Cock Sparrer sind und waren immer eine meiner absoluten Lieblingsbands, seit ich angefangen habe Punkrock zu hören. Das neue Album Forever (Review hier) ist ein starkes Werk und im Gegensatz zu den letzten Jahren machen sie sich diesmal in Deutschland recht rar. Zeit mal Cock Sparrer auf den Zahn zu fühlen. Colin McFaull gab bereitwillig Auskunft.
AFL: Ihr seid eine der am längsten aktiven Bands der britischen Punkszene. Während eurer fast 45-jährigen Bandgeschichte gab es eigentlich nur zwei größere Line-Up-Wechsel, jetzt mal abgesehen von Daryl Smith, der „Neue“ von 1992. Wie kommts, das die Band so stabil dasteht?
Colin McFaull: Weil wir Kumpel sind. Wir wuchsen zusammen auf, hielten uns unsere Rücken frei und achteten aufeinander. Wir haben auch nie jemanden gezwungen irgendwas gegen seinen Willen zu machen. Wen jemand sagt: „Das finde ich aber nicht so gut“, dann lassen wir es eben.
AFL: In den letzten Jahren haben einige Bands ihr Comeback gefeiert. Nur wenige können ihre Standards aus den 1970ern oder 80ern halten. Gerade Großbritannien hat einige exzellente Reunionen, man denke nur an Ruts D.C. oder Stiff Little Fingers. Ihr ward von 1985 bis 1992 aufgelöst und kamt mit einem der stärksten Alben eurer Karriere zurück: Guilty as Charged. Wie kams dazu?
Colin: Wir hatten damals das Astoria in London gespielt. Es sollte eigentlich nur ein einzelner Gig werden. Dadurch haben wir Leute kennen gelernt, die uns die Organsiation einer Europatournee angeboten hatten. Wegen diesen Leuten haben wir damals das Album aufgenommen. Burge hatte auch noch ein paar Songs in der Schublade und so schien es die richtige Zeit dafür.
AFL: Als ich den Infotext für das neue Album gelesen habe, war ich überrascht. Gerade mal sechs Studioalben habt ihr innerhalb von 45 Jahren eingespielt. Seid ihr stinkfaul oder ist das alles Teil eines größeren Plans?
Colin: Haha, ich würde gerne sagen, dass das alles Teil eines Masterplans ist. Aber tatsächlich haben wir immer gesagt, das wir nur dann Material aufnehmen und veröffentlichen, wenn wir das Gefühl haben, dass die Songs gut sind und die Qualität stimmt. Wir sind nicht wie viele andere Bands, die meinen, sie müssten alle paar Jahre ein neues Album veröffentlichen, damit es weiterläuft. Selbst bei Forever war es so. Wenn wir nach der Aufnahme das Gefühl gehabt hätten, das es nicht passt, dann hätten wir es auch nicht veröffentlicht.
AFL: Puh, gut, das dem nicht so war. Was bedeutet eigentlich der Albumtitel?
Wir hatten echt Mühe, einen passenden Titel zu finden. Wir hatten zwar viele Ideen, aber die haben wir dann doch über den haufen geworfen. Nach einem Gig saßen wir am Flughafen in Kanada und warteten auf unseren Heimflug und da kam das Thema wieder auf. Auch da grübelten wir lange und verwarfen einige Ideen, bis ein Freund von Pirates Press meinte, wir sollten es einfach Forever nennen. Denn selbst wenn wir schlussendlich aufhören würden live zu spielen, wären die Songs immer noch da, unser Vermächtnis sozusagen. Wir dachten alle einen Moment darüber nach und stimmten zu.
AFL: Das Cover zeigt euer Bandlogo mit dem Albumtitel statt eurem Bandnamen. Dieser steht klein geschrieben untendrunter. Sieht eigentlich so aus, wie von der Band Forver mit ihrem erstaunlichen Debütalbum Cock Sparrer.
Colin: Die Originalidee war eigentlich, den Bandnamen ganz weg zu lassen, so dass nur die Flügel und der Schriftzug „Forever“ zu sehen wären. Aber schließlich fanden wir es so besser und wir konnten unser altes Logo benutzen, was wir schon seit Jahren nicht mehr getan haben.
