Wenn Christmas zu einem Festival ruft, kann man sich sicher sein: das Line-up ist nicht alltäglich. So auch beim Christmas Sucks Festival im wunderschönen Haus am See. Die Organisation eines solchen Megaevents stellt natürlich alle Beteiligte vor größere logistische und oft auch unerwartete Probleme. Schon vor Beginn der Veranstaltung waren zwei der drei Pissoirs erledigt und man betrat die Toilette besser nur mit festem Schuhwerk. Das nenne ich mal ein Qualitätskriterium. Aber auch ansonsten gab es ein paar Unwägbarkeiten. Während Bitch Queens Karre bereits am Anfang nicht ansprang und die drei Herren (!) deshalb ausfallen mussten, kämpften auch Kein Hass da mit ihrer Blechkarosse. Zumindest schafften sie, wenn auch verspätet, die Wegstrecke.

Oi!Port1

Oi!Port hab ich in letzter Zeit sehr oft gesehen. Sie hatten die undankbare Aufgabe das Mega-Line-up zu eröffnen. Obwohl die Veranstaltung bereits um 16:00 losging, war der laden bei meiner Ankunft bereits gut gefüllt. Die Initiative Viva con agua haben sich bereit erklärt den Eintritt abzuwickeln und zumindest aus meiner Sicht haben sie das ganz gut gemacht. Geld kassiert und Stempel aufgedrückt… Hoffen wir mal, dass es sich spendentechnisch gelohnt hat. Zurück zu Oi!Port. Ihr etwas untypischer Oi!-Punk war genau das richtige um diese Uhrzeit. Die Band spielte ein etwa halbstündiges Set inklusive In der Kneipe zur trockenen Kehle (Schleimkeim wird uns in diesem Bericht noch öfter begegnen) und einem neuen Song. Wie immer exzellent gespielt und der neue Song macht Lust auf mehr.

Muskelschwund

Muskelschwund aus St. Wendel hatten dank dem Ausfall von Bitch Queens ihren zweiten Auftritt in Folge, den sie spielten bereits am Freitag ihren Debütgig auf dem Rock@Club der Fun Music School. Der Name ist hier Programm, leiden Gitarrist und Bassit wohl an dieser üblen Krankheit. Die beiden jungen Männer sind mir auch schon öfter bei Punkkonzerten aufgefallen, macht sie doch dort gerne die Wheelchair of Death oder Rollstuhlpogo. Die Lebensfreude haben sie sichtlich nicht verloren. Leider musste Bassist Der Oinuch ausfallen, allerdings wegen einer Hoden-OP, so sagt es zumindest das edle Backdrop. Was auch sonst bei dem Namen. So trauten sich dann Alex Zess und Johnny Bier alleine auf die Bühne. Einen Schlagzeuger haben die Jungs ebenfalls (noch) nicht. Die beiden spielten zunächst die beiden Lieder Todesspritze und Frühlingsgefühle. Hört euch ersteres bloß nicht auf Soundcloud an, die Aufnahme ist nicht so gut. Live kamen die beiden Lieder aber schon sehr geil. So ein bisschen experimentell. Man sieht, dass die jungs ihre Instrumente noch nicht so im Griff haben, aber das ist im Punk ja auch ziemlich egal (oder sollte egal sein). Erinnert so ein bisschen an Früh-Achtziger-Deutschpunk. Danach kam noch Oi!Port-Drummer und unterstützte die beiden bei einem kleinen Experiment, das aus Fragmenten zweier weiterer Songs bestand. Zum Abschluss durften sie als erste (und lange Zeit auch einzige Band) eine Zugabe geben. Ein 30-Sekunden-Song. Alle Achtung! Bin mal gespannt, wie es da weitergeht.

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Hellbent on Rocking

Hellbent on Rocking fand ich danach etwas deplatziert. Das lag wohl daran, dass diese Band für den Abend etwas zu wenig rotzig war. Das wäre vielleicht anders gewesen, wenn die Bitch Queens auch gespielt hätten. So blieb der Motörhead-meets-AC/DC-Rock doch etwas hinter den Erwartungen zurück. Mir fehlte da einfach der Punkrock und waren mir etwas zu viel Rockstar-Allüren, alleine schon beim Soundcheck. Vielleicht tue ich dabei der Band unrecht, aber ich konnte an diesem Abend nicht allzuviel mit ihnen anfangen.

