Erst vor kurzem unterhielte ich mich mit einen Freund über Craig Silverman und ich sagte zu ihn „Nenn mir eine Band in der Craig noch nicht war“ – sicher eine dezent übertriebene Aussage, aber der Gitarrist war wirklich schon in sehr vielen Gruppen aktiv. Man denke an Slapshot, Blood For Blood, Ramallah, Tenebrae, Stars And Stripes und seit ein paar Jahren auch bei Agnostic Front – und das sind nur die bekanntesten! Umso mehr freute ich mich auf dem Punk Rock Holiday 2017 ein Interview mit Craig zu führen.
Real punk and hardcore were never political, rather A-Political. There’s nothing less punk in my eyes than being entrenched in a political ideology, be it left or right.
Interview mit Craig von Agnostic Front / Slapshot
AFL: Ich bin hier auf dem Punk Rock Holiday 2017 mit Craig Silverman, Gitarrist von Slapshot und Agnostic Front. Craig, spielst du neben Slapshot und Agnostic Front derzeit noch in anderen Bands?
Craig: Hey Franz, ja ich spiele momentan auch bei Stars And Stripes und American War Machine.
AFL: Kannst du uns kurz erzählen welches Equipment du so benutzt? Wirst du von irgendwelchen Firmen gesponsert?
Craig: Ich spiele hauptsächlich Gitarren aus der Eclipse- und Viper-Serie von ESP. Bei Verstärkern benutze ich Blackstar Amps. Ich hab ein Maxon Overdrive Extreme-Pedal, das ich für mehr Druck verwende. Außerdem habe ich ein Noisegate und ein Funksystem. Alles ziemlich geradlinig also. Ich werde von Blackstar Amplification, ESP Guitars, Fishman Pickups und Dean Markley-Saiten gesponsert.
AFL: Gibt es in der Hardcore- und Punkszene eine Person, die dich besonders beeinflusst hat?
Craig: Mein größter Einfluss, ohne den ich das alles nicht machen würde, ist Greg Ginn (Black Flag).
AFL: Erinnerst du dich an deine erste Hardcore-/Punk-Platte und hast du sie noch?
Craig: Ironischerweise ja. Die erste Hardcore-/Punk-Scheibe, die ich je besessen habe ist „Victim in Pain“ von Agnostic Front. Sie waren auch die erste Hardcore-Band, die ich live gesehen habe; das war 1984.
AFL: Welche Hardcore-/Punk-Band ist in deinen Augen am meisten unterschätzt?
Craig: Meinst du mit unterschätzt, dass sie nicht die Anerkennung bekommen, die sie verdienen?
AFL: Ja!
Craig: Oh, da gibt es echt viele. Eine meiner Bostoner Lieblings-Bands aller Zeiten hießen Jerry´s Kids. Sie waren eine Band, die genauso verehrt werden sollten wie es Agnostic Front, Warzone und die Cro-Mags in New York wurden. Für mich waren Jerry´s Kids DIE Band in Boston. Ja, es gab natürlich SS Decontrol und andere Bands, aber Jerry´s Kids hätten auf einer Stufe mit den ganzen großen Bands stehen sollen.
AFL: Erinnerst du dich an die erste Show, die du jemals gespielt hast oder dein allererstes Mal auf einer Bühne?
Craig: Das war eine Talent-Show auf der High School. Ich war im ersten High School-Jahr und spielte „Screaming for Vengeance“ von Judas Priest (kichert leise). Das war mein erstes Mal auf der Bühne.
AFL: Was war bisher dein persönlich bester Auftritt?
