Bassisten haben es nicht leicht. Oftmals sind sie die Zielscheibe schlechter Musikerwitze und das Bandmitglied, mit dem keiner schlafen will. Aber es kommt noch schlimmer: Einer Umfrage innerhalb der deutschen Punk- und Hardcore-Szene im Jahr 2017 zufolge ersetzen immer mehr Bands die Position am Bass durch Minijobber, Saisonarbeiter oder unbezahlte Praktikanten. Die Gründe dafür seien vielseitig, berichtet uns Volker Hartl, Sänger der Hardcore-Band Minimum Wage, die erst kürzlich ihre große Sommertour mit einem 450-Euro Bassisten abgeschlossen haben. Szene Putzen hat nachgefragt, was es mit diesem Phänomen auf sich hat.
Hey Volker, wieso habt ihr den Entschluss gefasst die Position des Vollzeit-Bassisten aufzugeben?
„Hi Leute! Seit Jahren schon besteht die Grundbesetzung einer Band aus Schlagzeug, Gitarre und Bass. Das haben wir so gelernt und es war auch immer selbstverständlich. Die Wirtschaftslage in den letzten Jahren zwang uns aber, dieses Konzept als Band zu überdenken. Es kommt einfach nicht mehr so viel Geld rein, gleichzeitig wird alles teurer. Spritpreise für den Tourbus, Spritpreise um sich zu Besaufen, Chips und so. Irgendwann wussten wir: Der Basser muss weg. Gerade wenn man mal keine Shows spielt, z.B. wenn wir an einem Album arbeiten, kann man da viel Geld sparen.“
Und wie genau sieht dann der Vorteil durch Minijobber aus?
„Die kriegen ihr fixes Gehalt und halten die Fresse. Großer Pluspunkt. Wir müssen uns nicht mit ihnen rumstreiten, ob sie auch was von unserer Knete durch Merch-Verkäufe abkriegen und so. Aber was viel wichtiger ist: Man kann viel leichter mit denen zusammenarbeiten. Da frägt dich keiner „Hey hört mal, ich habe da diesen kranken Basslauf geschrieben, wollt ihr euch den mal anhören?“ oder „Hey darf ich in der Bridge vielleicht auch mal mehr spielen als nur den einen Ton da?“ Solche nervigen Fragen halt.
Die machen, worum sie gebeten werden und gut ist! Unser letzter Typ hat sogar ernsthaft gemeint, er würde auch mal gern wie der Rest der Band mit dem Gesicht zum
Publikum stehen. Wo gibt es denn sowas?“
Wie sehen die Pläne für die Zukunft für Minimum Wage aus?
„In Zukunft möchten wir für jede Show einen neuen Bassisten vor Ort rekrutieren. Vielleicht aus dem Publikum für freien Eintritt? Dann hätten wir auch einen Platz mehr im Auto frei und könnten uns mal bei der Mitfahrzentrale anmelden…“
[Im Anschluss kontaktierten wir Kai Müller, den Ex-Bassisten von Minimum Wage und baten um eine kurze Stellungnahme. Hier seine Antwort.]
„Nun, der Bassist ist der Tortenboden der Band: Er hält die anderen Musik-Zutaten mit seinem Groove zusammen, er bildet das Fundament für eine leckere Band. Schmeckt allein aber krass beschissen. Und spätestens nachdem Lemmy von uns gegangen ist, will doch auch keiner mehr Bass spielen. Trotzdem wird der Bass für einen satten Sound gebraucht. Bei meiner neuen Band kann ich mich auch nur gerade so über Wasser halten, weil ich versprochen habe, dass ich sowohl den Tourbus fahre als mich auch immer an den Merch-Tisch zu stellen während die anderen Backstage Spaß haben. Das ist menschenunwürdig. Im Moment erarbeite ich mit einigen Kollegen innerhalb der Szene ein Gewerkschaftskonzept. Das wird ganz groß. Basser! Bildet Banden! Wehrt euch!“
UPDATE
Der von Kai Müller angesetzte Warnstreik während der Show seiner neuen Band endete erfolglos, als er feststellen musste, dass sein Verstärker sowieso nicht eingeschaltet worden war.
Mehr Szene Putzen findet ihr hier!
*Szene Putzen ist unsere augenzwinkernde Liebeserklärung an Hardcore, die Subkultur und all ihre Eigenarten. Schließlich heißt es doch so schön: Was sich liebt, das neckt sich.