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ie Leute fragen immer wieder, ob Hardcore tot sei. Ernsthaft? Wollt ihr mich verarschen?! Unsere Zeit kommt erst noch. Hardcore ist die Zukunft. Und ich erzähle euch hier wieso.
Die Werte des Hardcore-Punks sind in uns allen. Aber die meiste Zeit reden wir nicht darüber. Wir tragen alle die Werte des Hardcore-Punks in uns, trotzdem reden wir die meiste Zeit nicht darüber. Wir sind Teil der Gesellschaft, leben unser Leben und werden immer noch als Subkultur oder gar Jugendbewegung bezeichnet. Komm schon – wir sind mittlerweile alle erwachsen (zumindest ein Großteil). Trotzdem spielen wir immer das Spiel mit, dass wir keinen Platz in der Gesellschaft hätten. Dabei haben wir dieses System schon längst infiltriert. Wir sind da und wir sind viele. Es wird also höchste Zeit, dass wir auch die Früchte ernten für das was wir so abliefern.
Die Werte von Hardcore / Punk-Rock sind so viel mehr als irgendwelche rebellischen Ideen. Sie machen Sinn! In unserer Rubrik HC-Punk Attitude werden wir die Werte benennen und diese mit sehr interessanten Leuten aus unserer Szene bequatschen.
Hier im ersten Beitrag ist es Freddy Cricien, Frontmann der New York Hardcore Legende Madball, der sehr genau benennen kann, was es mit „sich selbst treu sein“ eigentlich auf sich hat.
HC-Punk-Attitude #1 mit Freddy „Madball“ Cricien
“Staying True” ist ein typischer Wert im HC-Punk, den unzählig viele Bands in ihren Songs predigen (wenn dir hier gerade Song einfallen, lasst es uns gerne in den Kommentaren wissen – es wäre sehr cool, wenn wir irgendwann eine Werte-spezifische Sammlung haben).
Jedenfalls ist es total stimmig gewesen mit Freddy von Madball über dieses Thema zu sprechen, der sehr genau benennen kann was „staying true“ eigentlich bedeutet.
Es ist eine gemeinsame Szene, bei der es eben nicht darum geht, irgendjemand im Publikum anders zu behandeln.
AFL: Zunächst einmal: Ihr seid ziemlich erfolgreich und es gibt eine Menge Leute, die eure Musik mögen, aber ihr seid sehr bescheiden. Immer auf Augenhöhe mit den Leuten, die Hardcore-Einstellung leben. Was hält dich so bescheiden?
Freddy: Uns gibt es ne ganze Weile und wir sind immer noch relevant, das ist schon eine große Leistung, schätze ich. Aber wir gehören zu einer Underground-Musik-Szene und ich weiß nicht, ob Erfolg da groß etwas bedeutet. Sollte Hardcore morgen groß werden, denke ich nicht, dass wir uns verändern würden oder das ändern würde, wie wir andere behandeln. Ich denke, das liegt einfach daran wie wir aufgewachsen sind – umgeben von bescheidenen Leuten. Auf Grund von verschiedenen Schwierigkeiten, die wir durchlebt hatten. Es ist eine gemeinsame Szene, bei der es eben nicht darum geht, irgendjemand im Publikum anders zu behandeln. Das widerspricht einfach unserer Grundeinstellung.
AFL: Klar, das ist Teil unserer Kultur. Aber das ist auch ziemlich Punk-Rock, oder?
Freddy: Ja. Das ist sogar mehr Punk-Rock als Punk-Rock! Hardcore funktioniert nur so: Hardcore predigt es nicht nur, Hardcore lebt wirklich diese gesamte Einstellung.
Die Szene war ein Platz für Außenseiter und ist es bis heute!
AFL: Wir, damit meine ich uns, die gesamte Hardcore-Szene, wir legen Wert auf Echtheit und bleiben uns selbst treu. Man kann das in deinen Songs hören, wenn du über Wut oder Zusammenhalt (Unity) singst. Da spürt man, dass du wirklich meinst, was du singst. Wie hast du herausgefunden, dass man manche Dinge nur erreichen kann, wenn man sich selbst treu ist?
