Egotronic - Das Unbehagen in der Kultur

Nun ist es also passiert. Torsun Burkhardt ist tot. Nach dem etwas euphorischen Bonusleben war der Krebs dann doch soweit fortgeschritten, dass er am 30. Dezember von uns ging. Ich hatte es ja bereits in meinem Jahresrückblick geschrieben, das ich nicht so ganz verstehe, warum mich das Ganze so mitnimmt, aber die letzte Woche hatte ich dann doch noch Gelegenheit noch einmal darüber nachzudenken. Aber was nun tun? Einen Nachruf wollte ich nicht schreiben und seien wir mal ehrlich, das kann die Presse, von der Jüdischen Allgemeine über die Taz bis hin zum Spiegel besser als ich. Aber ich habe ja noch sein letztes Werk vor mir liegen: die Kompilation Das Unbehagen in der Kultur (ausgewählte Werke 2001 – 2021), dann schreibe ich das Review dazu. Nun, dies beginnt… naja, wie ein Nachruf.

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Die meisten Tode so richtig Prominenter in meinem Leben hatten wenig mit mir zu tun. Der gute Kurt ging aus dem Leben, als ich im besten Teenage-Angst-Alter war. Aber da hab ich mich schon dem Black Metal zugewandt. Die Tode dort (Euronymous und Dead), nun ja, waren vermutlich eher der Auslöser, warum ich mich mit der Musik beschäftigte. Biggie & Tupacs Geschichte dagegen hab ich erst später entdeckt. Der nächste war dann wohl Johnny Cash 2003, aber da hatte ich schon drei gute Jahre mit ihm und seien wir ehrlich: sein Leben hatte er gelebt. Und ja, etwa um diese Zeit trat dann auch Egotronic in mein Leben. Ironischerweise durch Wiglaf Droste, der mich auch zu Cash brachte. Damals waren gerade die Antideutschen ein heißes Thema in der Linken und irgendwie bin ich über einen Text von Droste in der Taz, ich glaube auf den Bahamas-Blog gekommen, auf dem lief ein Musikplayer mit Exportschlager Leitkultur, das auch dieses letzte Werk von Torsun eröffnet. Denn ja, Torsun arbeitete wohl bis zuletzt noch an dieser 26-Track starken Kompilation, die im Vorfeld des letztjährigen Weihnachtsgeschäfts in die Läden kam. Jedenfalls habe ich danach alles verschlungen, was Torsun mit Egotronic auf den Markt warf. Mein Lieblingstrack war lange Zeit Lustprinzip. Beide hätte ich gerne zur Illustration hier genommen, haben aber beide eine Altersbechränkung.

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2010 hab ich Egotronic dann zum ersten Mal gesehen, im heute nicht mehr existierenden Jazzkeller. Ich kann mich nicht mehr an eine Vorband erinnern, aber an Egotronic schon. Am eindringlichsten blieb natürlich Raven gegen Deutschland. Mein Lieblingstrack wurde dann aber im Nachgang Tanzen, der blöderweise auf der Kompilation fehlt.

Torsun (Photo by Johannes Büttner)
Torsun (Photo by Johannes Büttner)

Danach kamen auch weiter großartige Hits, aber endgültig mein Herz verloren an die Band hatte ich dann mit dem 2019er Album Ihr seid doch auch nicht besser und der Videotrilogie mit Linksradikale, Kantholz und Der Bürgermeister. Da durfte ich Torsun interviewen, wenn auch nur per Mail, aber ich halte das noch weiterhin für eines meiner besten Interviews (hier). Das liegt sicherlich auch an den ausführlichen Antworten.

Leider fehlt auf der Kompilation ausgerechnet Kantholz, womit ich gut einen Bogen zu Droste hätte spannen können (Das Schicksal von Nazis ist mir vollkommen gleich/Ich hoffe lediglich sie fallen nicht weich). Naja, mache ich ja jetzt dann doch.

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Sein Schicksal war mir jedenfalls nicht gleich und ich liebe auch Torsun & the Stereotronics. Wenn man die ganzen Nachrufe liest, ist immer wieder die Phrase zu lesen, das man politisch nicht immer mit ihm einer Meinung war, man ihn aber trotzdem gerne gemocht hat. Ich glaube, das ist eigentlich das Fatale an der Sache. Torsun war einer der Guten und er ist jetzt nicht mehr da. Die Lücke wird bleiben.

Achso, das Album, ja, kaufen, eh klar. Klar, jedem wird etwas fehlen. Mir fehlt neben Kantholz das provokative Ten German Bombers, Scheiße bleibt Scheiße sowie Kriegserklärung, aber das ist eigentlich egal. Was soll man machen? Es sind zu viele Alben, da hätte man so ne Box wie Bear Records veröffentlichen müssen, um allen gerecht zu werden. Mit Gedanken gibts übrigens auch noch einen unveröffentlichen Song. Ist auch in der Tracklist etwa bei der Entstehungszeit einsortiert.


Tracklist

01. Exportschlager Leitkultur
02. Die richtige Einstellung
03. Pilze
04. Raven gegen Deutschland
05. Lustprinzip
06. Meine Sonnenbrille
07. Gedanken
08. Kotzen (feat. Walter Schreifels)
09. Verspult
10. Rampue vs. Egotronic
11. Toleranz
12. Das Leben ist tödlich (vs. Saalschutz)
13. Ich kanns nicht sagen (feat. Midimúm)
14. Rannte der Sonne hinterher (feat. Mirco)
15. Den Kampf verlor’n
16. Tolerante Nazis
17. Glücksversprechen
18. Neurosen im Garten
19. Oh Oh
20. Deutschland, Arschloch, fick dich (feat. The Very Best Vegan Bacon)
21. Odenwald (feat. Johnny Weltraum & Rod Gonzalez)
22. Hallo Provinz
23. Linksradikale
24. Wie Dr. House
25. Meine Hotline
26. Jubiläen (feat. Andreas Dorau)


Wie kriege ich das Review bzw. den Nachruf dann doch noch zu einem würdigen Abschluss? Ich poste einfach meinen Lieblingstrack.Wie sagt man: gute Reise, Torsun! Den Hinterbliebenen mein Beileid!

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Gripweed
Gripweed ist Wikipedianer mit Leib und Seele und das, was man gemeinhin als Musiknerd bezeichnet. Musikalisch ist er in vielen Genres beheimatet, wobei er das Exotische und Unbekannte den Stars und Sternchen vorzieht. Eine Weile bloggte er auch auf blogspot.de und war Schreiberling des leider eingestellten saarländischen Webzines Iamhavoc. nach dessen Einstellung wechselte er mit Max zu AWAY FROM LIFE.

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