Shatten haben mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum einen ziemlichen Hit gelandet. zumindest bei mir. Vergleiche das Review hier. Dementsprechend hatte ich viel Bock auf das Interview. Die Band auch. Ich denke, das kann man gleich nachlesen.
„Hast du dich schon mal gefragt, ob für deine Sneaker jemand sterben musste? Und wenn ja, fühlst du dich irgendwie schuldig? Sicher nicht.“
AFL: Hallo shatten, stellt euch doch mal vor…
Hallo, wir sind die Gruppe Shatten aus Hamburg und wir sind 5 Menschen die gerne zusammen abhängen und Musik machen. Manchmal reden wir über wichtige Dinge, seltener über Fußball. Und irgendwie können wir alle etwas mit Gitarrenmusik anfangen. Wir proben meistens an einem Dienstag und der, der hier antwortet heißt Danny und spielt Schlagzeug.
AFL: Vier Leute aus Findus, nur ein neuer Gitarrist. Warum habt ihr Findus aufgelöst und macht nun als Shatten weiter?
Es fühlte sich damals einfach richtig an das Kapitel „Findus“ zu beenden – die Geschichte war für uns einfach in dem Moment am Ende angekommen: unser damaliger Schlagzeuger hatte keine Lust mehr auf die ewigen Touren, unser Label Delikatess, auf dem wir alle unsere Platten veröffentlicht haben, hatte sich gerade aufgelöst und nach 3 Alben und über 10 Jahren Findus-Zirkus hatten wir Lust auf etwas Neues. Und da sind wir jetzt.
AFL: Muss sagen, mit Findus hab ich mich ehrlich gesagt nicht beschäftigt. Hatte sie mal live gesehen auf einem Minifestival… da waren sie die einzige Punkband neben Trailerpark, usw. War vom Line-up her sicher merkwürdig. Aber egal, was unterscheidet shatten von Findus?
Ich erinnere mich: das war glaube ich irgendwo im Saarland an einem brutal heißen Sommertag. Und ja, das Line-Up war wirklich merkwürdig, wahrscheinlich war das auch nicht der beste Moment für eine erste Begegnung. Wir haben dort als erstes gespielt und die Leute wussten überhaupt nichts mit uns anzufangen. Am nächsten Tag gab es wohl noch ein dickes Unwetter und das ganze Festival ist letztendlich abgesoffen. Vielleicht unterscheidet Shatten von Findus, das wir mittlerweile wissen, das wir uns die 8 Stunden im Bus sparen können für so ein Festival und gar nicht erst losfahren, sondern lieber in Hamburg bleiben und Lieder schreiben… Ne, im Ernst: uns fehlt das Losfahren und die Menschen da draußen schon sehr. Bei Shatten haben wir jetzt einfach einen ganz anderen Flow als bei Findus… die Rollen sind anders verteilt, wir schreiben Lieder auf eine andere Art und Weise und Jonas bringt einen anderen Stil rein. Und wir sind jetzt alle über 30. Es fühlt sich schon wie etwas ganz Neues an. Und vielleicht hört man das auch, also das Neue, nicht das wir über 30 sind.
„Unsere Texte lassen Raum für Interpretation und gehen nicht mit erhobenem Zeigefinger durch die Welt“
AFL: Was sind eure Einflüsse?
Von Abba bis Zappa. Im Studio oder Bus haben wir eigentlich nur Radiohead- und Coldplay-Verbot.
AFL: Als Findus wart ihr auf dem legendären Delikatess Tonträger Label, das wohl nur wegen euch gegründet wurde. Warum musste es dieses Mal Rookie und zwar ausschließlich Rookie sein?
