So viel vorab: ich gehöre zu den „neueren“ Fans der Broilers und bin genau seit der Zeit dabei, seitdem der Band von manchen Seiten vorgehalten wird, sie würde sich zu weit von ihren Oi-Wurzeln entfernen und mehr und mehr zur Pop-Band mutieren – seit Santa Muerte also.
Aber sind wir allen Realness-, Roots- und Oi-Debatten zum trotz mal ehrlich: Santa Muerte war ein fantastisches Punkrock-Album, das überragende Ohrwürmer mit erfrischenden musikalischen Elementen gemischt hat, sodass endlich mal ein frischer Wind in der Punkrock-Landschaft geweht hat. Das gleiche gilt für (sic!), wobei dieses Album sogar noch einen Ticken härter war. Noir dagegen war eher poppig, vor allem aber sehr melancholisch angehaucht, was unter anderem dem Tod von Sammys Hund geschuldet war.
Ganz egal, ob man die letzten Alben der Broilers aber nun mag oder nicht, sie alle haben gezeigt, dass es sich hier um eine Band handelt, die nicht still steht und immer den nächsten Schritt sucht. Keine Band klingt so wie die Broilers und genau das zeigt auch das neue Album Puro Amor.
Legt man die Scheibe ein und drückt auf Play, bläst einem im wahrsten Sinne des Wortes erstmal ein fetter Satz an Blechinstrumenten entgegen und es wird wieder mal klar, worauf die Songs der Broilers in Wahrheit ausgelegt sind: und zwar dicke Live-Shows zum Party machen. Nicht alles endet irgendwann ist ein Auftakt nach Maß und ein absoluter Hit. Die Band ist hier in Topform und man hört vor allem, wie gut und überlegt das Album produziert ist (wie das Echo der Zeile „Nur der Sommer wird langsam kalt, kalt, kalt“ in das Snare-Fill übergeht ist einfach nur geil) – der beste Album-Opener seit Zurück zum Beton.
Nach Hause kommen/Zurück zu mir ist etwas melancholischer, aber nicht weniger auf Pogo ausgerichtet. Wer nach der zweiten Single Alles wird wieder ok! ein getragenes Album aus Radiosongs erwartet hat, wird bis jetzt eines Besseren belehrt. Gib das Schiff nicht auf! und Porca Miseria sind dann zwar nicht die Über-Songs, im Kontext des Albums aber auf jeden Fall stimmig.
Zwei Songs auf Puro Amor sind ganz besonders phänomenal: und zwar Alter Geist und Dachbodenepisoden. Ersterer definiert die Wörter „Hit“ und „Ohrwurm“ nochmal neu. Überraschend kommt der verzerrte Synthie-Sound in den Strophen, der das perfekte Beispiel dafür ist, dass die Broilers alles aber nicht langweilig sein wollen. Keine Sorge: nur weil hier mit Instrumenten experimentiert wird, die man nicht unbedingt in einer Punkrock-Band vermutet, heißt das nicht, dass die Broilers keine geilen Songs mehr schreiben.
Das absolute Highlight ist aber definitiv Dachbodenepisoden. Junge Junge was hat Sammy hier für ein Meisterwerk von Song geschrieben. Das Lied steigert sich von Stück zu Stück und endet im vielleicht ergreifendsten Refrain der Bandgeschichte. Klar, wer keinen Bock auf Pathos und ein gewisses Maß Dramatik hat, ist hier falsch. Allerdings machen die Broilers aber auch schon lange keinen Hehl mehr daraus, nicht mehr die Band zu sein, die zwei-minütige Rumpelsong zum Rumgrölen macht, sondern ganz bewusst die musikalische, emotionale und oft bewusst poppige Schiene fährt. Entweder liebt man das oder man hasst es – das was sie tun, machen sie aber besser als alle anderen und genau dadurch wird Puro Amor auch zu einem guten Album.
Abgesehen von diesen Hits hat das Album noch zahlreiche weitere Songs. Manche knallen mehr (Diktatur der Lerchen, Da bricht das Herz), mache weniger (Alles wird wieder ok!, Alice und Sarah), alles in allem ist Puro Amor aber eine absolute Kaufempfehlung. (sic!) und Santa Muerte bleiben zwar meine Favoriten, da sie noch ein Stückchen mehr Gas geben, aber allein dafür dass sich mit Dachbodenepisoden schon jetzt einer meiner All-Time-Favorites (neben Tanzt du noch einmal mit mir? und 33 RPM) auf der Platte befindet, kann ich Puro Amor gar nicht groß kritisieren. Das werden wahrscheinlich die übernehmen, denen die Broilers in den letzten Jahren eh schon zu poppig geworden sind, wer aber wie ich froh darüber ist, dass die Band seit Vanitas endlich richtige Hits schreibt und Wert auf eine gute Produktion legt, ist hier genau richtig.