Freddy: Ich kann da nur für mich sprechen. So bin ich aufgewachsen. Ich könnte keine solche Musik machen, wenn sie nicht echt wäre. Das gilt egal für welche Musikrichtung. Aber ich bin in dieser Szene groß geworden. Es ist eine sehr ehrliche Szene. Sehr aggressiv und grob an den Kanten, aber ehrlich.
AFL: Das ist doch ziemlich außergewöhnlich, oder? Wenn man andere Kulturen sieht, in denen die Leute etwas vortäuschen und angeben…
Freddy: Die Hardcore-Szene war ein Ort, wo man einfach hingehen konnte und man selbst sein konnte. Und wenn „Selbst-sein“ bedeutete, sich die Haare abzurasieren – cool! Und wenn es bedeutete, sich einen Irokesen zu schneiden – auch cool. Die Szene war ein Platz für Außenseiter und ist es bis heute!
AFL: Ich mag euer neues Album For The Cause. Es hat so viel Energie und ist sehr ermutigend. Da kommt das auch vor. Ich denke an „Head high live and die that way…stand up straight and do what you say“.
Freddy: Ja. Und das ist so eine bedeutende Sache. Geradeheraus und simpel. Genau auf den Punkt gebracht und wonach wir leben. Vom Anfang bis heute und bis zum Ende von Madball. Wir werden uns immer selbst treu bleiben.
Wir sind die Arbeiterklasse der Musikszene.
AFL: Ich denke der große Unterschied liegt darín, ob jemand wirklich meint, was er singt. Das ist das tolle an Madball. Man kann wirklich fühlen, dass du meinst was du singst.
Freddy: Meine Überzeugung ist: du musst die Musik fühlen. Oder was immer du tust. Wenn du ein Dichter bist, musst du fühlen können, was du machst. Wenn du ein Künstler bist, der eine Wand gestaltet oder eine Leinwand, musst du es fühlen können. Du musst im Prinzip deine eigene Kunstform werden. Und wenn du das nicht schaffst, kann es nicht wirklich ehrlich sein. Ich war immer ehrlich, in allem, was ich tat. Und als ich älter wurde, wurde ich fast schon davon besessen. Alles was aus meinem Mund kommt, muss wahr sein.
AFL: Ich denke, das ist genau das, was einem der Hardcore vermittelt. Wenn man sich all diese Fakes da draußen anschaut, was sie vorgeben zu sein… Sie sagen und leben Dinge, die sie gar nicht meinen.
Freddy: Es ist hart, denn bis zu einem bestimmten Grad muss jeder dafür arbeiten, dass ein Zusammenleben möglich ist. Die Gesellschaft funktioniert nicht so, dass man nur die Dinge tun kann, auf die man Lust hat. Du musst dich an grundsätzliche Regeln des Zusammenlebens halten und Grenzen und Räume anderer akzeptieren. Wir haben großes Glück beruflich etwas tun zu können, was wir mit ganzer Leidenschaft tun. Und das ist vielleicht seltener, als mir das manchmal bewusst ist. Wir sind unser eigener Boss und wir können unserer Einstellung Ausdruck verleihen. Es ist hart, wenn du für eine Firma arbeitest. Du musst dich an ihre Regeln und Vorgaben halten. So ist das Leben eben, aber du kannst immer einen kleine Möglichkeit finden, wie du rebellieren kannst.
AFL: Ja, das stimmt!
Freddy: Und egal was du im Leben tust: du kannst immer einen Weg finden, wie du diese rebellische Person sein kannst, sogar innerhalb eines Unternehmens oder einer Firma. Das ist diese „Infiltrate the System“–Mentalität, die ich in manchen Songs beschreibe. Das möchte ich den Leuten vermitteln. Denn ich habe eine Menge Hardcore-Leute im Laufe meines Lebens, beim Musik machen oder Aufwachsen, kennengelernt. Vom härtesten, brutalsten Gangster zu Ärzten oder Anwälten, ich meine, die unterschiedlichsten Leute und die waren alle in irgendeiner Weise Hardcore-Kids, alle total unterschiedlich. Aber uns alle verbindet etwas Gemeinsames. Als ob wir von einem Tribe wären. Wir sind alle Teil dieser Kultur, das macht uns aus.
So unterwandern wir das System. Es ist als ob du, egal was du tust, ein Teil dieser geheimen Gesellschaft bist. Wir rühren alles ein bisschen auf.
