Alarmsignal_Insomnia_2025

Ziemlich genau drei Jahre nach Ästhetik des Widerstands erscheint nächste Woche das neunte Studioalbum von Alarmsignal. Alarmsignal ist mittlerweile eine konstante Größe, die nicht mehr aus der deutschsprachigen Punkszene wegzudenken ist. Über 25 Jahre hinweg hat sich die Band stetig weiterentwickelt und doch kann man immer noch die Authentizität erkennen, mit der Alarmsignal bei Fahneneid begonnen haben.

Klar, hat sich die Band musikalisch wie textlich weiterentwickelt. Besetzungswechsel und fettere Produktionen haben die Kapelle immer weiter vorangetrieben. Zuletzt sprang 2022 Tom als Ersatz für Borsti an der Gitarre ein. Seinen Einfluss auf Insomnia lässt sich heraus hören. Insomnia ist doch etwas experimenteller als sämtliche Vorgänger geworden. Gleichzeitig knallt der Longplayer größtenteils derart, dass man sich schon Sorgen um die Lautsprecher machen muss.

Ästhetik des Widerstands war für mich ein recht schwaches Album. Es hat seine Dauerbrenner, aber die finden sich fast ausschließlich bei den Tracks mit Gastmusikern. Die reinen Alarmsignalsongs sind da etwas untergegangen bzw. waren teilweise sogar belanglos. Auf Insomnia gibt es wieder reichliche Features – Madsen, Shirley Holmes, F*CKING ANGRY und Kotzreiz, aber auch die reinen Alarmsignaltracks haben wieder mehr an Charakter gewonnen.

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Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass Insomnia deutlich runder ist als der Vorgänger und auf weite Strecken auch sehr viel Spaß macht. Wenn die Einleitung schon so beginnt, dann ist das auch immer ein ‚Aber‘ zu erwarten. Auf Insomnia machen sich, ich nenne es mal ‚Stadiontendenzen‘ bemerkbar. Mal einen Track, in dem mit inhaltslosen Ahs und Ohs um sich geworfen wird, das geht schon klar. Nur nimmt es auf der Platte dann doch etwas Überhand.

Bei Alarmsignal sind doch vier talentierte Musiker am Werk, da ist die übermäßige Nutzung von Sing-A-Longs doch eigentlich überflüssig. Klar, klingt das cool. Natürlich, gerade auf Konzerten funktioniert sowas großartig. Aber es ist doch auch mal schön, einfach die Musik für sich sein zu lassen, als irgendwelche Vokale drüber zu singen. Das ist Meckern auf ganz hohem Niveau, die Platte wird nicht schlechter dadurch. Nur etwas mehr Abwechslung oder Einfall würde der Kapelle mehr gerecht werden.

Mit den bisherigen Singleveröffentlichungen lässt sich ein wirklich guter Eindruck schaffen, was einen auf dem Album erwartet. Auf der einen Seite sind hochpolitische Tracks wie Deutsch mich nicht voll! oder Rest Your Eyes leider immer noch notwendig. Vermutlich werden sie in den nächsten Jahren auch immer notwendiger. Auf der anderen Seite gibt es Tracks wie Scherbe / Licht oder D’accord, die zwischenmenschliche Probleme ansprechen. Alarmsignal schafft es mit Leichtigkeit, einen Spagat zwischen ernsten Themen und guter Musik zum Pogen zu schaffen. Nichts sehen, nichts hören ist als quasi Skanummer wohl das beste Beispiel auf der Platte für diesen Spagat.

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Die Features mit Madsen, Kotzreiz und Shirley Holmes funktionieren großartig. Madsen wirkt erst sehr ungewohnt, entfaltet dann aber eine ganz spannenden Dynamik. Über ein weiteres Feature irgendwann mal würde ich mich sehr freuen. Kotzreiz und Alarmsignal ist ohnehin eine Kombo, die perfekt funktioniert. Mit Deutsch mich nicht voll! hätte man aber wohl auch kein besseres Feature finden können. Kompass & Chauffeur hat auf Ästhetik des Widerstands die Gemüter gespalten, für mich ist der Song und das Feature schlichtweg großartig. Umso mehr freut es mich, dass Shirley Holmes wieder eingeladen wurde. Und was soll ich sagen, auch D’accord ist ein schönes Stück Musik geworden. Ich muss mir jetzt mal endlich Musik von Shirley Holmes zulegen.

