„Es ist leichter, einen Atomkern zu spalten als ein Vorurteil“, so sprach seinerzeit Albert Einstein und spätestens seit sich ein gewisser Erfolg bei den Nordrhein-Westfalen von Betontod eingestellt hat, können diese ein Lied davon singen.
So werden sie immer wieder mit der Grauzone in Verbindung gebracht und auch wir haben kurz gezögert, ob wir ihr neues Album Vamos! besprechen sollten.
Nach einem kurzen Gedankenaustausch war unser Standpunkt zu dem Thema allerdings gesetzt und uns war auch schnell klar, dass wir ihnen gerne ein paar Fragen zum Grauzonen-Thema und natürlich auch zum neuen Album stellen möchten.
Gitarrist Frank nahm sich Zeit für uns und antwortete sehr ehrlich, auch auf Fragen die ihn mittlerweile bestimmt schon richtig nerven.
„Es ist wichtig zu sagen warum man auf welcher Seite steht. Dass man gerade als deutscher Mitbürger eine Verpflichtung hat zu verstehen, dass auf unserem Boden und natürlich auch nirgendwo anders auf der Welt so eine Scheiße wie der Holocaust noch einmal vorkommen darf.“
Interview mit
AFL: Hey Frank, schön, dass ihr die Zeit findet uns ein paar Fragen zu beantworten und ich muss auch gleich mit einem Geständnis beginnen.
Ehrlich gesagt wart ihr von meinem Radar lange verschwunden, so war das letzte Album, was ich von euch besitze, das 2010er Album GlaubeLiebeHoffnung. Nicht zuletzt darum war es sehr spannend nun eurem neuen Werk Vamos! zu lauschen. Ich finde, dass ihr mittlerweile an der einen Ecke metallischer und an der anderen rockiger klingt als früher. Wie seht ihr eure eigene musikalische Entwicklung?
Frank: Es ist natürlich schade, wenn wir einfach so von dem Radar verschwinden, aber das wird ja irgendeinen Grund gehabt haben. Wir haben uns mittlerweile natürlich entwickelt. Ob das positiv oder negativ für den einzelnen Hörer ist, muss er selbst entscheiden. Wir können sagen, dass sich zwei Dinge extrem verändert haben.
Einerseits die Fragestellung was wollen wir für eine Musik machen – das beantworten wir uns immer zum Song selbst. Wenn dann ein Album mal so oder so klingt, dann ist das immer die Summe aus den einzelnen Songs und das würden wir nicht ändern wollen.
Auf der anderen Seite die politische Ansage, die wir mittlerweile als Verpflichtung ansehen. Es ist wichtig zu sagen warum man auf welcher Seite steht. Dass man gerade als deutscher Mitbürger eine Verpflichtung hat zu verstehen, dass auf unserem Boden und natürlich auch nirgendwo anders auf der Welt so eine Scheiße wie der Holocaust noch einmal vorkommen darf.
Es ist doch so einfach alle „aber“ Sätze der Rechten zu entkräften. Warum passiert das nicht viel öfter? Warum spielt man gerade in bestimmten politischen Parteien so mit dem Feuer? Wir haben für uns erkannt, dass man als Band auf der Bühne immer aufklären muss. Man kann nicht von der Normalsituation ausgehen und diese erwarten. Dafür muss man immer wieder kämpfen.
„Kritik ist immer herzlich willkommen, aber bitte dann sachlich und nicht an den Haaren herbeigezogen.“
AFL: Euer Album behandelt vorwiegend die Themen Freundschaft, Treue und Durchhalten. Wie läuft bei euch die Themenfindung für Songs bzw. das Songwriting so ab?
Frank: Wie beschrieben Song für Song. Ich hatte z.B. die Vision des Videos vom Boxer-Song sehr früh und habe dann den Text dazu geschrieben. Jetzt gibt es halt manchmal Kritik, dass es sich hier zu sehr um diese „wir müssen aufstehen“-Attitüde geht.
