Panik machte sich breit, kurz vor der Abreise. Grund dafür war das Verschwinden eines für verschollen geglaubtes Relikt aus längst vergangenen Tagen. Meine Ohrstöpsel waren unauffindbar. Rund 1 ½ Jahre nach ihrem letzten Einsatz (06.03.2020 bei I Prevail im Wiener Gasometer) war es endlich wieder soweit. Mit dem Area 53 stand doch tatsächlich nach langem wieder einmal ein Festival auf dem Programm. Und das Beste an der Geschichte: es war auch am 16. Juli 2021 noch nicht abgesagt. Es sollte also tatsächlich passieren!
Beim Area 53 handelt es sich um ein Metal Festival, welches heuer zum vierten Mal im steirischen Leoben (Österreich) stattgefunden hat. Auf drei Tagen aufgeteilt (inkl. Warm Up Day am Donnerstag) gaben sich durchaus namhafte Bands wie u.a. Epica, Subway To Sally, Destruction oder Insomnium ihr musikalisches Stelldichein. Euer Stirnrunzeln an dieser Stelle ist absolut berechtigt. Einerseits hinkt das Festival in Sachen Bekanntheitsgrad dem Leobener Exportschlager #1 (Gösser Bier) gewaltig hinterher, andererseits suchen derartige Bands unter normalen Umständen vergebens nach einer Daseinsberechtigung auf unserer Homepage. Doch was ist im Jahr 2021 noch normal und bekanntlich frisst der Teufel zur Not auch Fliegen. Oder er schaut sich Epica an, so wie in diesem Fall.
Der für uns auserkorene Tag war der Freitag (16.07.), da an diesem Tag die Thrash Metal Urgesteine von Destruction aufgeigten. Weitere Bands des Tages waren u.a. die Headliner EPICA, Insomnium, J.B.O. und Nothgard. Demnach hatte man eher keine tollwütigen Crowdkiller zu befürchten. Die größte Gefahr ging lediglich vom headbangenden Vordermann aus, dessen wehenden Haare einem höchstens die Biersuppe vermiesen konnte. Ist zur Abwechslung ja auch mal ganz entspannend.
Axtmänner und brennende Hexen – Heavy Metal zum Auftakt
Die Anreise gestaltete sich erwartungsgemäß reibungslos und nachdem man das Auto am Parkplatz des nächstgelegenen Baumarktes abgestellt hatte, erreichte man das Festivalgelände VAZS Schladnitz nach wenigen Schritten kurz vor 13 Uhr. Die ersten zwei Bands, All Will Know und Senwa, hatten den Festivaltag in der erhabenen Burgatmosphäre bereits eröffnet. Unser Festivaltag sollte mit den Polen von Crystal Viper beginnen. Die bereits seit 2003 existierende Band hatte Anfang des Jahres ihr achtes Studioalbum The Cult herausgebracht und brannte nun darauf, die neuen Scheiben unters Volk zu bringen. Gemessen an der relativ frühen Uhrzeit versammelte sich auch schon eine akzeptable Anzahl an Schaulustigen vor der Bühne.
Nach einer kurzen Auftauphase fand der temporeiche, klassische Heavy Metal Sound immer mehr Anklang beim Publikum, was mit den ersten Pommesgabeln quittiert wurde. Die Band hatte sichtlich Spaß daran, endlich wieder vor echtem Publikum zu spielen und die Beteiligten auf der Bühne bekamen ihr Grinsen teilweise gar nicht mehr aus dem Gesicht. Spoileralarm, dieser Zustand sollte sich im Laufe des Abends noch des Öfteren wiederholen. Aber wer will es ihnen auch verübeln, schließlich ging es der Meute vor der Bühne nicht anders, als die ersten Live Töne in voller Lautstärke ertönten. Endlich wieder schiefe Töne, verstimmte Gitarren und ein tagelanger Tinnitus! Nach der sehr eingängigen Abschlussnummer The Last Axeman verabschiedete sich Frontfrau Marta in bester Motörhead Manier mit den Worten „We are Crystal Viper and we play Heavy Metal“. Wäre das nun also auch geklärt, falls noch jemand Zweifel hatte.
