KAFVKA (Photo by Thomas Tiefseetaucher)
KAFVKA (Photo by Thomas Tiefseetaucher)

Kafvka haben mit Kaputt ein richtig tolles Album aufgenommen. Das Review findet ihr hier. Das Interview ganz genau untendrunter:

Hallo, willkommen bei AWAY FROM LIFE. Wie üblich die Eingangsfrage: wer sind Kafvka?

KAFVKA ist eine politische Band aus Berlin-Lichtenberg, bestehend aus Alessio, Jonas, Phil und Sascha, die viel Liebe füreinander und für ihre Fans haben.

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Aus der Reihe: „Fragen, die schon jeder Depp hatte“: was bedeutet euer Bandname? Seid ihr Fans von Franz und Markus?

Nö, nicht unbedingt Fans, aber definitiv von beiden beeinflusst.

Aufgefallen ist mir, das in vielen Texten die Ich-Form verwendet wird. Daher mal die Frage, wie viel steckt in Kafvka von den anderen Bandmitgliedern außerhalb von Sänger, Rapper und Texter Jonas Kakoschke?

Bei KAFVKA als Ganzes sind wir zu viert, weil wir das Songwriting in dieser Konstellation machen. Die Texte kommen zwar von mir, aber irgendwie haben wir mittlerweile alle ein gutes Gespür dafür, ob ein Text ein KAFVKA-Text ist oder zum Beispiel eher zu meinem Soloprojekt „Rio Riseup“ passt. Inhaltlich müssen wir uns natürlich auch alle von den Texten abgeholt fühlen und dahinter stehen.

Kafvka - Kaputt (2024)
Kafvka – Kaputt (2024)

Das neue Album ist ein ziemlicher Geniestreich habe ich den Eindruck. Wie liefen die Aufnahmen ab und wie entstanden die Songs?

Oh wow, so was Nettes und durch und durch Richtiges hat noch keiner über das Album gesagt. Haha. Nachdem wir unser letztes Album Paroli wegen Corona viel via Internet hin und her geschrieben und produziert haben, hatten wir übertriebene Lust, mal wieder alle Songs in Studiosessions zu entwickeln. Und das lief einfach von Anfang an richtig gut und fühlte sich total organisch und befriedigend an. Teilweise haben wir einfach zusammen am Computer gehangen und an Details gefeilt, teilweise haben wir klassische Bandsessions im Proberaum gemacht. Meine Texte schreibe ich eigentlich überall und zwischendurch und nie im Proberaum – aber wegen der tollen Atmosphäre habe ich diesmal sogar ein paar Texte dort geschrieben.

Wir haben auch alle Instrumente in unserem Proberaumstudio selbst aufgenommen, produziert und abgemischt. Und vorher hat Phil, der die Produktionsleitung und das Premixing übernommen hat, mit Sascha und Alessio viel am Gitarren- und Schlagzeugsound gebastelt und viel ausprobiert. Die Gesangsskizzen habe ich meistens im ersten Schritt zu Hause in mein Handy gerappt, um sie den anderen schnell zu zeigen und im zweiten Schritt im Proberaum in mein Livemikro aufgenommen. Für die finalen Gesangsaufnahmen bin ich dann zu meinem Freund Johannes Walenta ins Homestudio gegangen. Dort haben wir uns zum ersten Mal wirklich viel Zeit genommen, um den richtigen Gesangssound zu finden und auch viel experimentiert. Das war bei allen Sessions zum Album wirklich schön: Dadurch, dass wir alle so nah beieinander sind, gibt es keine Hemmungen oder Komplexe, Ideen auszuprobieren oder vorzuschlagen. Es gehört viel Liebe und Vertrauen dazu…

Im Bandinfo steht, das ihr euch nicht vorrangig als politische Band gegründet habt. Gerade auf dem neuen Album Kaputt muss man aber „nicht-politische“ Songs mit der Lupe suchen. Wie sehr ihr euch heute?