AFL: Ihr seid nun auf dem deutschen Label Randale Records, die den Vertrieb in Europa übernommen haben. Wie kam es dazu und seid ihr zufrieden?
Colin: Wir kennen die netten Leute von Randale Records schon eine lange Zeit und wussten, das wir darauf vertrauen konnten, dass sie sich alle Mühe mit dem neuen Album geben werden. Wir hatten auch Angebote von größeren Labels, aber wir wollten jemanden, der sich wirklich um unsere Szene kümmert.
AFL: Auf eurer Tour spielt ihr nur fünf Konzerte in Deutschland, drei davon in Berlin und zwei als Teil eines Festivals. Wächst die Liebe mit der Entfernung?
Colin: Ich glaube wir haben in Deutschland mehr Gigs gespielt, als in einem anderen Land der Welt. Das schließt das Vereinigte Königreich mit ein. Versteh mich nicht falsch, wir lieben es hier zu spielen, haben hier viele großartige Freunde und fühlen uns immer willkommen. Aber wir müssen die Gigs etwas mehr mehr verteilen, auch wieder mehr in den UK spielen. Aber es gibt immer ein nächstes Jahr.
AFL: Eure beiden Gigs im SO36 in Berlin waren ausverkauft, also habt ihr einen dritten Auftritt organisiert. Was denkt ihr über Deutschland oder Berlin? Gibt es da eine besondere Beziehung?
Colin: Ich denke ja. Wir haben so viele gute Erinnerungen an Gigs in Berlin, insbesondere bei Festival Punk and Disorderly, so dass wir immer gerne wiederkommen. Aber dieses Mal wollten wir lieber eine Clubshow spielen. Das SO36 wurde vorgeschlagen und wir wussten, das es ein großartiger veranstaltungsort ist. Also sagten wir zu. Zunächst nur für einen Abend. Dann war dieser aber ausverkauft, also haben wir einen zweiten Abend gebucht, Dann war diese auch ausverkauft, also ein dritter Auftritt. Wir freuen uns schon sehr darauf. (Anmerkung: Mittlerweile sind die drei Gigs ja leider gelaufen. Langsamer Übersetzer, jaja, ich weiß. Aber die Auftritte beim Ruhrpott-Rodeo in Oberhausen und beim MAD Fest in Dresden stehen ja noch aus.)
AFL: Zurück zum Album. Meine Lieblingslieder sind “Us Against the World”, “Nothing Like You” und “Family of One”. Hast du auch Lieblingssongs?
Colin: Meine Lieblinge ändern sich die ganze Zeit. Manchmal wenn ich fahre und ein bestimmter Song kommt, zum Beispiel One by One, denke ich: „Ich liebe diesen Song“, aber wenn ich zu hause bin und es ist ruhiger, dann ist es eher Gonna Be Alright oder Every Step of the Way. Also ändert sich das mit meiner Stimmung. Aber ich mag sie alle.
AFL: Ein wiederkehrendes Motiv des Albums ist es, Außenseiter in einer komplexen Welt zu sein. Es ist immer Us Against the World, oder?
Unsere Karriere scheint so zu laufen. Wir sind nun in der glücklichen Position, dass wir die Menschen mit denen wir Arbeiten auch gut leiden können. Sei es unsere Plattenfirma, unsere Merchandising-Lieferanten oder unsere Manager. Aber es war nicht immer so. Wir wurden so oft über den Tisch gezogen und haben so viele schlechte Entscheidungen getroffen, dass es eine Zeit gab, in der wir niemandem mehr vertraut haben. Es hat etwas gedauert, aber jetzt haben wir die Unterstützung einiger weniger ausgewählter Firmen und Organisationen.
AFL: Die 4 Skins haben letztens von sich behauptet eine unpolitische Band zu sein (Hintergrund). Ihr habt den Song Believe indem ihr dagegen sehr klare politische Aussagen macht. Findet ihr Politik im Punk wichtig?
Colin: Ich glaube Politik ist immer wichtig, egal was wir tuen. Alle großen Entscheidungen, die unsere Leben betreffen, können politisch sein. Wir haben immer versucht ehrliche Songs über Dinge zu schreiben, die unsere Leben betreffen. Das war schon bei Watch Your Back oder The Sun Says so. Nichts neues also.