Ja, das ist dann halt in diesem Song so. Soll ich den Text dann vergessen, nur weil ich Angst habe, dass irgendeiner das negativ beurteilt? Was hätte das noch mit Punkrock zu tun?
Ich habe heute eine Kritik auf laut.de gelesen, wo der Redakteur bemängelt, dass ich in den Grüßen im Booklet meine Frau über Kürzel Grüße.
Das mache ich seit mehreren Platten und ist mittlerweile ein Running-Gag zwischen uns geworden. Ich bin seit über 20 Jahren mit ihr zusammen und die Kritik des Redakteurs lautet nun „das ist doch 13-jährigen Niveau, das hat nichts mit Punk zu tun“. Wenn ich so etwas lese, hört es bei mir auf und ich denke nur was ist das für ein Vollhorst, der krampfhaft nach irgendwelchen negativen Dingen suchen muss, weil er vielleicht ein negatives Bild von der Band hat (was ja vollkommen ok ist). Kritik ist immer herzlich willkommen, aber bitte dann sachlich und nicht an den Haaren herbeigezogen.
AFL: Wie kämpft man eurer Meinung nach am besten gegen Vorurteile an?
Frank: Indem man sie thematisiert und entkräftet. Ich nehme mal das Beispiel Chemnitz. Wie die Rechte damit umgeht ist doch klar. Das ist doch so eindeutig, dass es hier nur um Spaltung der Gesellschaft geht – um Vorurteile.
Schlimm ist es eher, dass die dann natürlich Leute erreichen, weil sie anprangern, dass die Politik nichts oder nur sehr wenig zu dem Mord an dem deutschen sagt. Das hilft denen dann doch.
Ich würde viel mehr thematisieren und auf Tabus scheißen. Das ist eine Entwicklung die ich sehr wohl erkenne, dass es nicht mehr gewollt ist, dass man Dinge diskutiert. Die Diskussion und Auseinandersetzung wird viel zu oft als Streit bewertet. Das hilft natürlich überhaupt nicht.
AFL: Ihr habt bestimmt schon eine Ahnung worauf ich hinaus will – auf die Gerüchte über euch die sich seit Jahren im Netz halten. Wie seid ihr gerade in den Anfängen damit umgegangen und wie unterscheidet sich euer Umgang mit dem Thema zu jetzt?
Frank: Wir haben zu lange geschwiegen. Allerdings kann man natürlich auf unserer Seite zurecht Fehler finden. Da würde ich lügen, wenn wir nicht auch Dinge falsch gemacht hätten, die wir heute natürlich anders machen würden. Wir haben leider die Bühne mit Bands geteilt, mit denen wir es heute nicht mehr machen würden.
Wir haben immer gedacht, ist doch ok, wenn wir auf diesen Bühnen dann Viva Punk singen und unser Statement abgeben, das würde reichen. Das ist ein Fehler gewesen. Das erreicht solche Leute nicht. Da kamen dann plötzlich Leute zu unseren Gigs, die wir nicht da haben wollen.
AFL: Gibt es auch bestimmte Gründe dafür, dass ihr politische Themen größtenteils ausklammert? Ihr schreibt ja bestimmt über Themen die euch bewegen und Politik hat euch ja schließlich auch immer bewegt.
Frank: Wie gesagt, wir haben ja erkannt, dass es wichtig ist hier Stellung zu beziehen und das machen wir schon in Texten und natürlich auch Live und über alle sonstigen Kanäle wo es machbar ist.
Wir haben z.B. eine enge Kooperation mit der Aktion „Kein Bock auf Nazis“ die uns auf der kompletten Tour mit einem Stand begleiten werden. Das ist uns extrem wichtig! Und klar nehmen wir es auf, dass es eine Szenepolizei gibt und dass diese uns einige Zeit sehr kritisch betrachtet hat. Und was soll ich sagen an der Tatsache ist natürlich nichts dran. Ich möchte aber sagen, dass es wichtig ist, dass es diese Mechanismen in der Szene gibt. Nur geht es manchmal etwas zu weit leider.
