Mit dem SBÄM Fest kam am 31.05. und 01.06.2024 eine Institution der Szene das erste Mal nach Deutschland. Und zwar ins Stuttgarter Im Wizemann und das parallel zum gleichnamigen Festival in Österreich. Über beide Tage hinweg gaben sich internationale und nationale Hardcore und Punk Bands die Klinke in die Hand.
Für 2024 expandierte das österreichische SBÄM Fest und fand zeitgleich zur Austria Edition in Wels als Germany Edition in Stuttgart statt. Und zwar mit größtenteils identischen Line-Up mit internationalen und nationalen Hardcore und Punk Bands. Mit dabei waren Größen wie Sick Of It All, Satanic Surfers, Bracket und Goldfinger. Zudem waren auch etliche lokale Bands im Line Up vertreten, für Stuttgart zum Beispiel Minus Youth, Berlin 2.0 und Zystem.
Während Tobi in Wels am Start war, habe ich mich auf den Weg nach Stuttgart gemacht. Hier wurden zwei Tage lang im Im Wizemann Halle und Club bespielt und auch das Studio eingebunden. Das gesamte Wizemann Areal stand ganz im Zeichen des Punk an diesem Wochenende. Das SBÄM Fest ist die ultimative Punk Rock Dosis und das komplette Gegenteil zu unnahbaren Major Festivals. Zu sehen und treffen gab es 23 Bands in einer intimen und familiären Atmosphäre. Dem ein oder anderen Künstler ist man schon mal mitten im Publikum oder an der Theke begegnet.
Der Festival-Freitag
Die ersten drei Acts habe ich am Freitag leider verpasst. Silent Trouble (Singer/Songwriter aus Ludwigsburg), Uli Sailor (Punkrock Piano aus Berlin) und Bike Age (Attitude Pop Punk aus Stuttgart). Zum Auftritt von Minus Youth, einer Hardcore Band aus Stuttgart, war ich mit dabei und fand diesen wirklich solide. Klar war noch wenig Publikum da, das hat die Stimmung aber nicht getrübt. Besonders beeindruckt hat mich dabei die Mikroübernahme der Sängerin von Defiance, ebenso aus Stuttgart. Auf der größeren Bühne in der Halle folgte mit Hell & Back eine weitere lokale Band, die mit ihrem Punk Rock die Menge unterhielt.
Am frühen Abend standen mit Be Well und One Step Closer jeweils auf der Clubbühne die zwei Bands an, auf die ich mich im Vorfeld am Meisten gefreut hatte. Der Auftritt von Be Well war gewohnt gut, nur irgendwie sprang glaub der Funke nicht so recht zum Publikum über. Anders dann bei der Straight-Edge-Melodic-Hardcore-Band One Step Closer, da war deutlich zu spüren dass die Band mit ihrem frischen Sound und den eingängigen Melodien gerade eine neue junge Szene um sich aufbaut und sie mit ihrem Stil den Nerv der Zeit treffen.
Spielfreude und Energie
Oft muss man eine Band erst live sehen um den richtigen Zugang zu ihr zu bekommen. So war es an diesem Freitagabend bei mir mit NOFNOG aus der östlichen Schweiz. Ich habe in den letzten Jahren oft von der Punk/Skatepunk Band mit Hardcore Einflüssen gehört, bin da aber nie wirklich weitergekommen. Das hat sich mit ihrer Show auf der großen Bühne des SBÄM Fests dann schlagartig geändert. Ihre Spielfreude und Energie sowie der Mix aus schnellen und harten Stücken mit Melodien haben mich angesteckt und die Band behalte ich dann doch mal genauer im Auge.
Den Freitag beschlossen dann quasi drei Urgesteine der Szene. Das Logo der schwedischen Skatepunker Satanic Surfers kennt wohl jeder der sich in der Szene bewegt, das gehört schon zu den Klassikern. Bei deutlich vollerem Club und Halle brachten dann auch H2O und Sick Of It All die Menge in Bewegung.
Der Festival-Samstag
Am Samstag war ich von Anfang an am frühen Nachmittag am Start weil ich unbedingt den Auftritt von North Alone (Solo) sehen wollte. Sänger und Gründer Manuel North war ohne die Band vor Ort und spielte auf der ins Happen (quasi Bistro des Im Wizemann) auf der nach Drinnen verlegten Outdoorbühne sein Akustikset. Seine Ansagen waren unterhaltsam, ich hoffe Fat Mike erhört ihn irgendwann und dass er weiter seine ohrwurmlastigen Songs mit Ecken und Kanten spielt. Neuerdings auch auf Deutsch, was aber auch echt gut passt. Die zweisprachige Version von Extralarge hat das besonders gut bewiesen.
Bühne für lokale Bands
Mit Zystem und Berlin 2.0 folgten im Club dann wieder zwei lokale Bands. Zystem aus Esslingen spielen frischen Deutschpunk mit kritischen und auch mal lustigen Texten. Ernster und düsterer mit Attitüde und Statements ging es dann mit Berlin 2.0 weiter. Sie bezeichnen ihren Stil als Death Pop, man könnte es auch mit melancholischem Post Punk mit deutschen Texten betiteln, gerecht wird man dieser Kombi dann dennoch schwer. Die sonore besondere Stimme der Sängerin trägt den wirklich etwas düsteren Sound dieser noch relativ jungen Band – unbedingt im Auge und Ohr behalten.