Was viele ja nicht wissen: im Prinzip wurde Delikatess nicht für Findus, sondern von Findus gegründet: Es hat als einfaches Kollektiv angefangen, unsere Freund*innen Fred, Lisa und Kathrin haben das Ganze dann als „richtiges“ Label aufgezogen und professionalisiert … und das ja ziemlich erfolgreich bis zum Ende. Nach Delikatess kamen für uns einfach nicht viele Labels aus Hamburg in Frage für die neue Veröffentlichung und wir mochten einfach Jürgen und Anne von Rookie und deren solide-punkige Arbeitsweise gerne. Sie waren auch die ersten, die die nach den ersten Konzerten aktiv auf uns zukamen und wir hatten gleich ein gutes Gefühl, vor allem haben wir gemerkt dass sie wirklich Bock haben die Platte zu veröffentlichen. Nach dem ersten Kneipengespräch war uns ziemlich klar: wir machen das mit Rookie oder wieder selbst – obwohl wir da sicher etwas zu faul dafür gewesen wären. Da haben wir vielleicht etwas geblufft.
AFL: Wie gestalteten sich die Aufnahmen zum Album?
Die Pandemie hat im letzten Jahr schon unsere Pläne etwas durcheinander gewirbelt: eigentlich wollten wir im Frühjahr 2020 ins Studio gehen und im Herbst die Platte veröffentlichen, das hat sich alles um ein halbes Jahr verzögert und auch alle Konzerte die wir bis dahin geplant hatten sind natürlich ins Wasser gefallen. Somit haben wir das Material schon etwas länger rumgetragen und es war sehr erlösend, dann endlich im Studio zu stehen und die Sachen gemeinsam zu spielen – wir hatten uns zu dem Zeitpunkt auch fast 6 Monate vorher nicht gesehen. Aber dadurch das wir ja doch schon teilweise recht lange zusammen Musik machen und wir mit Kristian zufällig einen ziemlich guten Produzenten in unseren Reihen haben, waren die Aufnahmen an sich dann recht unkompliziert – für alle außer Kristian natürlich, der ja die meiste Arbeit mit dem ganzen Aufnahmekram hatte. Wir haben die Sachen bei uns im Studio in Hamburg aufgenommen, das wir auch als Proberaum nutzen – das war natürlich auch ein ziemlich entspannter Luxus in gewohnter Umgebung daran gearbeitet zu haben und auch ein großer Spass, den man im letzten Jahr oft vermisst hat im Alltag. Trotz dieser Wohlfühloase um uns herum finde ich schon, dass man die düstere und manchmal auch etwas beklemmende Pandemie-Stimmung des letzten Jahres auf der Platte irgendwie auch wahrnimmt.
AFL: Das Cover sieht ja wie ein Backcover um. Wer hatte die Idee und wie wurde es umgesetzt?
Simoen und ich kamen auf die Idee, ich glaube wir hatten beide die „Fluten und Tauchen“ von Dackelblut im Kopf am Anfang. Zumindest fanden wir diesen japanischen Obi-Strip mit den ganzen Infos auf der Seite ziemlich cool. Das Artwork und der Mix der Platte gingen dann irgendwie Hand in Hand, das hat sich alles so im Fluss ergeben und ergab Sinn. Simeon hat wahrscheinlich am Ende am meisten gemacht, ich habe aber die Credits auf der Rückseite dafür bekommen. Jackpot!
AFL: Die Schreibweise eures Bandnamens setzt sich auch bei den Texten fort. „oe“ statt „ö“ usw. Was wollt ihr damit ausdrücken?
Here we thought of our Anglo-American friends. Die finden immer das „ö“ nicht auf der Tastatur und haben auch keine Hemmungen unseren Bandnamen einfach „Chatten“ auszusprechen – ist das nicht toll? Und Goethe schreibt ja auch nicht mit „ö“ oder? Ich glaube, wir wollen da nichts bestimmtes mit ausdrücken, es ist einfach eine typografische Spielerei die wir mochten.
AFL: Wie sind die Reaktionen bisher?
Das findet ja in diesen Zeiten alles leider bisher digital statt. Es gab ein paar Herzen und Daumen nach oben und paar nette SMS… ich glaube also ganz ok. Spannend wird es natürlich wenn wir die Sachen dann irgendwann mal vor Publikum spielen – auf die Reaktionen freuen wir uns natürlich am meisten.
AFL: Vor Veröffentlichung des Albums entstanden die Singles Katzen fuettern und Loecher im Himmel. Erzählt mal etwas über die Videodrehs und warum ihr genau diese Songs ausgewählt habt?
