Cro-Mags oder nicht Cro-Mags, diese philosophische Frage beschäftigt nicht nur seit Jahren unzählige US-Anwälte, sondern sorgte auch bei Bekanntgabe dieser Tour für Stirnrunzeln bei den Fans. Während in diesem unsäglichen Rechtsstreit vor kurzem eine Einigung erzielt werden konnte, half auch ein Blick auf das Motto dieser Tour: gefeiert wurde nämlich das 30-jährige Jubiläum der Platte Best Wishes. Dies war der erste Longplayer, auf der Harley den Sänger mimte (anstelle von Jon Joseph). Somit war klar, hierbei kann es sich eigentlich nur um die hochoffizielle Version rund um Gründungsmitglied Harley handeln.
Nachdem ich die andere Version mit Sänger Jon Joseph und Drummer Mackie (von nun an als Cro-Mags „JM“ unterwegs) vor gut einem Jahr in Wien gesehen hatte, ergab sich nun die Chance, auch die Harley Flanagan Version zu sehen. Diese Möglichkeit darf man natürlich nicht verstreichen lassen. Dafür hatte auch der Chef Verständnis und kredenzte dankenswerterweise einen Urlaubstag. So machte man sich bereits gegen Mittag auf in die steirische Landeshauptstadt. In Graz verbrachte man einen recht gemütlichen Nachmittag und war pünktlich vor Beginn der Veranstaltung bei der Location, dem Explosiv.
Dort angekommen hieß es erst einmal „bitte warten“, denn der Start der Support Band Red Death wurde kurzer Hand von 19:00 Uhr auf 19:30 Uhr nach hinten verlegt. Die Wartezeit verbrachte man draußen, wo auch der gute Harley mehrmals pfeifend vorbei spazierte. Dann öffneten sich die Pforten und die Massen strömten in die Halle. Nachdem der Ansturm abgeklungen war, fanden sich abgezählte zehn Leute vor der Bühne ein (2x Security und ein Fotograf dabei schon mit eingerechnet). Naja.
Als die Jungs von Red Death loslegten, wähnten die sich wohl im falschen Film. Aber es nützt ja nichts, die machten das beste daraus und hauten den wenigen Interessierten ihren brachialen Thrash Metal um die Ohren. Das wirkte anfangs schon etwas skurril, fast schon peinlich. Kaum Leute vor der Bühne und dann noch gefühlt ein Kilometer Respektabstand zwischen Bühne und Publikum. Mit Fortdauer des Sets wurde es dann aber besser. Es kamen nach und nach noch ein paar Zuseher vor die Bühne und bis zum Ende hin versammelte sich noch eine akzeptable Meute vor der Bühne. Hat ein bisschen gebraucht zum warm werden, aber am Ende war das schon OK. Aber noch weit entfernt von einer angemessenen Betriebstemperatur.
Eingedeckt in Jacke, Haube und Schal betrat nun zu souligen Rhythmen der Hauptakteur des heutigen Abends die Bühne, Mr. Harley Flanagan himself. Und Band. Geschmeidig tänzelte er in aller Seelenruhe umher, ehe es den Feierlichkeiten zum Jubiläum von Best Wishes entsprechend mit dem Opener Death Camps losing. Und wie. Die Jungs sind vom Start weg voll bei der Sache und vor allem die Energie von Harley wirkt beeindruckend und ansteckend. Weiter geht’s mit We Gotta Know, sicherlich einer der ikonischsten Songs im Hardcore. Die Nummer wird regelrecht zelebriert und es ist fast unmöglich still zu stehen. Sensationeller Start ins Abendprogramm!
Es dauerte auch nicht lange bis sich der Frontman seiner Sachen entledigte und erstmals munter drauf los plauderte. Er zeigte sich enttäuscht ob der Größe bzw. fehlenden (Körper-)Masse der anwesenden Besucher, er hätte sich heute Abend ein Publikum voller Schwarzeneggers erwartet. Schließlich befindet man sich ja in der Heimatstadt der steirischen Eiche. Generell zeigte er sich in Redelaune und gab die ein oder andere Anekdote zum Besten, vorrangig erzählt aus der Ich-Perspektive. Es fällt schwer den Rest der Band nicht zu Statisten verkommen zu lassen, aber im Großen und Ganzen war das eine One-Man-Show. So ehrlich muss man sein.
Ich vermute einmal, wer auf ein Cro-Mags Konzert geht, erwartet sich in erster Linie Songs von der ersten Platte Age Of Quarrel und glücklicherweise kamen diese Songs nicht zu kurz. Die Setlist gestaltete sich großteils aus Songs von Best Wishes und Age Of Quarrel, wobei die Stimmung bei den Klassikern von AOQ am besten war. Harley & Co. zeigten sich weiterhin in Spiellaune, Harley selbst wechselte gekonnt zwischen lustigen Ansprachen zwischendurch und dem bekannt grimmigen Blick während der Songs. Ganz nebenbei spielte er sich sprichwörtlich die Finger blutig, wie das verschmierte Blut auf seinem weißen Bass eindrucksvoll beweisen konnte. Das nennt man Einsatz. Zur Schmerzlinderung schwört er anscheinend auf Gras, nach dem er des Öfteren auch im Publikum nachfragt. Jene Besucher mit dem grünen Daumen sollen sich bitte nach der Show beim Merch-Stand melden.
„You Motherfuckers Make it worth it“
Dass er aber auch ernst kann, zeigte er, als er sich in Demut übte und sich dankbar bei den Besuchern zeigte. Dankbar dafür, dass er immer noch auf Tour sein darf und den Leuten mit seiner Musik Freude bereiten darf. Ihr seht also, der Kerl hatte einiges zu erzählen. Nebenbei gab es wie gesagt auch noch ausreichend Musik. Doch als die Jungs fertig waren, hatten die ca. 90 anwesenden Besucher noch immer nicht genug und forderten lautstark eine Zugabe. Der Wunsch wurde erhört, die Band kam nochmal zurück und haute noch zwei Nummern raus, u. a. mal so nebenbei World Peace. Kann man schon mal machen. Jedenfalls ein starker Abschluss von einem wirklich unterhaltsamen Set.
Also man kann ja von dem ganzen Gezanke zwischen den Beteiligten halten was man will, für mich sind beide Bands gute Live Bands und wie auch schon im Vorjahr bei Cro-Mags „JM“ wurde ich auch heute gut unterhalten. Hat Spaß gemacht und es war interessant den alten Harley mal live zu erleben.
Claudia von unserem AFL-Team war übrigens beim Tourstart in Essen dabei. Bericht und (viel bessere) Fotos könnt ihr hier finden.
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[…] Cro-Mags und Red Death am 04. Oktober 2019 im Explosiv Graz […]