Unlängst hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass es Arbeitgebern freistehen soll seinen Mitarbeiter zu erlauben ein Kopftuch während der Arbeit zu tragen, sofern gewisse Formalitäten eingehalten werden. Wer jetzt aber meint dieses Urteil beträfe nur muslimische Frauen, sollten schleunigst nochmal nachdenken: Das Kopftuchverbot trifft auch unzählige Hardcorefans! Und sie leiden.
Wir treffen uns mit Jochen Poleck [Anm.: Name von der Redaktion geändert] aus Straßlach-Dingharting bei München, einem unterdrückten Hatebreed-Fan. Wir sitzen uns gegenüber in einem Café, er mit verträumten Augen und seufzend. Der 34-jährige wirkt wie ein ganz normaler Hardcorefan, mit seinem verwaschenen Hatebreed „Supremacy“ T-Shirt, den tätowierten Armen und dem schwarzen Bandana mit Paisley Muster. „Wisst ihr“, beginnt er zögerlich, „eigentlich kann ich nur noch in meiner Freizeit richtig meine Subkultur ausleben. Bei meiner Tätigkeit als Nagelpfleger muss ich immer Arbeitskleidung tragen, kann mich also gar nicht richtig über Band-Shirts ausdrücken. Und jetzt, da sie mir auch noch verbieten ein Kopftuch zu tragen. Wie sollen meine Kollegen dann wissen, dass ich… naja halt cooler bin als sie? Dann bin ich nur irgend so n Typ, der da halt arbeitet.“
„Wir dachten, wenn er sein Bandana mal abnehmen würde, wäre er nicht mehr so gestresst. Vielleicht käme dann auch mal wieder bisschen Blut in sein Hirn – und er würde aufhören dauernd unsere Kunden anzuschreien.“
Jochen erzählt im Folgenden viel von sich. Von seinen Problemen bei der Arbeit, Ärger mit dem Chef, dem Gefühl der Nacktheit ohne seinen Kopfschmuck. Er zeigt uns auch, wie man so ein Bandana trägt: „Ich zeig euch mal wie man das richtig wickelt, so wie es schon unsere Leute seit Äonen oder so machen. So wie es uns Jamey Jasta oder Pete Koller gelehrt haben. Ihr müsst es richtig krass festbinden und es muss die ganze Stirn bedecken. Wenn man die Augenbrauen sehen kann, oder ihr keine Kopfschmerzen bekommt, habt ihr es nicht richtiggemacht. Wir merken regelrecht, wie Jochen während des Gesprächs aufblüht – dies ist nur in den wenigen Stunden am Tag möglich, an denen er selbst sein kann.
Auf einen Kommentar seitens Polecks Abeitsstelle musste unsere Redaktion lange warten. Viele der von uns angesprochenen Mitarbeiter gingen uns achselzuckend oder augenrollend aus dem Weg, einige wirkten genervt. Schließlich gelang es uns aber doch Polecks Chef, Tillman H., für eine kurze Stellungnahme zu interviewen.
„Naja eigentlich hat das nicht wirklich was mit dem Kopftuchverbot zu tun. Hat er das gesagt? Naja egal. Wir dachten einfach, wenn er sein Bandana mal abnehmen würde, wäre er vielleicht nicht mehr so gestresst. Vielleicht käme dann auch mal wieder bisschen Blut in sein Hirn – und er würde aufhören dauernd unsere Kunden anzuschreien.“ Er rät ihnen immer ungefragt alles zu zerstören und auszulöschen, was sie schwach macht? Was soll das überhaupt heißen?“
Dieses Schicksal ist bei weitem kein Einzelfall. Zahllose Fans Bandana-basierter Hardcorebands wie Hatebreed, Suicidal Tendencies oder Sick Of It All leiden täglich unter dem Verbot bei der Arbeit wie ein Pirat auszusehen. Ob das rechtens ist? Wahrscheinlich schon.
Die erste Ausgabe von Szene Putzen:
*Szene Putzen ist unsere augenzwinkernde Liebeserklärung an Hardcore, die Subkultur und all ihre Eigenarten. Schließlich heißt es doch so schön: Was sich liebt, das neckt sich.