Es ist nicht mein erster Bericht in den letzten Jahren über die Descendents – und ganz hoffentlich auch nicht mein letzter. Mit manchen Bands ist es nämlich einfach so, dass sie live immer eine Bank sind und man sich zumindest einen Stop jeder neuen Tour nicht entgehen lassen sollte. Dieses Mal ging es also nach Münster, um zu sehen, ob sich an den Live-Qualitäten von Milo, Bill, Karl und Stephen etwas verändert hat. Kurzer Spoiler: absolut nicht!
Es war das erste Mal, dass ich im Skaters Palace war und ich muss sagen, dass ich etwas zwiegespalten in Bezug auf die Location bin. Auf der einen Seite fand ich den Sound schon beim Ende von Negative Approach ziemlich gut, auf der anderen ist der Schnitt der Halle mit den störenden Säulen und der in der Ecke platzierten Bühne doch etwas anstrengend. Aber sei’s drum, am Ende geht es um die Musik.
Nach den wirklich coolen Negative Approach kamen die einzig wahren Circle Jerks auf die Bühne und es war rappelvoll. Viele Fans waren scheinbar nur wegen ihnen gekommen und auch ich wollte der Band eine zweite Chance geben, nachdem ich letztes Jahr bei NoFX in Köln doch ziemlich enttäuscht war. Es ist selbstredend, dass diese Band eine wichtige Vorarbeit für Punk und Hardcore in den 70ern und 80ern geleistet hat. Und für mich als großen Bad Religion-Fan ist es natürlich auch spannend, Greg Hetson zu sehen. Aber meine Güte, fand ich diesen Auftritt enttäuschend.
Klar, Keith Morris ist mit Sicherheit ein wichtiger Typ, aber dieser Auftritt war unterirdisch. Irgendwelche komisch genuschelten, ewig dauernden Ansagen, bei denen sich die Message vermutlich nicht mal seinen Bandkollegen erschloss, zogen die Show masssiv in die Länge und auch die Lieder selbst kamen doch arg lustlos daher. Im Publikum feierten zwar einige Menschen das Set, ich persönlich muss jedoch sagen, dass ich es noch schrecklicher fand als letztes Jahr in Kölle. Ich nehme jede „du hast von echtem Punk keine Ahnung“ und „wer sowas schreibt, weiß eh nicht, was wirklich wichtige Musik ist“-Bewertung dieses Kommentars gerne an und schiebe meine Abneigung im Zweifel auf ein generationelles Missverständnis zwischen mir und allen, die damals dabei waren. Dennoch bleibe ich dabei, dass dieser Auftritt einer solch wichtigen Band absolut unwürdig war.
Aber scheiß drauf, die andere Band, die sogar noch ein Jahr vor den Circle Jerks gegründet wurde, und damit mein Generationenargument wieder entkräftet, kam nach einer kleinen Pause hochmotiviert und bestens gelaut auf die Bühne. Descendents-Shows sind eigentlich immer ähnlich. Meistens starten sie mit Everything Sux und Hope und drehen dann eine große Runde durch die komplette Diskografie. Aber irgendwie schafft es diese Band immer, mich komplett in ihren Bann zu ziehen und mir 70 Minuten ein riesigen Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Das liegt zum einen an der immer wunderbaren Setlist (dieses Mal in der ersten Hälfte mit Hits wie Clean Sheets, Merican, Nothing With You oder My Dad Sucks), zum anderen an der wahnsinnig entspannten und mega sympathischen Austrahlung aller Bandmitglieder. Ich bleibe dabei: es gibt vermutlich kaum eine Band, bei der ich es mir cooler vorstellen könnte, mit ihnen ein Bier zu trinken als die Descendents.
Die zweite Hälfte ging dann ebenfalls komplett ab. Im Publikum wurde der Pogo von Song zu Song immer größer und die Stimmung war absolut bombastisch. Der Mega-Hit On Paper, einer meiner Lieblingssongs Thank You, Coolidge und zum Abschluss mein absoluter Favorit und Top 10 of all time Song Smile… was für ein Hitfeuerwerk. Dazu noch die Zugabe, bei der Bill Stevenson einfach mal einen sechs-jährigen Fan auf die Bühne holte und neben dem Schlagzeug bei Testosterone schonmal etwas für die eigene, zukünftige Punkrock-Karriere üben ließ. Wie cool und spontan kann man eigentlich sein? Das Ende mit Get the Time war dann ebenfalls fantastisch.
Letzten Endes komme ich immer zum gleichen Schluss: die Descendents sind nicht nur eine der besten Livebands, sie sind insgesamt auch nach über 45 Jahren eine der frischesten und coolsten Bands, die weltweit unterwegs sind. Ich kann mir kaum vorstellen, dass irgendwer im Publikum nicht höchstzufrieden in die Münsteraner Nacht gegangen ist. Hoffentlich geht das noch ganz lange so weiter! Bei kaum einer Band sage ich lieber: „Did you know you’re why I go, and waste my time at a Rock’n’Roll show?“ Viva Descendents!