Dead Koys haben vor wenigen Tagen ihre neue EP Wehingshausen auf Antikörper Records veröffentlicht. Wir konnten mit der Band ein Interview führen, bei der sie uns die neue Platte näher vorstellen.
AFL: Hey wie geht’s? Danke für das Interview! Könnt ihr euch am besten einmal, für alle die euch bisher noch nicht kennen, kurz vorstellen?
Ben: Hello! Unsere Band (wir sind fünf) gibt es in dieser Konstellation seit ca. drei Jahren. Insgesamt seit ca. fünf, wobei das Ganze gerade in den Anfangstagen noch nicht besonders intensiv betrieben wurde. Seitdem wurden ne Demo und drei EPs veröffentlicht und ca 70 Konzerte in Deutschland und angrenzenden Ländern gespielt. Wir kommen aus verschiedenen Teilen des Ruhrgebiets: Dortmund, Witten, Hagen und proben im wunderschönen Hagen-Wehringhausen.
AFL: Ihr habt erst vor wenigen Tage eure neue EP Wehringhausen auf Antikörper-Export Records veröffentlicht. Was können Hörer auf der EP erwarten und wie unterscheidet sich die EP zu ihren Vorgängern?
Ben: Auf der EP sind sechs Songs, die wir letztes Jahr mit einem befreundeten Produzenten in seinem Homestudio aufgenommen haben, was die Aufnahmephase zwar etwas lang aber auch extrem entspannt hat werden lassen. Auf der B-Seite der Platte ist ein schnieker Siebdruck und auch das Cover kommt aus der Siebdruckwerkstatt. Beides hat unser Gitarrist Domme zusammengeschustert und wir finden es alle ziemlich schick! Wir spielen recht schnörkellosen Punkrock mit leichten EMO-Ausflügen. Sagen zumindest die Anderen. Ich glaube im Vergleich zur letzten EP hat sich vor allem nochmal was an der Aufnahmequalität getan. Nicht glatt und auch nicht für die Tonne. Darüber hinaus hört man glaube ich, dass alle Songs auch in dieser Konstellation geschrieben wurden. Auf der letzten EP hatten wir noch einige Songs, die schon älter waren und mit nur einer Gitarre geschrieben wurden. Ich glaube die neue Platte klingt insgesamt runder und wir eingespielter.
AFL: Die EP ist ja auf 12“ Vinyl erschienen. War es euch wichtig die Songs auf Vinyl und 12“ herauszubringen? Und wie kam der Kontakt zwischen euch und Bulli von Antikörper-Export Records zustande?
Ben: Wir alle mögen das Medium Schallplatte einfach und es gibt ja auch einen klar erkennbaren Trend hin zum Vinyl. Da müssen wir natürlich mitziehen! Es ist einfach ein schöneres Produkt als eine CD. Bisher war das für uns aber nie ein Thema. Allein schon aus Kostengründen. Da wir aber jetzt alle reich sind, war das diesmal gar kein Problem. Im Ernst: Wir hatten einfach Lust darauf und mit der Antikörper-Koop wurde das Ganze auch finanziell ein wenig machbarer.
Domme: Bulli selbst haben wir im Kultladen Schwertes, dem Rattenloch, kennengelernt, als wir Anfang letzten Jahres neben seiner Band Alarmsignal im Abendprogramm waren. Er fands wohl ganz cool, denk ich und wir mögen das Label selbst auch gern.
AFL: Warum der Titel Wehringhausen?
Ben: Wir proben in Hagen-Wehringhausen. Hier machen wir unsere Songs, hier haben wir aufgenommen, hier besprechen wir alle Bandangelegenheiten. Hier passiert alles. Ich denke die Band ist mittlerweile ein nicht unerheblicher Teil unseres Daseins und unserer Vergangenheit. Es ist also auch ein bisschen eine Würdigung der Band. Darüber hinaus ist Hagen eine relativ kaputte und strukturschwache Stadt und auch ein bisschen Sinnbild für viele Teile des Ruhrgebiets. Wehringhausen ist jedoch noch der Stadtteil, der der Bewohnerschaft am Meisten kulturellen Raum und subkulturelles Flair bietet.
Mit dem Laden des Inhalts akzeptierest du die Datenschutzerklärung von Bandcamp.
Mehr erfahren
AFL: Wovon wurdet ihr bei Wehringhausen sowohl musikalisch als auch textlich beeinflusst?
Ben: Wir hören viel verschiedene Musik, Punkrock und alte Emo-Sachen mögen eigentlich alle gern. Aber auch düsteres Zeug wie Wave, Death-Rock oder Metal haben zeitweise Einfluss aufs Songwriting. Für die Texte ist der Haupteinfluss das eigene Dasein und das Klarkommen in einer nicht immer ganz einfach zu verstehenden Welt. Das geht mal mehr und mal weniger gut. Bei aller ernsthaften Selbstreflexion ist aber auch immer ein Schuss Zynismus und Humor mit drin. Muss auch, sonst werden wir alle noch zu morbiden Sargbewohnern.
AFL: Könnt ihr die einzelne Titel der Platte vielleicht einmal vorstellen und beschreiben wovon sie handeln?