Einige Parallelen dazu gab es dann bei der nächsten Band. Nicht nur, dass Burning Witches ebenso klassischen Heavy Metal spielen, auch haben die Schweizerinnen mit The Witch Of The North erst vor kurzem ein neues Album auf den Markt gebracht. Die besagte Hexe des Nordens diente hierbei als Bühnenhintergrund und gab insgesamt ein sehr edles, stimmiges Bühnenbild ab. Das Gehörte konnte mich im Vergleich zu Crystal Viper nicht ganz so überzeugen, die Damen auf der Bühne gaben jedoch alles und auch das Publikum zog brav mit. Als Laie würde ich das Gehörte irgendwo zwischen den älteren Iron Maiden und Judas Priest einordnen, da kann man vor diesem Publikum natürlich nicht viel falsch machen. Neben Songs vom neuen Album konnte ich auch We Stand As One (leider kein Warzone Cover), Hexenhammer und Dance With The Devil heraushören.
Die Zeit nach dem Set verbrachte man damit die Gegend zu erkunden. Außerhalb des Festivalgeländes wurde ein kleiner „Metalmarkt“ aufgebaut, welcher wiederum 3 Zelte mit Merchandise und einen Stand mit CDs/LPs umfasste. Wie ihr seht spielte sich das Festival in einem eher beschaulichen Rahmen ab, was ich wiederum sehr angenehm fand. Insgesamt würde ich die Besucherzahl wohl so auf 2000-3000 Leute schätzen, wobei jeder davon seinen „genesen/getestet/geimpft“ Status mittels orangenem (= getestet) bzw. gelbem (= geimpft) Bändchen am Arm zur Schau stellte. Ohne Nachweis, kein Einlass. Erfreulicherweise dürfte das Konzept sehr gut funktioniert haben, tatsächlich habe ich keinen einzigen ohne Nachweis gesehen.
„Scheißegeil“ – Schmier (Destruction), Poet
Weiter im melodischen Death Metal Takt ging es dann mit der bayrischen Band Nothgard. Ohne große sentimentale Ankündigungen wurde der technisch versierte Sound in die steirische Landluft geträllert. Social Distancing dürfte in Bayern schon länger kein Thema mehr sein, zumindest rief der Sänger mehrmals offenkundig zu mehr Bewegung im Publikum auf. Ein erster, zaghafter Moshpit war daraus die logische Konsequenz. Besonders in den Fingern juckte es den bayrischen Spielmännern bei der Nummer Lightcrawler, schließlich konnte die neueste Single nach über einem Jahr nach dem Release endlich ihre Live Premiere feiern. Zum Abschluss gab es bei In Blood Remained noch einen kleinen Circle Pit, was den kurzweiligen Auftritt der Band angemessen honorierte.
Nachdem man bereits Bands aus Polen, der Schweiz und Deutschland gesehen hatte, folgte mit Omnium Gatherum aus Finnland eine Band aus vergleichsweise exotischeren Gefilden. Stilistisch machte man hierbei keine Quantensprünge, auch die Finnen legen ihren Fokus auf Melodic Death Metal. Obwohl es die Band bereits seit 1996 gibt waren mir die Jungs zuvor kein Begriff und ehrlich gesagt haben mir die Hörproben im Vorfeld auch nicht so recht zugesagt. Live war das aber eigentlich recht anständig, vor allem der Sänger wirkte sehr sympathisch, als er das gesamte Set über durchgegrinst hat wie das berühmt berüchtigte Hutschpferd. Die einzigen Nummern die ich ausmachen konnte waren Rest in Your Heart und Skyline zum Abschluss. Insgesamt ganz nett, aber sicher nichts was mir Ewig in Erinnerung bleiben wird.
Danach war erstmal Schluss mit verspielten Melodien, es wurde ernst. Mit Destruction war nun eine echte deutsche Thrash Metal Institution an der Reihe. Also hieß es Knüppel aus dem Sack und rein ins Getümmel. Gleich zu Beginn wurden die Götter verflucht (Curse The Gods), ehe im Anschluss das Thrash-Gewitter nach anfänglichen Tonproblemen mit Nailed To The Cross erst so richtig entfacht wurde. Dies animierte den Mob zu einem etwas größeren Moshpit und auch ein Crowdsurfer konnte erspäht werden. Bei fast 40 Jahren Bandgeschichte kann die Truppe natürlich auf einige „Hits“ zurückgreifen, wie beispielsweise den Mad Butcher, der dann wenig später auch gleich zurückgeschlagen hat (The Butcher Strikes Back). Frontmann Schmier bezeichnete den heutigen Abend als „hammergeil“ und „surreal“, wobei ich mich in beiden Punkten nur anschließen kann. Es war in der Tat noch etwas befremdlich und surreal ein Konzert wie „früher“ inmitten von so vielen Leuten zu erleben, aber andererseits eben auch „hammergeil“. Zwischendurch wurde dem Lieblingsgenre mit Thrash Till Death gehuldigt, während der Auftritt mit der selbsternannten Ballade (O-Ton Schmier) Bestial Invasion ihren würdigen und rührenden Abschluss fand. Herzzerreißend.