Upfluss

Ganz im Gegensatz zu Upfluss und daran kann man sehen, wie schnell sich meine Meinung auch ändern kann. Aber keine Angst, Le-Postre-Fan werde ich niemals… Nun, vor gefühlten 100 Jahren habe ich mal, damals noch auf meinem mittlerweile inaktiven Blog ein Livereview über Upfluss gemacht, die damals die unheilvolle Aufgabe hatten für die mächtigen Kassierer zu eröffnen. Das Review fiel, oh, sehr böse aus. Konfrontiert wurde ich damit wieder, als ich das Review im Songbook der (durchweg) sympathischen Band abgedruckt fand. Musste ich doch sehr schmunzeln und die Dame und die restlichen Herren der Band auch. So sollte ich dann bei ihrem Reunionsgig ihr schärfster Kritiker sein. Aber im Alter wird man ja bekanntlich nicht nur weiser, sondern auch milder. Und so lief diese Reunion mit meinem Segen ab… als ob sich die Punker was von mir sagen lassen würden. Neu: der Schlagzeuger. Virtuosen an den Instrumenten sind die Jungs jedoch weiterhin nicht, aber das gehört auch zum Image. Hier gehts um „Antifascist Schleimkeim Punk“ und auch die Punkband ist ja nicht für ihre Virtuosität bekannt, sondern durch ihre radikale Rebellion gegen jede Norm. Und so gehts in den Texten der Band auch gegen Faschos, gegen Spießer und besorgte Bürger, dafür für Ficken, Saufen, oi!oi!oi! Die Stimme von Sängerin Mira bleibt gewöhnungsbedürftig, aber wer beispielsweise auf die legendären Ätztussis steht oder Lulu und der Einhornfarm etwas abgewinnen kann, wird sich auch daran nicht stören. Musikalisch gehts gut nach vorne und die eingestreuten Schleimkeim-Zitate machen die Band auch für Szenekenner interessant. Der Neinkeijer (Neunkircher) wird sich in den Texten ebenfalls wiederfinden. „Make Upfluss great again!“ steht auf dem Banner hinter ihnen und das schaffen sie mit ihren zwei neuen Songs auch von ganz alleine. Insbesondere Kommentarspalte ist eine üble Hasstirade aus der Sicht eines Spießers geschrieben, der alle, die anders sind in den Steinbruch wünscht. Auch super: das zweite SK-Cover an diesem Abend Mit dem Knüppel in der Hand. Upfluss sind zurück und stärker als zuvor. Jetzt würde ich gerne einen Chaostage-Vergleich ziehen (Textzeile bei Upfluss: „Was war Hannover ’84? Stummplatz brennt wie fantastisch“), um eine Überleitung zu finden, aber der Nagel und seine Mannen versuchten weiterhin ihr Endziel (höhö) zu erreichen…

Christmas

Also kamen zunächst mal Christmas. Neben Oi!Port habe ich diese Band wohl in den letzten Jahren am häufigsten gesehen und sie werden auch nie langweilig. Ein buntes Potpourri aller ihrer Hits spielte die Band mit dem festivalgebenden Namen. Von ihren Anfängen wie Suicide Girls bis hin zur neuen EP (Review hier), von der auch alle Songs gespielt wurden. Schon von Beginn ihrer Karriere an war Christmas live eine Macht, so auch an diesem Abend. Sänger Max hat alle Signature Moves drauf und kann auch ein paar eigene zum Besten geben. Auch Bassistin, und mittlerweile häufig auch Sängerin, Nadine beherrscht ihr Handwerk. Schön anzusehen waren die Interaktionen zwischen Tommy und ihr. Die Anhängerschar war ebenfalls gut gelaunt und ordentlich am mitsingen. Natürlich ließ es sich Max auch nicht nehmen, ein paar Songs auf dem Rücken beziehungsweise den Händen der Zuschauer zu performen. Dazu kamen auch einige witzige Sprüche. Mit dem Crack Song schließlich hieß es dann auch Abschied nehmen. Auf Grund des straffen Zeitplans waren keine Zugaben möglich, zumal beim Haus am See immer wieder die Anwohner für den nächtlichen Besuch nicht so erwünschter Personen sorgten.