Craig: Ohja, das ist schwer. Ich würde es vielmehr den Auftritt nennen, der mir am meisten bedeutet hat und ich habe über die Jahre in vielen Bands gespielt. Als Kind war Agnostic Front meine Lieblings-Band; erste Hardcore-Show, auf der ich je war, erste HC-Scheibe, die ich hatte – klarer Fall! Ehrlich gesagt war ich nach „Liberty and Justice“ raus, ich war einfach anderweitig unterwegs. Aber „Victim in Pain“, „Cause for Alarm“, „Liberty and Justice“ waren einfach immer sehr wichtige Alben für mich. Eines Tages rief mich Ian McFarland, der Basser von Blood for Blood an und sagte „Hey, AF brauchen einen neuen Gitarristen. Willst du mit ihnen spielen?“. Ich sagte „Yeah, das wäre schon ziemlich cool.“. Ian sagte nur „OK, dann setz dich mal hin.“. Nichtmal eine Minute später rief mich Roger Miret an und sagte „Alles klar, komm rum und spiel mit den Jungs.“. Ich hatte kein Vorspiel oder irgendwas. Sie wussten , wer ich bin und ich wusste natürlich, mit wem ich es zu tun habe. Meine erste Show mit den Jungs war auf dem This is Hardcore 2014 in Philadelphia. Als ich ein Kind war, waren AF so etwas wie mein Led Zeppelin oder mein Black Sabbath. Von daher war es einfach nur geil, mit ihnen zu spielen.
AFL: Hast du jemals Gitarren-Unterricht gehabt?
Craig: Nein, ich bin Autodidakt.
AFL: Ihr seid dieses Jahr fast durchgängig auf Achse, gerade spielt ihr eure Euro-Tour. Gibt es eine Location, auf die du dich freust?
Craig: Ich glaube, bisher haben wir fast nur Festivals gespielt. Da gab es diesen einen Club in Holland, wie hieß er noch gleich? Oh genau, Podium.
AFL: Aus welchem Grund hast du dich auf die Show dort gefreut?
Craig: Weißt du, die Shows dort gehen einfach immer richtig ab. Slapshot war seit dem ersten Abstecher nach Europa dort immer gut am Start.
AFL: Wie entscheidet ihr, welche Songs ihr live spielt?
Craig: Das hat mit mir wenig zu tun, gerade wenn man in Bands spielt, die jeweils schon gute 30 Jahre auf dem Buckel haben. Die Setlist schreibt sich quasi von selbst. Viele Songs musst du sozusagen spielen und es bleibt nicht viel Platz für etwas anderes. Wenn du z.B. 45 Minuten Set hast, gehen schon mal 35 Minuten hauptsächlich für Sachen von den ersten paar Alben weg. Wenn wir über eine Stunde spielen können, wie hier auf dem Punk Rock Holiday, dann ist auf jeden Fall viel neueres Zeug dabei.
AFL: Ist es dir jemals passiert, dass du auf der Bühne einen Song von der falschen Band angespielt hast?
Craig: Nein, noch nie. Ich kann es selbst nicht glauben, aber es ist tatsächlich noch nie passiert.
AFL: Wie schaffst du es, auf Tour fitzubleiben und deine Stimme in Form zu halten?
Craig: Ich hab auf Tour immer ein paar Sachen zum Trainieren dabei, ich benutze auch ein tragbares Rad, mit dem ich jeden Tag für eineinhalb Stunden fahre. Das ist mein Ersatz, wenn ich kein Fitness-Studio finden kann. Wir sind nicht allzu wählerisch, wenn wir mit Promotern verhandeln, aber wenn die Möglichkeit besteht, in ein Fitness-Studio zu kommen, ist das für mich das Sahnehäubchen. Ich trainiere circa zwei Stunden täglich.
AFL: Und was ist mit deiner Stimme?
Craig: Ich rauche nicht und trinke nicht zu viel. Ich versuche immer, mich selbst zu umsorgen.
AFL: Kannst du an diesem Punkt deiner Karriere von der Musik leben?
Craig: Ja. Ich kann es, weil meine Frau einen richtigen Job hat, mit dem sie uns unterstützt und ich kann das tun, was ich liebe. Ich verdiene schon etwas Geld, aber ich könnte meine Familie davon nicht ernähren, das steht fest. Ich verdiene mittlerweile genug, um über den Monat zu kommen. Ich habe jahrelang gar kein Geld verdient, nicht bis 2010 und ich bin seit 1985 in Bands unterwegs. Also hatte ich vor sieben Jahren den ersten Gig, der sich ausgezahlt hat.
AFL: Würdest du uns irgendwelche neuen Bands empfehlen, die man auschecken sollte?
Craig: Neue Bands, ok… Meine Lieblings-Band unter den Newcomern heißt Rhythm of Fear und kommt aus Jacksonville, Florida. Sie sind eine Thrash-Band, aber sie sind einfach so gut. Die Jungs sind alle in den Zwanzigern und wir haben ein paar Shows mit ihnen gespielt. Coole Typen, großartige Band, eine Zeitreise zurück in die Achtziger und ich bin einfach verrückt nach Thrash Metal, ich liebe es!