AFL: You’re the good guys, right?
Colin: Who’s asking?
AFL: Das Album klingt erstaunlich frisch. Was hält euch so jung?
Colin: Wir genießen es immer noch. Neue Kumpel zu finden, alte Freunde zu treffen, aber vor allem mögen wir es zusammen zu sein. Wir genießen unsere Gesellschaft. Wir sind einfach nur sechs Kumpel, die sich amüsieren.
AFL: Was haltet ihr von den Bands auf Randale records? Hört ihr überhaupt noch neue Musik?
Colin: Ich höre so viel neuen Stoff wie möglich und ich denke die Szene ist gerade so stark wie nie zuvor. Es gibt so viele gute neue Bands, die sich gerade ihre ersten Sporen verdienen.
AFL: Was denkst du über Brexit? Und über Trump?
Colin: Für beide Fragen die gleiche Antwort: Wir haben das Glück in einer wirklich demokratischen Gesellschaft zu leben. Wir können durch Wahlen viele Dinge bewegen, die sich auf unser tägliches Leben auswirken. Es kotzt mich an, wenn Leute ihr Wahlrecht nicht ausüben – viele Menschen starben für dieses Privileg – und sich dann beschweren, wie ihnen geschieht. Ich denke sowohl Brexit als auch Trump, ich habe mit vielen amerikanischen Freunden gesprochen, waren absolut überraschende Ergebnisse. Aber beide Ereignisse wurden über Wahlen legitimiert. Wenn das System falsch ist, dann muss das System geändert werden. Zumindest bei Trump hat das amerikanische Volk die Chance, ihre Wahl in vier Jahren zu korrigieren. Beim Brexit haben wir diesen Luxus nicht.
AFL: England Belongs to Me ist die Einlaufmusik für den UFC-Kämpfer Dan Hardy. Ihr habt eine Version mit seinem Gesang aufgenommen. Erzählt mal was darüber...
Colin: Wir haben gehört, dass Dan England als Einlaufmusik verwendet und uns Clips auf You-Tube angesehen, Dann haben wir ihm eine Email geschrieben, wie toll wir es fanden, dass er unseren Song verwendet. Wir wollten schon lange eine neue version des Songs aufnehmen und fragten Dan, ob er uns nicht im Studio besuchen will, um den Song mite einzusingen. Was er dann auch tat. Ein toller Kerl!
AFL: Take ‚em All wird von einigen Major League Soccer-Mannschaften verwendet. Seid ihr darauf stolz?
Colin: Natürlich. Es ist immer aufregend, wenn ein Team unsere Songs verwendet oder ihre Fans unsere Songs live singen. Das ist so, als wenn eine andere Band unsere Lieder covert. Es ist eine Ehre und zeigt, dass der Song ihnen etwas bedeutet.
AFL: Ich suche immer nach guten Oi! oder Street-Punk-Bands aus Großbritannien. Hast du Tipps für mich?
Colin: Eigentlich keine, außer zu so vielen Gigs zu gehen, wie möglich. Und nicht nur um den Headliner zu gucken. Geh früh hin und guck dir die kleineren Bands an. Immer wenn wir spielen, versuche ich es einzurichten mir die Vorbands anzugucken. Wie soll ich sonst was lernen?
AFL: Wir haben eine Rubrik mit dem Namen “10 records worth to die for”. Was sind deine 10 Lieblingsplatten?
Colin: Das ist eine schwere Frage. Ich glaube nicht, dass ich meine 10 Lieblingsplatten nennen kann. Das würde Wochen dauern, haha. Ein paar von den Platten, die ich immer wieder gerne auflege sind: das erste Clash-Album, Tin Soldier von Small Faces, And Out Come The Wolvesvon Rancid, Slayed von Slade, Blatant Propaganda von The Barstool Preachers,Dookie von Green Day. Und die Liste geht weiter und weiter….
Danke für deine Zeit. Irgendwelche letzten Worte?
Colin: Danke für die Fragen. hat Spaß gemacht. „Letzte Worte“ sind für Menschen, die gehen und das wollen wir noch lange nicht! Cheers!
Links:
- Cock Sparrer auf Facebook
- Randale Records
- Chase the Ace Records
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