Ben: Da könnte ich wirklich sehr viel zu jedem Titel schreiben. Ich halte mich kurz.
Boastful: Es geht um das Reflektieren der eigenen Person als Teil einer Subkultur oder auch Szene und den Umgang mit den etlichen (auch politischen) Strömungen in diesem Mikrokosmos. Zumindest ich habe mich vor allem in jungen Jahren schon sehr oft dabei ertappt Meinungen und Standpunkte zu übernehmen, weil es sich einfach Szenekonformer anfühlte. So eine eigentlich ja so freiheitsliebende Szene kann eben auch einschränkend und ausgrenzend wirken, ohne es vielleicht zu merken und zu wollen. Das ist oft ein schmaler Grat.
Clean Slate: Ein Leben mit bürgerlicher Musterbiografie finde ich angsteinflößend und abstoßend. Genauso wie 40-Stunden-Wochen und wahlloses Dingekaufen.
Owner Of A Lonely Heart: Wir mögen YES und desweiteren werden wir alle älter und viele Freunde seilen sich gegen Ende der 20er doch recht häufig ab gen Job und Co. und werden kaum noch greifbar. Das ist oft sehr schade. Umso schwieriger ist es manchmal so eine Band und den Lebensstil aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig steigt aber auch eben die Wichtigkeit dieser Möglichkeit dieser äußerst spaßigen und erfüllenden Freizeitgestaltung. Es ist eben nicht selbstverständlich, dass wir das alle noch machen können und dürfen!
Trauerlack: Lange Beziehung, immer wieder neu erfinden und Verliebt sein. Alles nicht einfach aber geil!
Little Albert: Ich zitiere: „Das Little-Albert-Experiment ist ein psychologisches Experiment. Es belegt die Möglichkeit klassischer Konditionierung von Menschen, speziell der Erlernbarkeit und Generalisierbarkeit von Angstreaktionen“. Ich denke, dass sich da viele Menschen im Laufe von Sozialisation und Sinnsuche wiederfinden können.
Run For Cover: Das stetige Frustriertsein aufgrund von erfolgloser Sinnsuche, anschließender Alltagsflucht und der Besinnung auf die guten Dinge im Leben.
AFL: Was für Bands und Platten hört ihr den momentan so am liebsten?
Ben: Ich höre gerade viel alten Heartland-Rock, Goo Goo Dolls und düstere Sachen wie die Fliehenden Stürme. Aber auch hippe Dinger wie Beach Slang oder Code Orange gehen nicht an mir vorbei. Zum Joggen kann ich das aktuelle Album der Yorkshire Rats oder Leftövercrack empfehlen und alles von RVIVR und Strike Anywhere. Düsenjäger gehen auch immer und Leatherface sowieso.
Domme: Mantar, Tiny Moving Parts, Basement, Title Fight, Opeth, The Sidekicks, Margaret Glaspy, Landscapes, Dads, Hightide Hotel, generell viele Count Your Lucky Stars-Bands, Hand Over, Sun Kil Moon, Somos, Moose Blood, Free Throw, Foxing, Classic Rock Kram, Baroness, alles Mögliche in Richung düster, hart und athmosphärisch. Würde ich Joggen wäre da definitiv Esoterik Youth zu empfehlen!
AFL: Hier mal 5 Schlagwörter. Was kommt euch dazu als erstes in den Gedanke?
BVB: (Ben) Unausstehlich voller Bahnhof und freudig erregte Menschen. Fußball generell mag der Großteil, sagen wir mal 4/5 der Band (Domme) aber schon. Das Ruhrgebiet ist davon aber auch einfach positiv verseucht.
Karneval: (Ben) Ne, echt nicht.
Hardcore:(Ben) Tough Guys buhhh! // (Domme) Bands der alten Schule haben uns aber immerhin beeinflusst (Ben liebt BANE)
Refugees: (Ben) Welcome! Aber bitte bei aller Willkommenskultur nicht das große Ganze vergessen. Manchmal hat man den Eindruck, dass manche Menschen glauben, Migration aus Fluchtgründen sei irgendwie normal, gut und passiere stets aus freien Stücken, als könne den Menschen kaum etwas Besseres passieren als ihre Heimat zu verlassen und am Bahnhof mit offenen Armen empfangen zu werden. Der Fuck sind die Ursachen, ist der Krieg und der Westen ist da sicher nicht ganz unschuldig dran. Den Leuten hier einen guten Empfang zu bereiten, ist das Mindeste.
AFL: Was steht bei euch sonst so für Pläne für die nächste Zeit an? Vielleicht eine längere Tour?
Domme: Eine längere Tour wie die 2 Wochen im vorletzten Sommer ist nicht geplant, dafür aber einige längere Wochenenden verstreut in Deutschland und Umgebung.
AFL: Was macht ihr sonst so in eurer Freizeit außer Musik mit Dead Koys?
Domme: Besondere Hobbys, die für die Leserschaft interessant sein könnten, fallen mir auf Anhieb nicht ein. Manchmal spiele ich Fußball und reisen macht auch Freude!
AFL: Danke für das Interview!
1000 Dank an euch!