Ich hab viele verschiedene Jobs gemacht und kenne das auch. Ich weiß, wie es ist, morgens aufzustehen, etwas Schweres zu tragen oder etwas zu bauen oder aufzuwischen. Ich hab so ziemlich alles gemacht von Bauarbeiten bis Security. Ich hab auf Leute aufgepasst. Hardcore gehört auch zur Arbeiterklasse. Auch das ist Teil unserer Grundsätze. Daher kommt das ganze DIY-Ding. Wir sind die Arbeiterklasse der Musikszene. Wir kennen den Kampf ums Überleben.
AFL: Ich finde es großartig, dass ihr einfach so weiter macht. Es ist niemals eine Hierarchie. Es ist nie von oben herab, nie ein herunterschauen auf andere. Man sieht immer wie du versuchst mit dem Publikum Verbindung herzustellen. Es ist immer so ein: Ok – wo sind meine Leute-Ding. Das ist cool.
Freddy: Es ist vollkommen egal, selbst wenn Hardcore morgen die größte Sache wäre, wir würden die Leute nicht anders behandeln. Das ist doch der Punkt: wir wollen immer eine Verbindung herstellen. Du kannst nicht wirklich ehrlich sein, wenn du keine Verbindung zur Crowd hast.
ich denke, das ist das wichtigste. Die Gesellschaft sieht auf uns herab, aber sie haben keine Ahnung. Ich glaube, unsere Szene wird immer größer, wegen der Echtheit. Zurück zur Echtheit… Das gibt einem so viel. Wirklich der sein, der man ist und Texte schreiben, die man wirklich schreiben will. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich das mach kann.
Meistens war ich zu ehrlich, als dass es für mich gut gewesen wäre.
AFL: Welchen Einfluss hat das jetzt auf dein Leben? Dass du wirklich du sein kannst?
Freddy: Ach, weißt du, ich halte mich nicht für eine fehlerfreie Person. Ich habe viele Fehler begangen, aber ich habe auch eine Menge aus guten und schlechten Erlebnissen gelernt. Aber für eine Sache bin ich wirklich jeden Morgen, wenn ich aufwache, dankbar: In dem, was ich tagtäglich mache, kann ich ich selbst sein. Ich bin dankbar dafür, wirklich, ganz ehrlich.
Es ist, wie du gesagt hat. Ich hab nicht schon immer so darüber gedacht. Ich weiß, da war mal eine Zeit, da hab ich versucht „normaler“ zu sein. Keine Ahnung, es war irgendwie seltsam. ich wollte mehr sein, als ich bin… irgendwas wettmachen… Aber die Realität ist, dass ich sehr glücklich bin, nicht normal zu sein. Was soll auch schon „normal sein“ bedeuten? Und ich möchte das meinen Kindern weitergeben. Ich will, dass sie besser sind als ich, aber ich will nicht, dass sie sich anpassen und nur das tun was jeder tut. Ich möchte, dass sie für sich selbst denken und etwas tun was ihnen gefällt.
AFL: Manche Leute trauen sich nicht, sie selbst zu sein, weil sie denken, sie werden dann abgelehnt. Was würdest du diesen Leuten sagen?
Freddy: Solche Leute tun mir echt leid. Ich kann das nicht wirklich nachvollziehen. Aber klar: das ist ungünstig und das hat natürlich auch Auswirkungen. Leute, die einfach nur Hassen oder Scheiße über andere reden, ich weiß, dass da oft eine Menge Unsicherheiten eine Rolle spielen, aber ich weiß nicht. Die Leute sollen das einfach abschütteln. Schau tiefer in dich hinein und verbinde dich mit etwas, das ehrlicher ist. Wozu soll es gut sein, etwas vorzutäuschen, was man nicht ist? Ich kapiers einfach nicht. So war ich nie. Im Gegenteil: Meistens war ich zu ehrlich, als dass es für mich gut gewesen wäre, schätze ich.
Es ist nicht gut, wenn du versuchst, etwas zu sein, was du nicht bist, besonders, wenn sich das in Hass oder Neid manifestiert. Wenn du andere runter machen musst. Wie Lehrer, die das dann an ihren Schülern auslassen. Leute leben das dann unterschiedlich aus. Finde dein wahres Selbst, es ist irgendwo in dir! Grab ein bisschen tiefer!
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Hey, tolles Gespräch. Hat mir Spass gemacht zu lesen. Danke