Kein Hass da

Mittlerweile war auch Kein Hass da da (ha, das Wortspiel find ich immer noch gut) und enterten die Bühne. Kein Hass da sind Karl Nagel, seines Zeichen „Erfinder“ der Chaostage und umtriebiges Universalgenie (Lieblingsclip von mir: hier) und Olli von den Emils an der Gitarre. Ja, und halt noch zwei anderen Mitstreitern, bekannt oder naja, weniger bekannt, Toshi aus Pult und Schlagzeuger Rotter (Stone Cold Black). Geboten wurden Bad-Brains-Cover auf Deutsch. Die Texte sind dabei jedoch von Nagel selbst, manchmal nah, manchmalsehr weit entfernt. So wurde aus Banned in DC beispielsweise Knastplanet, aus Attitude Billigflug und aus Pay to Cum Peile Zeit. Karl nagel ist ein toller Performer. Ich hab schon befürchtet, dass die Kapelle aus Hamburg an dessen Profilierungsversuchen scheitert, aber er nahm sich gut zurück. Der ehemalige Kanzlerkandidat sprang wild umher und interagierte mit dem Publikum. Besondere Freude bereitete es ihm seinen Gegenüber zu fiieren und direkt vor dessen gesicht zu performen. Bei With the Quickness (also Weck die Fitness) zeigte er auch, wie toll er Liegestütze machen kann. Auch vor einigen der Reggaenummern schreckte die Band nicht zurück, wobei dies trotz Nagels interessanten Tanzmoves, einfach auch musikalisch die Stücke sind, die mir die Freude an den Bad Brains nehmen. Insgesamt ein solider Auftritt, überraschend gut geworden. Die Band hat auch ein Album namens Hirntrafo draußen mit insgesamt 29 Songs, darunter auch zwei eigene.

Sniffing Glue

Was danach kam, war nur noch Abriss. Sniffing Glue wurde 2006 gegründet. Sänger ist Marcel, der einigen vielleicht sogar besser bekannt als Abfukk-Sänger ist. Sniffing Glue spielen 80er Jahre Hardcore Punk und hatten spätestens mit Holiday in Cambodia das Publikum im Griff. Kompromisslos und hartballerten sie sich durch ein krasses Set. Insbesondere Marcel hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Zum Teil denkt man, der Kerl hat es auf einen abgesehen. Dabei kletterte der junge auf alles, was einigermaßen stabil aussieht. Sogar kopfüber mit den Beinen am Balken hängend bot er einen Song zum Besten. Das Publikum dankte es ihm mit tollen Pogo, Stagediving (naja, Verstärker- und Boxendiving) und Crowdsurfing. Am Ende durfte die Band als einzige (naja, bis auf die improvisierte Muskelschwund-Zugabe) einen zusätzlichen Song verbrezeln. Ein fulminanter Gig und würdiger Abschluss für den Abend.

Monuments

Wären da nicht noch Monoment, eine „Electro-Mock“-Band. Was das sein soll? Nun, quasi Scooter, die sich nicht ernst nehmen. Nein, Moment, ähm, ja, Scooter in ironisch… Nein, auch nicht. Also jedenfalls haben sie was von Scooter, auch im Programm. Drei Typen, bei denen einer gerne blank zieht, Electro-Mucke mit drübergeschrienen Texten und alles in superironisch. Dazu eine kleine Videoshow. Nix für mich, ehrlich gesagt, daher machte ich mich nach drei Liedern auf den Heimweg und verpasste so den Nacktauftritt.

    Fazit:

Ein sehr schönes Festival, trotz einiger Widrigkeiten wie Verspätungen und einer abgesagten Band. Grüße an alle Beteiligten!

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– Playlist: Happy Release Day

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