Hardcore is back! Nun auch endlich wieder in Wien. Während anderorts allmählich die Live-Aktivitäten wieder zugenommen hatten, blieb es in der österreichischen Bundeshauptstadt noch verhältnismäßig ruhig. Zumindest bis zum 07.04.2022, denn da sollte das erste pandemiebedingte Lebenszeichen in Sachen Hardcore erklingen. Niemand geringeres als die ambitionierten Guilt Trip bequemten sich über den großen Teich ans europäische Festland, genauer gesagt in den Escpae Metalcorner in Wien. Als Support waren die ausschließlich einheimischen Bands Throwback, Lowlife und Social Riots mit am Start.
Obwohl Shows unter der Woche für mich früher leichter zu bewerkstelligen waren, wollte ich mir dieses „Schmankerl“ (= österr. für Gustophäppchen) keinesfalls entgehen lassen. So wurde der Arbeitstag bereits in freudiger Erwartung eher im schonenden Energiesparmodus absolviert (man wollte ja fit für den Abend sein), sodass man es letztendlich auch überpünktlich in den Escape Metalcorner geschafft hat. Beim Escape handelt es sich in erster Linie um eine Metal Bar, mit einer Bühne im Kellergeschoss. Die Kapazität ist hierbei wie immer schwer zu schätzen, ohne Gewähr würde ich einmal behaupten, dass hier im Normalfall ca. 100 Headbanger in der lauschigen Keller Location Platz vor der Bühne finden.
SOCIAL RIOTS
Auch wenn die Burschen von Social Riots ihren eigenen Fanclub mit am Start hatten, wurde die oben genannte Kapazitätsgrenze bei ihrem Auftritt noch nicht gesprengt. Die sehr junge Truppe aus Wiener Neustadt eröffnete den Abend mit flotten Punkrock Nummern, bei denen es sich teilweise um Eigenkreationen, als auch Coverversionen handelte (u.a. gab es ein Lied Namens „Ein stummer Schrei nach Liebe“ von einer Band Namens „Die Ärzte„, hat der ein oder andere von euch vielleicht schon einmal wo aufgeschnappt…). Das Gehörte animierte zu eifrigem Mitwippen und die mitgereisten Schlachtenbummler ließen sich auch zu exzessiven Hüpfeinlagen hinreißen. Alles in allem hatten alle Beteiligten ihren Spaß und man darf gespannt sein, was die Zukunft noch so bringt für Social Riots.
LOWLIFE
Etwas mehr Erfahrung brachten dann die nachfolgenden Lowlife auf die Bühne. Untermalt von Scooter’s One (Always Hardcore) warteten die Protagonisten schon sehnsüchtigst darauf, endlich loslegen zu können. Nachdem die letzten Töne der Techno-Ballade verstummten, ging es mit ihrer neuesten Single Outcast auch gleich gut los. Dass die Band zu einer der aktuell renommiertesten Vertreter der „Vienna Style Hardcore“-Szene (VSHC) gehört, wurde mit regem Zuschauerinteresse belegt.
Der „Saal“ war gut gefüllt, dennoch war noch genug Platz vorhanden, damit sich auch der Sänger unter das Volk mischen konnte. Das tat der Stimmung gut, obwohl diese ohnehin schon ausgelassener und familiärer Natur war. Man spürte, Band und Publikum waren miteinander vertraut (klingt das nicht schön?). Ganz so idyllisch ging es dann aber doch nicht einher, denn schließlich steht Lowlife für metallisch orientierten Hardcore Sound. Die entsprechenden Bewegungsabläufe vor der Bühne kann sich nun ein jeder bildlich vorstellen. Ein Highlight der Show stellte die Nummer Brothers Till We Die dar, die eigentlich nur von der VSHC-Hymne schlechthin Still Crazy But Not Insane (Original von der Spider Crew) übertroffen wurde. Bei letzterer konnten auch die meisten lauthals miteinstimmen, wo wir wieder beim Thema wären: man kennt sich. Zu guter Letzt beendete die sentimentale Zugabe Full Of Hate die rundum gelungene Performance von Lowlife.
