Ignite! So ganz klar ist mir noch nicht, dass ich gleich DIE Melodic-Hardcore Helden meiner späten Jugend zu sehen bekomme. Zum ersten Mal! Für Ignite ist es die letzte Show ihrer Europa-Tour 2019.
Als erster Support spielen Insufficant Permissions. Die Hardcore / Punk Band aus Jena / Eisenberg hat offensichtlich schon um 19:30 Uhr begonnen. Denn als ich gegen 20 Uhr komme, sind noch drei Lieder offen. Was ich noch höre, klingt nach nettem Hardcore-Punk, bei dem die ostdeutsche Note mitschwingt. Zumindest in den Ansagen zwischen den Songs. Ich finde diesen Hauch Elsterglanz unnötig. Ohne hätte mir die Musik noch viel besser gefallen.
Der zweite Support an diesem Abend, New Hate Rising aus Stendal, gibt guten Hardcore-Punk zu hören und ist sichtlich bemüht, dem Publikum einzuheizen. Aber das ist leider noch ziemlich träge. Offensichtlich wollen alle ihre Energie für den Headliner aufsparen. Aber durch ihre sympathische Art schaffen es New Hate Rising schließlich die Leute mehr in Richtung Bühne und deren Hände in die Höhe zu bewegen.
Und dann ist es soweit: Ignite kommen ohne großes Tamtam auf die Bühne und legen einfach los mit dem, wozu sie hier sind. Die Band aus Orange County spielt ihre besten Songs, unter anderem Veteran, Bleeding, Nothing can stop me, Place called home, By my side, Run, Know your history und natürlich auch das U2 Cover Sunday Bloody Sunday, von dem ich schon immer dachte: Das klingt nicht als hätten es U2 geschrieben, das passt so viel besser zu Ignite.
Die gut gealterten Männer zeigen ihre gesamte Bandbreite – musikalisch wie auch emotional. Man merkt dieser Band wirklich an, wie gern sie auf der Bühne steht und wie sehr sie sich dort zu Hause fühlt. Ignite verkörpern für mich an diesem Abend den Hardcore Spirit mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass man melancholisch wird.
Sänger Zoltán „Zoli“ Téglás braucht keine Plattitüden a la „Ihr seid das beste Publikum, das wir je hatten“ oder „Fuck Nazis“. Ignite beweisen ihre Einstellung und ihre Freude zu spielen durch ihr ganzes Auftreten und die Art mit dem Publikum zu kommunizieren.
Zoli weiß zu mindestens vier Fans im Publikum eine Geschichte zu erzählen und zeigt damit, wie wichtig ihm der Kontakt zu den Fans ist und was wirkliche Offenheit bedeutet. Da ist ein weiblicher Hardcore Fan, der sein Leben Hardcore Konzerten gewidmet hat und die Band unermüdlich begleitet. Bei über 400 Shows war sie laut Zoli schon dabei. Dann ist da noch das frisch vermählte Ehepaar, das er kurz zuvor noch vorm Club kennengelernt hat. Ihnen widmet die Band den Song Live for better days.
Oder die Forscherin, die ihren Beitrag dazu leistet, dass die syrische Geschichte am Leben erhalten wird. Er würdigt ihren Mut, in die Region zu fahren, und damit etwas gegen das Vergessen zu tun. So ganz genau verstehe ich ihre Geschichte nicht, aber darum geht es auch eigentlich nicht, sondern darum, dass sich Zoli solche Gesichter und Geschichten merkt.
Nach der gesamten Ladung an Ignite Klassikern, vielen strahlenden Gesichtern – auch auf der Bühne – gehe ich selig nach Hause mit dem guten Gefühl, dass Hardcore einfach mal das Größte ist und dass Hardcore Veteranen wie Ignite wohl nie ihre Attitüde und Liebenswürdigkeit verlieren werden.
Hardcore ist eben wirklich mehr als Musik!
Ein großes Lob an dieser Stelle an das F-Haus Jena, das seit einiger Zeit so viele gute Hardcore Shows auffährt. Das habe ich seit so vielen Jahren in meiner Heimatstadt vermisst. Bitte so weitermachen!
ps: Danke für den Bericht 🙂
Schön geschrieben
Hi,
ich wohne auch in Jena und habe mich bewusst dazu entschieden nicht hinzugehen. Ich habe Ignite schon oft live gesehen und finde, dass sie eine klasse Live-Band sind. Allerdings kann ich dem F-Haus so gar nix abgewinnen. Charme einer DDR-Turnhalle und gerade bei Hardcoreshows ist entweder der Sound mies, fragwürdiges Publikum vorhanden und/oder überhaupt keine Atmosphäre. Von den dort sonst üblichen Veranstaltungen mal ganz zu schweigen.
Ich hätte mir Ignite gern angeschaut, aber nicht in dem Laden. Leider war es nicht im Kassa.
Nun egal, wie war denn der Sound dieses mal?
Grüße, Steffen