacht und ist einer meiner Lieblingskünstler. Er hat einfach einen guten Blick für das was wir machen – so mache ich ihm ein paar Vorschläge, bzw. unterbreite ihm meine Ideen und er hat die Vision diese zum Leben zu erwecken. Er ist ein immens talentierter Musiker und Künstler.
AFL: Ihr habt eure erste Show gespielt , als ich noch schreiend in der Wiege lag und es feiern Leute auf euren Konzerten, welche auf diesen vielleicht sogar gezeugt wurden. Was ist das für ein Gefühl, wenn du in die Menge schaust und Menschen zwischen 12 und 70 siehst? Ist es ein Gefühl von Stolz oder doch eher dieses Verdammt-bin-ich-alt-Gefühl?
Tony: Ich bin stolz darauf, denn unsere Musik ist ja auch für jedermann – für die Kids ebenso wie für die Leute, die mit uns in den letzten 35 Jahren gewachsen sind. Ich versuche die Texte komplex zu halten, so dass sie für jedermann interessant sind.
AFL: Fühlt es sich für dich immer noch genauso wie in euren Anfängen an, wenn du eure neue Platte zum ersten Mal in den Händen hältst?
Tony: Ich mag den Geruch von Papier und Vinyl und darum kann ich dieses ganz klar mit „ja“ beantworten. Ich wollte auch immer mal ein Buch schreiben, aber dafür habe ich nicht die Zeit und Motivation. Aber da ich in der Lage bin, das Medium Musik zu nutzen, kann ich so meine Geschichte erzählen und so ist meine Musik auch meine Lebensgeschichte in Puzzleteilen. Jedes Album ist ein neues Kapitel und nicht zuletzt darum ist es immer wieder aufregend.
AFL: Über die Jahre hast du die Szene unter- und wieder aufgehen sehen. Wie siehst du die Szene in dieser Zeit und vermisst du etwas an der heutigen Szene?
Tony: Ich kann nicht wirklich sagen, dass ich etwas Konkretes vermisse, aber ich vermisse mein eigenes Gefühl der Verwunderung, der Unschuld und der Naivität. Zudem gibt es auch Menschen und Freundschaften die mir fehlen.
AFL: Du hast selbstredend auch schon eine Menge Interviews durchgestanden. Gibt es da eine Frage, die dir noch nie gestellt wurde, du aber total gerne mal beantworten würdest?
Tony: Ich wurde noch nie gefragt „Do you like Green Eggs and Ham?“ und dieses habe ich mir immer mal gewünscht. Meine Antwort darauf wäre natürlich „I do! I love Green Eggs and Ham!“.
AFL: Welcher ist dein Lieblingstitel auf „Manifest Density“ und warum?
Tony: „Jacob´s Ladder“ fässt ganz gut mein Leben zusammen. Ich fühle mich wie in einem Hamsterrad – immer in Bewegung aber nicht vorwärtskommend.
AFL: Die OC-Szene in den 80ern muss berauschend gewesen sein – so viele gute Bands in einer Region. Trauerst du diesen Zeiten nach oder bist du der Meinung, dass diese Zeit auch gerne mal glorifiziert wird, denn so toll war es eigentlich gar nicht, wie man immer hört.
Tony: Oh, es war eine großartige Zeit. Wir waren jung und gute Freunde, wir dachten wir wären unbesiegbar und waren ohne Verstand. Es war kreativ und kurios, wir genossen die Musik der anderen und unsere Freundschaften, da gab es keinen Wettbewerb. Was sollte man nicht daran lieben?
AFL: Hast du immer noch Kontakt zu deinen Freunden von damals?
Tony: Ja, sicher. Wir sind immer noch Freunde und viele von uns kennen sich bereits seit Ende der 70er. Agent Orange, Social Distortion, DI, TSOL, … und viele weitere natürlich. Alle machen noch großartige Musik und spielen Shows.
AFL: Ihr habt auch relative oft euer Line-Up gewechselt. Wer ist denn bei den Adolescents in 2016 mit dabei?
Tony: Dan Root, Mike Cambra, Steve Soto, Ian Taylor und ich.
AFL: Auf eurem neuen Album befindet sich auch der Track „American Dogs In Europe“, welcher ja bereits 2012 als EP erhältlich war. Was gab es für einen Grund diesen nochmal zu veröffentlichen?
Tony: Concrete Jungle entschied sich die EP nicht nachzupressen und wir wollten sichergehen, dass der Song weiter in Umlauf ist.
AFL: Als Produzenten habt ihr euch Paul Miner erwählt, dessen Arbeit ich sehr schätze. Wie kam es denn zu der Zusammenarbeit? Kanntet ihr euch auch noch aus alten Zeiten, denn als ehemaliger Bassist von Death By Stereo kommt er ja wahrscheinlich auch aus Orange County.
Tony: Steve und Mike haben bereits mit ihm gearbeitet und darum riefen wir ihn an, als es soweit war. Er ist echt talentiert.
AFL: Ich bin im Internet über ein Video namens „Mr. Ed Puppet and Sierra Madre Elementary Puppet Show“ gestolpert, welches dich in einer etwas anderen Rolle zeigt. Wie ist dieses zu deuten und bist du politisch aktiv, an der Schule deiner Kinder?
Tony: Ich habe dagegen protestiert, wie ein Mitglied des Schulausschusses meine Familie behandelt hatte. Ich war auch schon immer ein Aktivist und Advokat im Bildungswesen, allerdings habe ich nie gedacht, dass ich einmal meine eigenen Kinder verteidigen muss.
AFL: Wenn du es dir wünschen könntest, was wäre die Zeitungsschlagzeile morgen?
Tony: Bad Boy bezwingt Yeti im Titelkampf
AFL: Möge der Kampf beginnen…
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