AFL: Habt ihr in Anbetracht der letzten Ereignisse in Bezug auf Terrorismus auf Konzerten und anderen öffentlichen Veranstaltungen, nicht zuletzt nach dem Angriff auf Gary Meskil von Pro-Pain irgendwelche Maßnahmen ergriffen, um eure persönliche Sicherheit auf Tour zu verstärken?
Craig: Ich war schon immer sehr vorsichtig. Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, wo du immer beobachten solltest, was um dich herum abgeht. Das ist situatives Bewusstsein. Ich persönlich würde nicht alleine in Städten rausgehen, in denen ich die Sprache nicht spreche oder einfach spät noch unterwegs sein. Das entschuldigt natürlich nicht, was geschehen ist, aber ich persönlich würde einfach nicht so spät alleine losziehen. Solange wir nicht mindestens zu dritt sind, gehen wir nicht raus.
AFL: Hast du jemals Erfahrungen mit Groupies gemacht?
Craig: Nein, nicht wirklich. Ich bin kein wirklich gutaussehender Kerl und Frauen mögen Bands wie meine nicht.
AFL: Gibt es etwas aus der Vergangenheit, das du gerne in der heutigen Szene zurückhättest?
Craig: Weniger von der beschissenen Hexenjagd, die man heutzutage beobachten kann. Hardcore wird zuletzt immer weicher. Ein Teil dessen, was mich am Hardcore fasziniert hat, waren Gefahr und Gewalt. Ich dachte mir immer Wow, ich bin verdammte 13 Jahre alt und habe keine Angst vor den Dingen, die um mich herum passieren. Weißt du, wenn es dir nicht gefällt, dann geh nicht hin. Der einzige sichere Ort ist Zuhause. Punk und Hardcore sollte nie sicher sein. Echter Punk und Hardcore waren auch nie politisch, eher apolitisch. Es gibt meiner Meinung nach nichts, was weniger „Punk“ ist, als sich hinter einer politischen Ideologie zu verschanzen, sei es links oder rechts. Jeder ist willkommen, bis er etwas tut, was ihn nicht mehr willkommen macht. So ziemlich alle Bands, in denen ich war, wurden als Nazis oder faschistisch gestempelt. Hey, ich bin Jude, wenn mich jemand als Nazi tituliert, nehme ich das persönlich, da ich Blutsverwandte habe, die im zweiten Weltkrieg in Konzentrationslagern umgekommen sind. Das nächste, was in Amerika derzeit nicht passt, ist, dass es keinen gemeinsamen Nenner mehr gibt. Jeder möchte sich mit etwas anderem identifizieren, als es eigentlich ist; es gibt keine Einigkeit mehr.
AFL: Wirst du genötigt, bestimmte Dinge zu sagen? Musst du dich in Zurückhaltung üben, wenn du in der Öffentlichkeit etwas tust oder sagst?
Craig: Nein, ich habe ohnehin nicht viel zu sagen. Schau, du machst dein Ding, ich mache meines. Solange du mich, meine Familie oder irgendwen, der mir was bedeutet nicht verletzt, ist es mir ziemlich egal, was du tust oder von dir gibst. Aber wenn du denkst, du kannst mir eine mitgeben, weil ich in dieser oder jener Band bin, wie dumm ist das denn!? Die Kids heutzutage sind so reaktionär. Sie lesen irgendetwas online und denken, dass es stimmt. Als ob alles im Internet wahr ist.
AFL: Denkst du, dass es in der Hardcore-/Punkszene ein Sexismus-Problem gibt?
Craig: Sexismus existiert überall. Und manchmal geh es einfach zu weit. Wie viele andere Dinge passieren solche Sachen in Büros, U-Bahnhöfen, Bussen und Einkaufszentren. Die Schande daran ist, dass es eine komplette Band in den Dreck ziehen kann. Ich habe bei Blood For Blood gespielt, ich weiß wie schnell es gehen kann und es fühlt sich echt schlimm an, wenn es passiert.
AFL: Danke für das Interview, Craig. Möchtest du noch irgendetwas loswerden?
Craig: Nein. Vielen Dank für euer Interesse.
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