THROWBACK
Etwas tricky wurde es dann im Anschluss bei Throwback. Diese feierten an diesem Tag nämlich das Release ihres neuesten Longplayers Vicious Instinct. Der Haken an der Sache war, dass die Wiener hier offensichtlich eine musikalische Neuorientierung/Weiterentwicklung vollzogen haben, sodass sich die neuesten Songs doch einigermaßen von früheren Releases unterscheiden, die man sonst so in den unendlichen Weiten diverser Streaminganbieter findet. Tatsächlich war ich mir bis kurz vor Beginn nicht sicher, ob es sich hier wirklich um die gleiche Band handelt. Die neuste Devise lautet nun wohl: lauter, härter, intensiver! Und lieber einen Breakdown mehr, als weniger.
Dementsprechend wurden alle Regler auf volle Lautstärke gedreht und der Bass konnte ordnungsgemäß durch die Gehörgänge wummern. Mein ungeschultes Ohr würde das Dargebotene eher in eine Deathcore-Schublade einordnen, wobei diverse Hardcore Einflüsse natürlich nicht von der Hand zu weisen sind. Letztendlich bleibt es jedem selbst überlassen, wo er Songs wie Self-Seeker einordnet und grundsätzlich ist das ja auch vollkommen egal. Hauptsache es knallt und das taten die neuesten Werke der Truppe auf jeden Fall. Auch wenn ich mir das auf CD/Platte/was auch immer wahrscheinlich nicht in voller Länge und in Dauerschleife geben würde, Live war das auf jeden Fall voll in Ordnung! Die Nackenschmerzen am nächsten Tag bezeugten das nur noch umso mehr. Erwähnenswert wäre hier an dieser Stelle noch das Cover von People = Shit (Slipknot) zum Abschluss des Sets. Damit kann man in diesem Ambiente natürlich nicht viel falsch machen.
GUILT TRIP
Nach einer kurzen Pause war es dann Zeit für den heiß ersehnten Main Act aus Großbritannien. Spätestens als sich der Frontman seinem Hoodie entledigte und sich seinen Fischerhut zurecht rückte wusste man – jetzt wird es ernst! „We are Guilt Trip from Manchester“ stellte er sich höflich vor, um im Anschluss das Set mit Unrelenting Force zu beginnen. Von Beginn an herrschte eine rege Mitmachquote der motivierten Meute, was angesichts der mitreißenden Nummern keine große Überraschung darstellt. Bei den Briten kann man eine konsequente Weiterentwicklung erkennen, die sich seit der ersten EP konstant fortsetzt und nach dem starken Album River Of Lies (2019) in der zuletzt erschienen EP Rain City (2021) gipfelte.
Nun hieß es das Neueste Material unter das Volk zu bringen und das gelang mit Songs wie Emerald Gate oder All I Hate auch ganz ordentlich. Auch die früheren Releases kamen u.a. mit Thin Ice, Seperate oder Guilt Trip nicht zu kurz. Der Singalong-Faktor konnte an diesem Abend nur von den unzähligen Two Step Parts überboten werden. Das Wiener Publikum zeigte sich motiviert und nutzte die Gelegenheit, den angestauten Frust der vergangenen Corona-Jahre freien Lauf zu lassen. Schwingende Fäuste, taktvolle Ausfallschritte, schiefe Töne ins Mikro brüllen – ach, wie haben wir das vermisst.
Auch wenn elendslange Ansprachen außen vor blieben, auf eine Unmutsäußerung gegen den Brexit („Fuck Brexit“) wollten die Herrschaften auf der Bühne jedoch nicht verzichten. Ansonsten konzentrierte man sich aufs Wesentliche, sodass das brachiale Set in Windeseile abgespult wurde. Gefühlsmäßig war der Auftritt etwas zu kurz geraten, aber im Endeffekt müssten es doch schon so um die 40 Minuten gewesen ein. Also alles in Ordnung.
Somit konnte man vollends zufrieden den Heimweg antreten und über den Abend philosophieren, wobei einem erst so richtig bewusst wurde, wie sehr einem so ein ausgelassener Konzertabend eigentlich gefehlt hat.