AFL: Wenn ihr mehr Lieder wie Stück für Stück rausbringen würdet, würden sich vielleicht auch die Gerüchte besser verflüchtigen oder habt ihr da andere Erfahrungen gemacht?
Frank: Ja, nur weil man kritisch betrachtet wird, muss man sich ja nicht zwanghaft nur noch politisch äußern. Wenn man auf unsere letzten Alben schaut, erkennt man hier auf jeder Platte ein oder mehrere Songs die sich klar positionieren und dagegenstehen.
„Gerade weil sich in dieser Szene eher zwielichtige Gestalten tummeln,s mag ich es nicht in diese Schublade gesteckt zu werden.“
AFL: Ihr habt auch eine Bonus-CD mit alten Tresenliedern heraus gebracht, die ihr neu verpackt habt. Wie kam es dazu und steht ihr selber auch noch oft im verrauchten Party-Keller?
Frank: Ja, irgendwie sind das die dunklen Fragmente aus unserer Jugend. Und diese Songs ist man nie so richtig losgeworden. Ob man die jetzt geil findet oder zurecht vielleicht auch nicht. Diese Lieder haben ja irgendwas, sonst würden sie nicht so lange in den Köpfen bleiben.
AFL: Im Lied Diese Zeit werft ihr einen Blick zurück. Schaut ihr manchmal wehleidig auf vergangene Tage und wünscht euch alte Freundschaften und Zeiten zurück?
Frank: Ja, irgendwie ist es doch so, dass mit jedem Jahr was dazukommt irgendwie auch etwas wegfällt und nicht immer muss es so sein, dass man sich diese Zeit zurückwünscht, aber vergessen werden wir sie bestimmt nicht. Und das ist auch vollkommen ok für uns.
AFL: Eine Sache muss ich noch loswerden, auch wenn ich euer neuestes Werk als gelungen ansehe, habe ich doch meine Probleme mit dem Lied Nie Mehr Alkohol denn es erinnert mich trotz Gitarrenuntermalung zu sehr an Ballermann und Apres-Ski. Aber so denken bestimmt nicht alle und darum würde mich mal interessieren wie ihr reagieren würdet, wenn der Song plötzlich an besagten Orten rauf und runter gespielt werden würde und ihr eine Booking-Anfrage für ein Mallorca-Festival bekommen würdet?
Frank: Wir haben ja einen Song, der von einem DJ verwurstet wurde und dort gelaufen ist (Glück auf). Mein Gott, was soll ich sagen, wenn dort Leute sind, die auch mal ordentliche Musik hören können ist das ja nichts Verwerfliches. Mit der Tatsache, dass man Party macht haben wir ja auch keine Probleme. Wir sehen uns aber dort nicht, irgendwie ist unsere Party, die wir mit BETONTOD feiern, eine andere.
Die Punkszene ist aktuell leider so aufgestellt, sich von innen heraus selbst zu zerstören. Das liegt halt leider auch an der Szene-Polizei.
AFL: Man hört in Bezug auf euch auch oft die Genrebezeichnung „Deutschrock“. Ich persönlich tue mich mit diesem Genre bzw. dieser Bezeichnung in Bezug auf euch sehr schwer. Wie seht ihr das?
Frank: Ich mag diese Bezeichnung in Bezug auf unsere Band eigentlich gar nicht. Wir spielen Metal, Rock und ganz bestimmt Punkrock. Deutschrock eher nicht.
Gerade weil sich in dieser Szene eher zwielichtige Gestalten tummeln, mag ich es nicht in diese Schublade gesteckt zu werden. Grundsätzlich ist das ja eh so eine Sache mit dem Schubladendenken. Wir sind da nicht ganz so festgefahren. Deswegen können wir auch mal einen Saufsong bringen.