Als wir KAFVKA Anfang 2013 gegründet haben, waren wir auch als Personen noch viel weniger politisch. Das hat sich eindeutig geändert – aus verschiedenen Gründen bei uns allen. Bei mir vor allem durch die politische Arbeit, die ich 2014 begonnen habe. Heute verstehen wir uns ganz klar als politische Band, keine Frage. So wie wir uns selbst als politische Menschen bezeichnen würden und auch privat in fast allem etwas Politisches steckt, ist es mittlerweile auch kaum mehr möglich, einen komplett unpolitischen KAFVKA-Song zu finden.

Das soll nicht heißen, dass das Album nicht auch persönlich geworden ist. Trotz einer eher depressiven Grundstimmung (Welt kaputt, Rio reiser tot) sind die Songs aber durchaus positiv und mitreißend geworden. Was versucht ihr mit dem Album im Gesamten auszudrücken?

Das Album als Ganzes lässt sich wohl am besten im Refrain des Titelsongs zusammenfassen: „Es ist alles kaputt… aber wer weiß, vielleicht können wir noch etwas reparieren!“ Es ist definitiv alles kaputt in dieser ungerechten Schweißwelt und an manchen Tagen ist es sehr schwer, Hoffnung und Motivation zu finden, weiterhin politisch aktiv zu sein, etc… Und gleichzeitig: was sollen wir sonst tun und müssen wir nicht gerade in Zeiten wie diesen stabil und aktiv bleiben?

„Wie aus Stein“ ist ein eher ein deeper track, auch viel Seelenschau. Macht dir das nichts aus, Fremde in dein Innerstes zu führen?

Diesen Text habe ich Mitte 2021 geschrieben – mitten in meiner Depression und kurz nachdem ich unsere Tour wegen einer Panikattacke fast hätte abbrechen müssen. Ich musste diesen Text einfach schreiben – nur für mich, um die Dinge zu verarbeiten und mir über meine Gefühle klarer zu werden. Und als ich dann nach ein paar Monaten Zwangspause das erste Mal wieder mit den anderen im Proberaum war und Sascha ein bisschen Klavier gespielt hat, habe ich den Text ausprobiert. Ich glaube, wir haben alle sofort gespürt, dass das eine besondere und wichtige Stimmung ist. Ich sehe keinen Grund, warum wir das dann nicht veröffentlichen sollten. Wenn sich dann fremde Menschen darin wiederfinden und daraus Kraft schöpfen können, ist das umso schöner. Und ich habe einfach oft das Gefühl, dass es nicht nur mir so oder so geht, sondern vielen anderen auch. Und das ist auch das häufigste Feedback, das ich auf meine Texte bekomme – dass die Leute sagen, ich würde ihre Gedanken vertonen.

Wie angesprochen: Kaputt ist ein echtes Album geworden. Der Rap-Markt entwickelt sich ja immer mehr zu einem Singlemarkt und ihr habt mit „Alle hassen Nazis“ ja auch einen veritablen, häufig gespielten Hit. Warum ist euch das Format Album dennoch wichtig(er)?

Wir veröffentlichen ja auch immer wieder Singles zwischen unseren Alben und das macht uns auch Spaß und die Songs sind uns nicht weniger wichtig als die Albumsongs. Aber es macht einfach sehr viel Spaß, sich in einem Albumprozess eine Gesamtvision auszudenken und monatelang auf dieses eine gemeinsame Ziel hinzuarbeiten. Aber yo, wie du sagst, unser meistgehörter Song „Alle hassen Nazis“ war auch nur eine Single, die wir wahllos zwischendurch veröffentlicht haben. Und das werden wir auch weiterhin mit Songs machen, wenn wir das Gefühl haben.

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Drei Features sind auf dem Album. Einmal Team Scheisse auf dem meines Erachtens besten Song „Geburtstag“. Ganz ehrlich, ich lade die alle auch nicht ein. Wie kam es dazu?