„Ihr seid tatsächlich richtige Menschen, keine Autos“ – Hannes, (J.B.O.), konnte sein Glück kaum fassen
Nach so einem Geknüppel musste man erstmal wieder auf andere Gedanken kommen. Da kamen die Jungs von der Spaß-Metal-Truppe J.B.O. gerade recht. Ein Name, den ich auch schon lange nicht mehr gehört hatte. Würde ich mich zu Hauptschulzeiten noch als Fan bezeichnen, habe ich das Orchester mit zunehmendem Alter immer mehr aus den Augen verloren. Woran denn das nur liegen könnte. Dementsprechend waren mir Lieder wie Hoffen und Bangen, Wer lässt die Sau raus oder Vier Finger für ein Halleluja eher kein Begriff, bei Klassikern wie Bolle, Ein guter Tag zum Sterben oder Verteidiger des Blödsinns war ich aber noch überraschend textsicher. Die Show selbst lieferte neben dem obligatorischen rosafarbenen Bühnenbild auch die erwartbaren Flachwitze („Wir sind Le-oben und ihr seid Le-unten“) und bot zusammengefasst sicherlich gute Unterhaltung für das Zielpublikum. Obwohl ich mich nicht mehr dazu zählen würde, ist mir dennoch der ein oder andere Grinser entglitten.
Das kurze, spaßige Intermezzo wurde im Anschluss jäh von den melancholischen Klängen Insomnium’s beendet. Die Finnen zählen mittlerweile zur ersten Riege im Melodic-Death-Metal und erfreuten sich gemessen an der Garderobe der Besucher großer Beliebtheit. Mit einer gewissen Spannung blickte ich dem Auftritt entgegen, da ich bis zum Schluss eigentlich nicht so recht wusste, was ich von den Hörproben im Vorfeld halten sollte. Die schnelleren Tracks sagen mir ja durchaus zu, andererseits finde ich so langgezogene 8-Minuten Nummern richtig langweilig. In der Zeit bringen andere Bands ganze EPs raus mit mehr Unterhaltungswert, aber das ist halt Geschmackssache. Leider war das live halt auch relativ mau, da halfen selbst die gutgemeinten Deutsch-Versuche des Sängers nicht viel („Was ist los Österreich“). Das war meines Erachtens schon richtig zäh, weshalb man sich nach ein paar Anstands-Nummern ausklinkte. Da uns Epica im Anschluss eigentlich auch nicht wirklich interessierten, entschloss man sich angesichts dieser Enttäuschung kurzer Hand den Heimweg anzutreten. Ja, wahrlich ein unrühmliches Ende für diesen ansonsten tollen Festivaltag.
Fazit
Trotz dem abrupten Ende war es alles in allem ein gelungener Ausflug in eine fast verloren geglaubte Welt. Den Veranstaltern gebührt Lob und Dank, dass sie dieses Festival auf die Beine gestellt haben und in diesem Rahmen auch durchgezogen haben. Ob es der Startschuss zur Rückkehr in normale Zeiten war, oder nur eine kurze Ausnahmeerscheinung war (u.a. wurde das Frequency Festival im August ja bereits schon wieder abgesagt…) bleibt abzuwarten. Ich für meinen Teil bin froh das Area 53 mitgenommen zu haben und hoffe inständig auf Ersteres, damit es auch bald wieder mit den räudigen Club-Shows losgehen kann. Metal Festival hin oder her, aber da geht’s dann wirklich um was…
Nichtsdestotrotz ist der Zeitraum vom 14. – 16.07.2022 schon einmal leicht hellrot vor markiert im Kalender, denn mit Blind Guardian, Accept, Exodus, Testament und Death Angel wurden bereits die ersten Hochkaräter für die nächste Ausgabe des Area 53 angekündigt.