Nachdem ich letztens Finn Fausts drittes Album Leierkasten reviewen durfte (hier), wollte ich ein Interview mit der DüsterCore-Band aus Kiel führen. Langer Rede kurzer Sinn: hier ist es.
Hallo, stellt euch doch mal kurz vor.
Moin und Ahoi
Wir sind 5 „Jungs“ aus Kiel und Umland, die sich einmal in der Woche zum Musik machen treffen. Dabei entsteht dann dieser Metal-, HardCore, Punk-Mix, den wir nun seit 2016 weiter verfeinern. Wir nennen es DüsterCore.
Was bedeutet euer Bandname?
Es gibt ein Kinderbuch das den Titel „Finn Faustlos und die Gefühle“ trägt. Mit diesem Buch soll Kindern im Kindergartenalter beigebracht werden, was Gefühle sind, woran man welches Gefühl erkennt und wie sie kontrolliert werden können. Aber seit es Menschen gibt sind wir nicht in der Lage unsere Gefühle zu kontrollieren. Viele prügeln gegen einen, was dann auch auf den sozialen Medien zu sehen ist. Von daher ist die Realität eine Andere, die Realität ist Finn Faust.
Leierkasten ist bereits euer drittes Album, aber so wie ich das sehe, das erste auf einem Label. Wie kam es dazu?
Wir wollten dieses Mal unser Album weiter streuen, da wir der Meinung waren, dass es gut gelungen ist. Da war Michi von Dedication Records unsere erste Wahl. Unsere Freunde OUT OF STEP sind auch bei ihm.
Wie gestalteten sich die Aufnahmen?
Wir hatten bereits unser zweites Album Welle bei Timo Feger im Tonstudio Unerhœrt aufgenommen. Mit Timo haben wir außerdem auch die eine oder andere musikalische Vergangenheit. Er kennt uns sehr gut und wir wissen, was er kann. So konnten wir ohne Zeitdruck unsere Songs aufnehmen. 2022 waren im Juli bereits die Gitarren-, Bass- und Schlagzeug-Spuren im Kasten. Dem Rest haben wir dann wirklich viel Zeit gewidmet. Es kamen immer wieder neue Ideen, die wir einfach ergänzen konnten, ohne dass uns jemand treibt. Es war reines Glück, dass wir dann Dan Swanö kennenlernen durften und er dann für uns das Vinylmaster gemacht hat.
Ihr habt ein paar Gäste auf dem Album. Sagt doch mal etwas zu denen? Die Bands habe ich bisher nicht gekannt.
Über die Musico (ein kleiner feiner Verein, der sich um die Belange Kieler Bands kümmert), lernt man automatisch alle möglichen Bands aus dem Umland kennen. Unser Gitarrist Meysel hatte dann die Idee, für einige Songs Gastsänger einzuladen, um auch noch mehr für Abwechslung zu sorgen.
Der Song Schwarze Lunge handelt vom Tod Meysels Vater, der mit nur 67 Jahren an Lungenkrebs 2021 verstorben ist. Um den Song mehr Tiefe zu geben, hat Meysel sofort an Julius von Ocean Criminals gedacht. Eine sehr gute Skate-/PopPunk/Hardcore Band aus Kiel, mit denen wir während der Pandemie zusammen ein Streaming-Konzert spielten. Julius hat dem Song diese Zerbrechlichkeit gegeben, die wir für den Song passend fanden. Das Klavierstück am Ende hat Meysels Freundin geschrieben und schließt das Album passend ab.
Lars von Domain of Decay sorgt auf dem Album mit seinem eher rapartigen Gesang durchaus für Abwechslung.
Mit Domain of Decay befinden wir uns schon auf einer sehr langen Reise, die bereits vor Finn Faust begann. Als Lars losrappte, als wir gemeinsam zur Kieler Woche in der Pumpe spielten, war uns sofort klar, dass wir ihn unbedingt für den Song Reißleine brauchen und wir sind dem Ergebnis auch super zufrieden.
Ich hatte als Einflüsse Baffdecks und auch so n bisserl Thrash Metal rausgehört. Liege ich da richtig oder ganz falsch?
Ja, unser Lead-Gitarrist Thorsten sorgt seit jetzt fast 4 Jahren für den Thrash-Metal-Sound und bringt viele Ideen aus dieser Ecke mit. Witzig, dass Du Baffdecks genannt hast. Wir haben in der Tat als Jugendliche Baffdecks rauf und runter gehört und die CD Zerreißprobe steht bei uns artig im CD-Regal. Man kann also sagen, Baffdecks steckt einfach schon seit Beginn in uns 🙂
Wie kam das Album bisher an?
Wir haben sehr positives Feedback zum Leierkasten bekommen und die Streaming-Zahlen sind insgesamt deutlich gestiegen. Die Resonanz ist überwältigend im Vergleich zu den anderen beiden Scheiben und eine Bestätigung für uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber im Grunde machen wir Musik in erster Linie für uns. Alles andere ist ein besonders schöner Bonus!