AFL: Im Folgenden möchte ich euch kurz entscheiden lassen:
- Henry Maske oder Graciano Rocchigiani
Was für eine Frage: Rocky!! - Metallica oder Manowar
Metallica, aber auch eher Maiden!! - Korn oder Weinbrand
Weinbrand, aber auch eher Rum oder Vodka!! - Spirit-Festival oder Wacken
Beides, da würde ich mich nie entscheiden wollen… - Club oder Open-Air
Auch beides. Im 200er Club ist es geil und Open Air auch - Karneval oder Schützenfest
Karneval, weil das im Ursprung eher was mit Lebensgefühl zu tun hat. - Baywatch oder Knight Rider
Knight Rider - Onlinezine oder Printmagazin
Print und Online, die Form ist ja nicht wichtig, eher welche Qualität das Mag hat.
AFL: Ihr wart ja auch mal bei Nix-Gut Records unter Vertrag. Wie seht ihr Andys Umgang mit dem Frei:Wild und Krawallbrüder-Records?
Frank: Schwierig… grundsätzlich äußern wir uns aber nicht zu anderen Bands und Leuten. Die sollen machen was sie für gut befinden. Ich muss das ja nicht gut finden.
AFL: Ihr blickt mittlerweile auf 28 Jahre Betontod zurück. Wie fühlt sich das rückblickend an, dass aus fünf chaotischen Punkrockern gestandene Musiker mit Chart-Einstieg geworden sind?
Frank: Es hat sich ja trotzdem innerhalb der Band nicht viel getan. Das hat nur den Willen nach vorne zu kommen noch eher bestärkt und man arbeitet etwas mehr an der Musik. Aber sonst hat sich nicht viel geändert. Immer noch der alte Chaoshaufen.
AFL: Habt ihr auch gewisse Zukunftsängste, was eure Kinder angeht, wenn ihr in diesen Tagen in Richtung Chemnitz schaut? Wie seht ihr die derzeitige Entwicklung in diesem Land?
Frank: Ja und gerade deshalb ist es ja wichtig Stellung zu beziehen. Angst ist hier aber nicht die richtige Bezeichnung für dieses Gefühl. Eher Unbehagen.
AFL: Ihr habt in den ganzen vergangenen Jahren bestimmt auch einen gewissen Wandel der Szene beobachten können. Was unterscheidet die Szene heute von der in den 90ern?
Frank: Dass die Punkszene leider aktuell so aufgestellt ist, sich selbst von innen heraus zu zerstören. Das liegt halt leider auch an der Szene-Polizei. Political Correctness ist halt schon wichtig, aber man muss halt schauen, dass man da auch ein gewisses Augenmaß für Dinge behält. Weniger was den Kampf gegen rechts angeht, da würde ich eine 0-Toleranz für wichtig erachten. Eher wenn es um andere Dinge geht. Was darf eine Punkband z.B. und was nicht. Da würde ich das ganze Mal entspannter sehen.
AFL: Wie schwer ist euch eigentlich die Entscheidung gefallen, die Musik professionell zu betreiben und euch komplett ins Business zu wagen?
Frank: Das entwickelt sich irgendwann. Da muss man dann eine Entscheidung treffen. Schwer ist das immer. Egal wann man die treffen muss.
AFL: Ich bedanke für eure Zeit und möchte euch gerne die letzten Wort überlassen. Möchtet ihr noch was loswerden?
Frank: Danke, dass Ihr das Interview geführt habt und uns die Chance gebt uns zu erklären. Ob man das dann geil findet oder nicht kann man dann ja immer noch entscheiden.
BETONTOD live 2018
05.10.2018 — Berlin, Deutschland — Huxleys Neue Welt
06.10.2018 — Köln, Deutschland — Kantine
12.10.2018 — Geiselwind, Deutschland — Music Hall
13.10.2018 — München, Deutschland — Tonhalle
19.10.2018 — Hamburg, Deutschland — Mehr! Theater
20.10.2018 — Frankfurt, Deutschland — Batschkapp
26.10.2018 — Pratteln, Schweiz — Z7
27.10.2018 — Stuttgart, Deutschland — LKA Longhorn
02.11.2018 — Dortmund, Deutschland — Westfalenhalle 3A
03.11.2018 — Leipzig, Deutschland — Täubchenthal
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[…] BETONTOD – Gitarrist Frank im Interview […]