Es geschehen Zeichen und Wunder, auch in der Punkwelt. Nach dem letzten Album Stöbern musste 10 Jahre auf eine neue Veröffentlichung gewartet werden. Flimmern heißt die dritte Platte, die zeitnah das Licht der Welt erblicken wird. Und tatsächlich merkt man dem Album die große Zeitspanne zum Vorgänger an. Kollateralschaden haben sich weiterentwickelt.
Doch trotzdem lässt sich die Band sofort mit den ersten Klängen wiederfinden. Der typisch bayrische Akzent im Gesang, die teils unglaublich langen instrumentalen Parts und der doch so bekannte Sound. Kaum ein Song ist kürzer als vier Minuten. Kollateralschaden sind mit Flimmern ruhiger geworden, vielleicht auch nachdenklicher.
Nachdenklich waren Kollateralschaden immer, doch noch nie so intim und direkt. Geschichten über das Leben waren immer schon Teil der Texte, nur kann Flimmern schon beinahe als ein Konzeptalbum über das Leben – von der Geburt bis zum Tod – wahrgenommen werden. Dabei gehen die Texte auch gerne mal unter die Haut, so schonungslos ehrlich. Schuld daran ist auch, dass die Musik einfach stimmt.
Flimmern ist ruhiger als sämtliche Vorgänger. Wenn aber mal Kraft von der Musik gefordert wird, dann kommt diese auch. Musik und Text gehen auf dem Album durchweg eine stimmige Symbiose ein. Die neun Tracks sind dabei abwechslungsreich, der rote Faden wird nie durchschnitten.
Kitschig oder peinlich wirkt Flimmern zu keinem Zeitpunkt, Kollateralschaden warten mit intelligenten und kritischen Texten auf. Dabei ist am linken Fleck das Herz und das Herz stets auf der Zunge. Mal wird gesungen, mal gesprochen. Mal ist es laut, mal leise.
Aufgenommen wurde Flimmern in den 10 Jahren im eigenen Homestudio. Hin und wieder ist das durchaus zu hören, was aber dem Sound und der Atmosphäre nicht schadet. Der DIY-Ansatz ist möglicherweise sogar ein Gewinn für das Album. So sind Herzblut und Leidenschaft der Band praktisch schon greif- wie fühlbar. Und 10 Jahre sind eine Menge Zeit, um an der Musik zu schrauben.
Wäre der Release etwas früher dieses Jahr gewesen, dann hätte ich das Album sicherlich mit in meine Highlights für ’22 genommen. Neben nichts von FJØRT hätte Kollateralschaden sicherlich sehr gut ausgesehen. So ist Flimmern nun eben nur das Highlight meines Herzens. Vor einigen Wochen, als eine neue Veröffentlichung noch gar nicht bekannt war, habe ich noch gedacht, dass Kollateralschaden sicherlich mehr Aufmerksamkeit bekommen hätten, wenn sie mit ihrer Musik im Allgemeinen später dran gewesen wären. So wie beispielsweise Marathonmann. Aber Kollateralschaden waren vermutlich ihrer Zeit voraus.
Flimmern ist eine wunderbare, herzerwärmende und hoffnungsvolle Platte, die sehr persönlich und verletztlich wirkt. Trotz der nicht immer leichten lyrischen Kost ist das Album ein Loblied auf das Leben. Wer mit Bands wie Marathonmann oder FJØRT unterwegs ist, sollte dieser Kapelle unbedingt mal ein Ohr schenken!
Flimmern erscheint am 23. Dezember 2022 digital auf bandcamp, kann aber schon jetzt erworben und gehört werden.
Tracklist:
01. Hallo Leben
02. Welcome To Hell
03. Durchhalten/Aufgeben
04. Ein Herz Und Viele Seelen
05. Gute Reise
06. Grizzlyman
07. A++
08. Gezeiten
09. Auf Wiedersehen