Ja, cool, dass deine und unsere Geburtstagsausladungsliste übereinstimmen. Ja, kein Plan, wir waren im Proberaum und haben zu einem Technobeat von Phil gejammt und ich hatte die Idee, einen dummen Song draus zu machen und einfach ein paar Promis drauf zu hauen. Der Refrain stand als erstes und die Strophen waren ultra schnell und einfach geschrieben, weil ich mir auch erlaubt habe, da keinen Anspruch auf Vollständigkeit zu haben oder so super konzeptionell ranzugehen. Als wir die erste Skizze des Songs aufgenommen haben, hatten wir das Gefühl, dass es irgendwie einen TeamScheisse-Vibe hat und da wir Timo (Sänger von TS) schon länger kennen und wir letztes Jahr spontan einen Song zusammen live gespielt haben (Juicy Beats Festival 23), habe ich sie einfach gefragt, ob sie den Vibe auch so empfinden. Und Timo und Mello waren coolerweise sofort dabei.

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Underrated Forever trifft natürlich auch auf Roger Rekless und PTK zu. Auch hier die Frage, wie es zu dieser Zusammenarbeit kam und warum gerade diese beiden Künstler. Bin übrigens ein großer Fan von Rogers Buch.

Mit PTK habe ich mich 2023 mal getroffen, um uns ein bisschen kennenzulernen und auch um zu sehen, ob der Vibe für ein mögliches Feature passt. Da wir uns gut verstanden haben und ich ihn sowieso im Hinterkopf hatte, nachdem ich meine Strophe für „Underrated“ geschrieben hatte, war ziemlich schnell klar, dass er einen Part dafür schreibt. Ursprünglich war aber Ebow für den dritten Teil vorgesehen. Ich hatte mich mega über ihre Zusage gefreut, da wir uns noch nicht persönlich kennen und ich schon seit Jahren ein Fan ihrer Musik bin. Irgendwie hat es dann aber zeitlich bei uns allen nicht gepasst. Zufällig war ich im Frühjahr mit Alessio auf dem Berlinkonzert von Roger Rekless, um mit ihm einen Part zu rappen aus unserem Feature Feature 2021. Das Konzert war unglaublich gut, aber nicht gut genug besucht – underrated eben. Alessio und ich standen im Publikum und dachten „Scheiße, eigentlich muss Roger auch auf dem Track sein“. Als dann klar wurde, dass Ebow den Part nicht machen kann, war relativ schnell klar, dass wir Roger fragen. Und der Refrain hat ihm aus der Seele gesprochen… Aber hört euch einfach unsere Podcast-Episode an (Podcast-Name: „Alle machen Podcast„), wo wir zu viert genau darüber sprechen.

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Wie alt wart ihr als Rio Reiser starb? Ich war damals 16 und hab ihn erst viel später entdeckt.

Wir waren zwischen 1 und 13 Jahre alt – aber ich sage dir nicht, wer wie alt war. Haha. Einige von uns haben ihn erst viel später entdeckt.

Welche Songs von Rio Reiser und Ton Steine Scherben haben euch beeinflusst? Ich finde, man merkt gerade die antikapitalistische Ton-Steine-Scherben in euren Songs.

Ja, vor allem die ersten beiden Scherben-Platten „Keine Macht für niemand“ und „Warum geht es mir so dreckig“ liefen als Kind bei mir zu Hause. Ein paar von Rios Solo-Songs kannte ich auch, aber die meisten habe ich erst später entdeckt. Ich habe auch erst als Erwachsener darüber nachgedacht, dass das bei uns zu Hause lief und wie sehr mich das geprägt hat.

Da wären wir dann bei Millionen, der ersten Singleauskopplung. Ein ähnliches Thema hatten Knorkator gerade mit „Milliardäre“ aufgegriffen. Ist das so einfach? Umverteilung und alles wird gut?

Das Lied von Knorkator kenne ich nicht. Der Song zielt nicht unbedingt auf Umverteilung ab. Umverteilung wäre im ersten Schritt wahrscheinlich gut, löst aber nicht das Grundproblem der Ungerechtigkeit, die dem Kapitalismus innewohnt. Der Songtext wünscht sich vielmehr eine Abkehr vom Kapitalismus hin zu einem Zusammenleben, das auf einem gleichberechtigten menschlichen Miteinander basiert und nicht auf Geld, wo das große Ziel die Zufriedenheit aller Menschen ist und nicht die (Über-)Befriedigung der Bedürfnisse Einzelner.