Mit den 1991 gegründeten DFL folgte im Club ein weiteres Urgestein der Punkrock Szene: DFL aus Los Angeles. Oldschool Vibes und eine gewisse Coolness füllten den Raum. Und weil das Festival zwar im Namen des Punkrock aber in all dessen verschiedenen Spielarten steht, folgte danach mit Pogendroblem eine weitere etwas anders klingende Band mit Charakter auf der großen Bühne. Ihr eigenwilliger leicht schräger Sound in Richtung Deutschpunk macht sie absolut sympathisch. Die Jungs haben was zu sagen – oft ironisch-sarkastisch und doch auch mit jeder Menge Spaß.
Festival als musikalische Entdeckungsreise
Auch für mich war das SBÄM Fest teilweise eine musikalische Entdeckungsreise. Da gab es durchaus den ein oder anderen Namen im Line-Up den ich kannte, aber das wars dann auch schon. So war mir auch die Post-Hardcore/Pop-Punk-Band Versus The World aus Santa Barbara zwar ein Begriff, aber ich hätte keine Songs dazu im Kopf gehabt. Schade eigentlich, dachte ich mir dann während ihres energiegeladenen Auftritts. Und check, wieder eine weitere Band in meiner imaginären Playlist. Die Band hatte sichtlich Spaß und weiß auch zu unterhalten.
Auf der großen Bühne folgten dann Mest aus Chicago, die soliden Punkrock spielen. Der Funke ist bei mir nicht übergesprungen, vielleicht beim nächsten Mal. Fans waren auf alle Fälle genug am Start und feierten den Auftritt. Auf die Thomas Nicholas Band war ich gespannt, hatte mich im Vorfeld allerdings nicht wirklich damit beschäftigt wer dieser Typ eigentlich ist. Dann munkelte man im Publikum der Happen Stage immer was von „ist das nicht der aus American Pie?“. Und prompt hing da auch ein Werbebanner an den Fenstern auf denen erklärt wurde in welchen Filmen Thomas Nicholas bereits gespielt hat.
Auch ein gutes Festival hat schwierige Momente
Die Band war leider nicht komplett im Einsatz, Thomas erzählte der Rest der Band wäre in Österreich festgenommen worden. Dann fiel immer wieder American Pie hier, American Pie dort. Für einen der Filme hat die Band den Limp Bizkit Klassiker My Generation gecovert und das ist anscheinend das Aushängeschild. Viele im Publikum feierten den Schauspieler, mich hat diese seltsame Promo dann Richtung Merch und NGO-Ständen geführt. Später bin ich dann nochmal dazu gekommen und inzwischen war der Auftritt eine Anneinanderreihung von Coversongs alter Skatepunk und Emo Klassiker. Ich kann nicht beurteilen ob das dem verminderten Set-Up der Band zu tun hatte oder wirklich der Kern dieser Band ist. Mein Fall war es leider überhaupt nicht, schade.
Im mittlerweile sehr gut gefüllten Club folgte dann die Punkband Not On Tour aus Israel, eine der zwei Bands des Festivals mit Sängerin am Mikro. Vielleicht war für mich zu dem Zeitpunkt gerade mal die Luft raus, zumindest konnte ich dem Auftritt leider nichts besonderes abgewinnen. Eventuell dann beim nächsten Mal, auch bei Musik gibt es oft eine zweite Chance. Etwas schwungvoller und gutlaunig ging es beim darauffolgenden Auftritt in der Halle mit den Mad Caddies weiter. Auch diese war inzwischen sehr gut gefüllt und das Publikum in Feierlaune.
Vorfreude und gute Laune
Angespannt freudig erwartende Stimmung fand sich dann im Club. Hier fieberten viele dem Auftritt von Bracket aus Kalifornien entgegen. Deren Show war intensiv und mitreißend, da merkte man einfach wie gerne sie auf der Bühne standen und mit dem Publikum interagierten. Zum Anschluss kamen noch die Bläser der Mad Caddies mit dazu und rundeten die ganze Sache perfekt ab.
Vor der großen Show von Goldfinger kam es zum Stau vor der Halle, geschlossen für Soundcheck ohne Publikum. Mit deutlicher Verspätung ging es dann los und es war sehr deutlich für welchen Act viele Besucher da waren. Eine vergleichbare Stimmung hatte ich an den beiden Tagen bisher nicht erlebt. Aber klar, Goldfinger ist auch mit ihrem Ska-Punk die perfekte Band für großartige Partystimmung.
Das SBÄM Fest in Stuttgart – ein Fazit
Das war es also, das erste SBÄM Fest in Deutschland. Ich war in Österreich leider nie dabei und kann keine Vergleiche ziehen. Ein großer Unterschied ist schon mal dass es im Im Wizemann eine reine Indoor-Veranstaltung war. Und aufgrund der Regenmassen an diesem Wochenende war das perfekt. Generell fand ich die Location sehr gut gewählt. Der Sound war durchgängig sowohl im Club als auch der Halle sehr gut, die Wege kurz, der Zeitplan so gesetzt dass man auch immer alles sehen konnte, mit sehr wenigen Überschneidungen am Samstag. Der Bereich für Merch und die NGO-Stände war sehr großzügig gestaltet. Das Angebot an Essensangeboten im Hof der Location und im Happen war ausreichend. Die Stimmung an beiden Tagen war sehr familiär und entspannt.
Obwohl sich das Line-Up natürlich in einem sehr ähnlichen musikalischen Feld bewegt, war Abwechslung mit drin und es hat Spaß gemacht alte Helden und neue Entdeckungen zu sehen. Ich hoffe sehr dass SBÄM das Festival auch nächstes Jahr wieder nach Stuttgart bringt.