Das Feature mit F*CKING ANGRY hingegen geht bei mir gar nicht auf. Textlich ist Manifest leider auch aktuell wie nie, musikalisch könnte die Nummer aber nicht belangloser sein. Da helfen dann auch nicht die Sing-A-Longs.

Alarmsignal 2024 © Alexander Schank

Besonders hervorzuheben ist das gespenstische Johanna als Outro, das für Gänsehaut und Traurigkeit und doch gleichzeitig Hoffnung sorgt. Ich hoffe sehr, dass die Nummer einen festen Platz auf der Setlist der anstehenden Tour finden wird. Und dann gibt es da noch Neonlichter, der große Exot auf Insomnia. Anfangs äußerst seltsam und ungewohnt, hat sich der Track zu einem der stärksten des Albums gemausert. Beispielhaft an den beiden Tracks lässt sich erkennen, das Alarmsignal viel mehr als nur Punkrock können. Und eben auch mehr als Ahs und Ohs. Sicherlich spielt bei den Ausflügen auch der Einfluss von Tom mit rein. Gerne mehr davon.

Neben der normalen Veröffentlichung gibt es auch noch eine – mittlerweile vergriffenen – Fanbox. Aber anstatt die Fanbox mit irgendwelchem Quatsch zu füllen, der dann eh nur verstaubt, haben Alarmsignal 13 Bands eingeladen, doch einen Song ihrer Wahl neu zu interpretieren. Mit dabei sind u.a. Fahnenflucht, Missstand, FLOMB! und Dritte Wahl. Zusätzlich gibt es ein Fanzine, dass die Historie von Alarmsignal beleuchtet. Warum erwähne ich die Box, wenn sie doch eh vergriffen ist? Weil so Fanservice geht. Weil auch hier Alarmsignal den Spagat zwischen Punkrock und dem ach so bösen Kommerz schaffen. Weil selbst diese Box die Authentizität von Alarmsignal widerspiegelt.

Was aber noch möglich und definitiv empfehlenswert ist, ist ein Besuch auf der No Sleep Till…-Tour, die im April startet. Wer Alarmsignal schonmal live erlebt hat, weiß, dass sich ein schicker Abend mit der Band immer lohnt. Wer noch nicht in das Vergnügen gekommen ist, der findet am Ende der Review die Tourdaten.

Jetzt komme ich aber nochmal zurück zu Insomnia, ist ja schließlich immer noch eine Review. Wie zu Beginn erwähnt, haben sich Alarmsignal über die 25 Jahre stetig weiterentwickelt, ohne dabei sich selbst zu verlieren. Wenn man Fahneneid und direkt im Anschluss Insomnia hört, dann erkennt immer noch die gleiche Anarchie, die gleiche Leidenschaft, mit der alles begonnen hat. Insomnia ist nicht die beste Veröffentlichung von Alarmsignal, aber wieder deutlich runder als Ästhetik des Widerstands. Bis auf zwei drei kleine Schwächen und dem Einsatz von Sing-A-Longs ist Insomnia ein unglaublich gutes Punkrockalbum.

Insomnia zementiert wiederholt, warum Alarmsignal aus der deutschsprachigen Punkszene nicht mehr wegzudenken ist. Insomnia experimentiert, ohne die eigene Identität zu verlieren. Insomnia ist mutig, kämpferisch und authentisch.

Insomnia erscheint am 17. Januar auf schicker Vinyl, CD und digital. Auf Discogs wird bestimmt die Box auch noch auftauchen, wenn irgendwelche Geier die da für viel zu teures Geld anbieten. Außerdem sind Alarmsignal im April auf Tour.

Tracklist

01. You will be safe to…
02. Rest Your Eyes
03. Scherbe / Licht
04. Unser Tape
05. Kein Vaterland
06. Dystopia
07. Laika
08. Neonlichter
09. D’accord
10. Nichts sehen, nichts hören
11. Zusammen untergehen
12. Manifest
13. Deutsch mich nicht voll!
14. Johanna

Alarmsignal – No Sleep Till … – Tour 2025:

03.04.2025 Wiesbaden – Schlachthof
04.04.2025 Stuttgart – Goldmarks
05.04.2025 Dortmund – Junkyard
11.04.2025 Berlin – SO36
12.04.2025 Hamburg – Uebel & Gefährlich
24.04.2025 München – Strom
25.04.2025 Nürnberg – Z-Bau
26.04.2025 Leipzig – Conne Island

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– Playlist: Happy Release Day

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