Ein paar Videos habt ihr auch gedreht. Das letzte erschien am 15.12.2023. Erzählt mal etwas über die Entstehung der vier Videos und das Konzept dahinter.
Die Videos machen wir selbst in Eigenregie. Unser Drummer Marc hat alles Mögliche an Foto- und Video Equipment und Meysel schneidet das dann alles zu einem Video zusammen. Die Ideen zu dem Video kommen eher spontan und jeder wirft mal was in den Hut. Bei Geisternetz zum Beispiel hatten wir vorher im Internet ein Fischernetz bestellt um da überall Müll ran zuhängen. Wir sind dann kurzerhand nach einer Probe im Sommer 2022 an den Strand gegangen, der hier bei uns gleich um die Ecke ist. Die Leute dort haben zwar etwas komisch geguckt, aber wir haben die Dreharbeiten trotzdem durchgezogen.
Bei 42 Winter bestand die Idee schon länger ein Video im Schnee aufzunehmen. Wir wollten diese post-apokalyptische Stimmung vom Cover (welches übrigens die Frau von Thorsten gezeichnet hat) mit einer Gasmaske untermalen. Die lag auch schon fast ein Jahr im Proberaum rum. Als dann plötzlich Schnee da war, sind wir spontan bei -10 Grad in den Wald gefahren und haben ein Paar Durchläufe schnell mit dem Handy aufgenommen.
Die Texte sind sehr düster und brachial. Was wollt ihr mit ihnen ausdrücken?
Die Texte sind meist persönliche Gedanken/Erfahrungen, die jeder von uns durchgemacht hat. Es hilft einfach, sich Sachen von der Seele zu schreiben, einen Song darüber zu machen und seinen Unmut/Trauer hinauszuschreien. Es hat quasi etwas Therapeutisches. Die vorherrschende Situation in den Sozialen Medien, die Gewaltverherrlichung in unserem Alltag, das Hamsterrad eines Jeden, Antikriegsklänge, aber auch vernachlässigte Gesundheit und ein im Sterben liegender Vater haben uns zuletzt bewegt. Im Album Leierkasten steckt also eine Menge Gefühlsverarbeitung wie Trauer und Verlustängste aber auch Gesellschaftskritik.
Geisternetz bezieht sich auf das Thema Mikroplastik im Meer. Bombenhagel direkt auf den russischen Krieg gegen die Ukraine. Wie wichtig sind euch tagesaktuelle Themen? Und glaubt ihr, damit etwas zu erreichen?
Das ist sehr wichtig und sollte es überall sein. Wir unterstützten z.B. auch regelmäßig Sea Sheperd und da war es klar, dass wir über Geisternetze und halt Mikroplastik einen Song schreiben müssen. Wenn wir die Chance haben, etwas zu sagen, dann sollten wir es tun, so laut es geht. Sollten wir damit nur einen einzigen Menschen erreicht haben, ist das bereits ein Erfolg. Uns war es auch schon immer wichtig, klare Kante gegen Faschismus zu setzen, gerade in der aktuellen Lage.
Welche Bands aus eurem Umfeld könnt ihr derzeit empfehlen?
Natürlich Ocean Criminals und Domain of Decay, es gibt aber noch viele weitere Bands, die wir empfehlen können, wie z. B. NeverBowDown, NoM (Nuisance of Majority), Makina, Out of Step, Skull Harvest, Astra Zombies, Discharged as Cured, Smoke Blow etc.
Was sind eure nächsten Pläne?
Im Dez. 2023 haben wir unsere kleine „Leierkasten-Tour“ beendet und konnten viele Erfahrungen sammeln und nette Leute treffen. Aktuell steht für 2024 bislang nur ein Gig im Oktober an, zusammen mit 2LegsBad, die uns über Dedication Records kennenlernten und uns angefragt haben, ob wir hier in Kiel nicht zusammen einen Gig mit denen machen wollen. Gesagt, getan. Über spontane Einladungen, freuen wir uns immer riesig. Kasten Bier und bissl Spritgeld und wir gehören euch. Bis dahin werden wir weiter unser Set proben und an neuem Material feilen. Es sind schon wieder einige neue Songs entstanden.
Und nun habt ihr noch Platz für eurer Schlusswort.
Vielen Dank Gripweed, dass du dich so mit uns beschäftigt hast. Das ehrt uns wirklich sehr. Unser Dank gilt natürlich auch an Michi von Dedication Records und allen, die sich die Zeit genommen haben, bis hier hin zu lesen. Besucht uns gerne auf Facebook, Instagram, YouTube und Spotify und kauft die neue Platte. 1.000 Dank dafür!!
In Hamburg sagt man Tschüss, in Kiel is dat nich anders!
Moin und Ahoj,
Ich finde den Beitrag sehr gut. Die Texte sind sehr bewegend zumal ich einige Bandmitglieder kenne ,und es ist eine immer eine gute Idee Gefühle mit einzubinden ansonsten würden die guten Texte nicht entstehen, aber auch Gewalt und Trauer.
Viel Erfolg weiterhin.
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