Wir haben uns vorher gar nicht so konkret Gedanken darum gemacht was wir als Singles auszuwählen, das hat sich dann auch erst im Prozess konkretisiert. „Loecher im Himmel“ ist einer unserer ersten, geschriebenen Songs der einen coolen, vielleicht auch lässigen Optimismus versprüht, „Katzen fuettern“ wiederum ist ein ein wenig düsterer und auch nicht ganz so „poppig“ – die Gegensätze fanden wir bei der Auswahl der Singles spannend. Die Videos hat Simeon geschnitten, teils aus eigenem Material wie bei „Loecher im Himmel“, das „Katzen fuettern“-Video ist „Found Footage“ aus dem Netz. Da haben wir es uns leicht gemacht, denn in der Zeit war ein Videodreh nicht wirklich so umzusetzen wie wir es uns vielleicht gewünscht hätten. Und dieser DIY-Charakter der Videos ist fast noch ein wenig gelungener wie ich finde, als ein blödes Hochglanz-Video.
AFL: Warum ist jemand „ein Moerder und kann nichts dafuer“?
Hast du dich schon mal gefragt, ob für deine Sneaker jemand sterben musste? Und wenn ja, fühlst du dich irgendwie schuldig? Sicher nicht. Das ist zumindest etwas, was ich dort hinein interpretiere – ich muss ja zum Glück nur trommeln und keine Texte schreiben.
AFL: Generell verschließen sich eure Texte oft Interpretationen. Pascow haben dafür den Begriff „kryptische Scheiße“ verwendet. Warum ist euch das wichtig und was wollt ihr ausdrücken?
Simeon schreibt seine Texte nun mal so, wie er es tut. Er achtet nicht darauf, das es alle verstehen oder ob seine Aussagen Sinn machen für andere: er schreibt einfach seine Gedanken und Gefühle nieder, das wirkt auf einen halt manchmal konfus oder unverständlich – aber ich mag diese Art der Texte sehr gerne. Sie lassen Raum für Interpretation und gehen nicht mit erhobenem Zeigefinger durch die Welt und sagen: „Ich weiß wie es läuft, hör mir zu“ … und viele Texte auf dem Album sind auch sehr deutlich. „Falsche Fährte“ oder “Verdammte Enge“ sind schon sehr direkt und verständlich. Und seine Texte sind auch nicht künstlich „kryptisch“ gehalten. Ich hoffe das haben Pascow nicht explizit auf uns bezogen.
AFL: Nee, keine Sorge, die haben zwischendrin ja auch kryptische Scheiße gemacht… Wie geht es jetzt weiter bei euch?
Corona aussitzen und dann endlich mal auf die Straße. Wir sind keine Fans von Sitz- oder Streaming-Konzerten, daher halten wir den Ball im Moment trotz Release sehr flach und freuen uns irgendwann mal wieder eine „richtige“ Show zu spielen. Und irgendwann steht bestimmt auch schon ein zweites Album an.
AFL: Kleiner Assoziationsblaster. Einfach das schreiben, was euch einfällt:
- Hamburg – Stadt im Norden, tut immer so als würde sie am Meer liegen
- Delikatess Tonträger – Linke Tasche, Rechte Tasche. Und hatten immer Sekt parat.
- Love A – müssen immer quer durch Deutschland reisen um zu Proben und tun so als könnten sie sich keine Bahncard 25 leisten, tun mir Leid die armen Schweine.
- Pascow – mögen scheinbar keine kryptische Scheiße und haben bestimmt alle eine Bahncard 100.
- AWAY FROM LIFE – guck ich mir mal an… oder ist das eine Emo-Band aus Neumünster?
AFL: So, das wäre es erstmal. Obwohl: Welche Frage hättet ihr euch selbst gerne gestellt (und beantwortet die doch auch noch bitte)?
Frage: Radiohead oder Coldplay?
Antwort: Abba und Zappa.
AFL: Dann bleibt mir noch, mich zu bedanken.- Die letzten Worte (in diesem Interview) gebühren nun euch.
Danke, bleibt gesund und bildet Banden.