Wenn man die Kategorie „Totgesagte leben länger“ auf das Hardcore-Genre übertragen würde, hätte man mit Ignite eine hervorragende Referenz. Als sich die Band Ende 2020 nach Ausstieg von Frontmann Zoli auflösten, waren viele Fans traurig. Knapp ein Jahr später dementierte man den Rücktritt und stellte mit dem ehemaligen Metal-Gitarrist Eli Santana einen neuen Sänger vor, der bislang nur in seiner Jugendzeit am Mikro tätig war. Nun, ca. 6 Monate später, ist man gar mit einem neuen Album am Start. Somit ist viel passiert im Hause der Kalifornier und es gibt genug Punkte, über die man mit Bassist Brett Rasmussen, dem einzig verbliebenen Gründungsmitglied, plaudern kann.
AFL: Hey Brett, freut uns mal wieder dir ein paar Fragen zu stellen. Eine ist natürlich sofort klar: Wo habt ihr Eli aufgegabelt? Kanntet ihr ihn vorher schon oder habt ihr eine Zeitungsannonce mit dem Titel „international erfahrene Hardecoreband sucht jungen Frontmann zum Mitreisen“ aufgegeben?
Brett: Hahaha, ja auf jeden Fall. Und es hat sich nur ein mittelalter Mann gemeldet, der Gitarre spielt, aber noch Zeitung liest! Nein, Eli ist ein Kumpel von unserem Drummer Craig. Und als Zoli ausstieg haben wir zuerst in unserem Umfeld, später dann auch durch die Plattenfirma überall rumgefragt. Eli hat sich dann erst im Scherz angeboten und ein paar Stücke eingesungen. Als wir das mit den Bandmitgliedern gehört haben, waren wir sofort heiß und dann kam eins zum anderen.
AFL: Obwohl der Mann vorher nur im Metalbereich tätig war, macht er seinen Job hervorragend. Obwohl er an vielen Stellen an Zoli erinnert. Müssen sich die Fans also nicht umgewöhnen?
Brett: Das muss jeder für sich selbst entscheiden. An einigen Stellen klingt er wirklich etwas ähnlich, vor allem bei den schnelleren Hardcoreparts. Aber insgesamt haben wir durch ihn unseren Sound auch deutlich verändert, wir sind in vielerlei Hinsicht düsterer und auch rockiger geworden. Daran hat Eli mit seiner abwechslungsreichen Stimme einen großen Anteil.
AFL: Was genau meinst du?
Brett: Na ja, hör dir doch mal The River an. Der ist, wenn man die vorherigen Alben und Songs von Ignite als Referenz hinzuzieht, eine völlig neue Gangart. Der ruhige Beginn mit seiner dunklen Stimme ist schon fast eher Alternativerock, um dann im Mittelteil völlig zu explodieren. Sowas hatten wir bis dahin gar nicht. Auch On The Ropes ist so ein Stück, in dem wir stärker experimentierten. Und wenn man einen Frontmann zur Verfügung hat, der in verschiedenen Genres zu Hause war und ist, kann man dahingehend überzeugen. Die neuen Stücke kommen übrigens live auch gut an.
AFL: Habt ihr neues Material schon live performt?
Brett: Ja, wir haben in den letzten Monaten insgesamt 6 Shows hier in Kalifornien gespielt. Darunter auch einige mit Pennywise und NOFX, mit denen wir im Sommer auch bei euch ein paar Shows spielen. Bislang hat sich Anti-Complicity Anthem als der vermeintliche Fanhit herausgestellt. Das eben angesprochene The River finde ich persönlich live unglaublich.
AFL: Hat eure neue Experimentierfreudigkeit auch was mit der Coronasituation zu tun gehabt? Weil ihr, wie viele andere auch, so genügend Zeit hattet?
Brett: Definitiv, die Frage beantwortet sich ja quasi von selbst. Es war für uns eine völlig neue Erfahrung, Songs „am Computer“ bzw. „online“ zu schreiben und nicht im Proberaum daran zu feilen. Es war ja alles zu. Was wir an Daten umhergeschickt und wie oft wir uns über digitale Medien austauscht haben, kann ich gar nicht in Worten beschreiben. Das war echt anstrengend. Aber so hatte auch jeder die Gelegenheit, selbst die abstrusesten Ideen vorzustellen, die früher vielleicht gar nicht zum Einsatz gekommen wären.
AFL: So wie der Metalpart am Ende von Call Of The Dogs etwa? Ist der von dir?
Brett: Ja, genau. Aber den haben die Metalheads aus der Band geschrieben. Ich kann das nicht, ich bin ein Hardcorekid, hahaha. Obwohl ich schon über 40 bin……
AFL: Du hast eben eure Tour durch Europa im Rahmen der Punk-and-Drublic-Shows erwähnt. Wie steht es eigentlich mit eurem Verhältnis zu Deutschland? Immerhin habt ihr damals auf dem Label Lost & Found viel veröffentlicht, wofür ihr wenig Kohle bekommen habt, oder?
Brett: Ja, sicherlich gab es damals von Seiten des Labels nicht immer den dicksten Scheck, aber dennoch bin ich mir sicher, dass wir ohne Lost & Found Records heute nicht miteinander sprechen würden. Was die damals in Europa für eine Promotion für uns gemacht haben, war sagenhaft. Damals hatten wir in Amerika nicht mal ein Label. Und die haben uns einfach gesignt und Scarred For Life rausgebracht!!! Wir haben dann unzählige Touren gespielt, u.a. auch das Visions Festival 1996, wo wir uns kennen gelernt haben oder auch die Tour mit Slapshot. Das wäre sonst nie möglich gewesen. Wir haben auch viele CD´s vom Label bekommen, die wir auf den Shows verkauft haben. Allerdings waren die so schnell weg, dass wir gar nichts nachordern konnten. Und die Leute, die damals leer ausgegangen waren, haben dann beim Label direkt bestellt. Und so kam eins zum anderen. Die Fanbase hier in Deutschland gehört für uns noch immer zu den wichtigsten überhaupt, denn hier hat alles irgendwie richtig international angefangen.
AFL: Nach so vielen Dankesworten könnten wir hier eigentlich Schluss machen, aber eine letzte Frage noch: Du siehst ziemlich müde aus, was war los?
Brett: Oh man, it was hard last night. Wir haben das neue Video zu The Butcher In Me fertig gemacht und das war das fünfte Video, welches wir in kurzer Zeit gedreht und richtig gemixt haben. Das war härter als eine mehrmonatige Tour. Aber soviel sei euch schonmal verraten: es ist definitv das beste der bisherigen Auskopplungen. Seid gespannt!