Ein weiteres Zitat gibt es von Deichkind sowie Trettmann im Song Danke Nein Ja Bitte Sehr. Sind die beiden ein wichtiger Einfluss für euch?

Ich persönlich mochte schon das erste Album von Trettmann/KK „D.I.Y.“ sehr und wir haben es auch, wann immer es ging, im Tourbus laufen lassen. Auch seine Musik seitdem und die EPs z.B. mit Megaloh davor finde ich sehr gut. Früher war Deichkind in meiner Wahrnehmung in der damals noch jungen Deutschrap-Szene eher als Spaß-Rap verschrien – aber ich denke, das lag einfach daran, dass es damals keiner so gemeint hat und Deichkind auch immer mehr als nur Deutschrap waren. Ich würde sagen, Deichkind sind ein wichtiger Einfluss für die gesamte deutschsprachige Musikszene und somit auch für uns.

Aus Wikipedia: „Am 21. Januar 2024 spielte die Band auf der Demo gegen Rechts in München vor (nach Angaben der Veranstalter) 200.000 Zuhörern, mussten das Konzert aber nach drei Songs abbrechen, weil die Demonstration abgebrochen werden musste.“ Klingt spannend, erzählt mal wie das war.

Ja, das war einfach eine sehr verrückte Sache… Wir waren eigentlich mitten im Albumprozess und hatten große Lust, trotzdem wenigstens eines der vielen Demos gegen Rechts zu spielen.In München war es dann so, dass, nachdem wir drei Songs gespielt hatten, die Veranstalter auf die Bühne kamen und sagten „Sorry Leute, wir müssen abbrechen, wir sind über 300.000 Leute und das ist zu viel wegen der Sicherheit und so…“. Das war für uns natürlich ein bisschen Freude und Frust zugleich, weil wir extra von Berlin nach München gefahren sind. Also haben wir die Veranstalter*innen gefragt, ob wir vielleicht noch „Alle hassen Nazis“ spielen könnten und sie sagten „ja ok“ und das war natürlich ein krasses Ende für alle Anwesenden und wir sind nochmal komplett durchgedreht. Das war schon ein ganz besonderer Tag!

Ein bisschen Werbung für Seebrücke wäre glaube ich jetzt auch gerade angebracht, oder?

Bei der Seebrücke war ich eigentlich nur 2018-19 in der Gründungsphase involviert. Aber Unterstützung für die Seebrücke und generell für Seenotrettung und Flüchtlingshilfe, also auch für Sea-Punks, Sea-Watch, Jugend rettet, Leave no one behind, Zusammenleben Willkommen und all die anderen wichtigen Organisationen, die im Mittelmeer retten und diese unwürdige Festung Europa kritisieren und Menschen unterstützen, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, ist immer notwendig.

So am Ende ist noch Platz für ein paar schöne letzte Worte.
Engagiert euch, wo immer ihr könnt. Haltet zusammen und achtet aufeinander. Und nicht zuletzt: Kommt zu unseren Shows!

Achja, die Shows. Hier die Tourdaten:
30.08.2024 – 31.08.2024 Dessau-Roßlau – Save the Scene Festival
25.09.2024 Dresden – Beatpol
26.09.2024 Nürnberg – Z-Bau
27.09.2024 München – Strom
28.09.2024 Wien – Flex
09.10.2024. Wiesbaden – Schlachthof
10.10.2024 Karlsruhe – Substage
11.10.2024 Stuttgart – Im Wizemann
12.10.2024 Zürich – Exil
13.11.2024 Dortmund – FZW
14.11.2024 Köln – Gebäude 9
15.11.2024 Bremen – Lagerhaus
16.11.2024 Rostock – Peter Weiss Haus
20.11.2024 Münster – Sputnikhalle
21.11.2024 Hannover – Musikzentrum
22.11.2024 Kiel – Die Pumpe
23.11.2024 Hamburg – Grünspan
05.12.2024 Leipzig – UT Connewitz
06.12.2024 Berlin – SO36

KAFVKA (Photo by Thomas Tiefseetaucher)
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– Playlist: Happy Release Day

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