Laut Fragen haben mich mit ihrem Album Facetten des Widerstands (Review hier) nachhaltig beeindruckt. Daher war es mir ein besonderes Anliegen dem Duo einmal auf den Zahn zu fühlen. Das Ergebnis könnt ihr nun nachlesen.
AFL: Hallo, Laut Fragen, gerne beginne ich meine kleine Fragerunde mit den Basics. Also, wer seid ihr, wo kommt ihr her?
Maren: Ich habe mich schon länger mit Vertonungen von Widerstandstexten beschäftigt (Jura Soyfer, Erich Mühsam, Texte aus KZs) und bin mit meinem Akkordeon zu verschiedenen politischen Anlässen aufgetreten.
Didi: Ich habe lange bei der Postpunk-Band Collapsing New People gespielt. Gesang, Gitarre, Synthesizer. Parallel dazu habe ich mit Maren begonnen, unsere beiden Ansätze zu verbinden: Widerstandstexte mit Postpunk und Elektronik. Mittlerweile konzentriere ich mich nur noch auf Laut Fragen.
AFL: Laut Fragen ist ja ein sehr ambitioniertes Projekt. Auf eurem neuen Album Facetten des Widerstands stellt ihr 11 Biografien von österreichischen Widerstandskämpfern vor. Nicht nur das, ihr vertont auch Gedichte und Zeitzeugnisse. Hattet ihr keine Angst, dass euch dieses Projekt um die Ohren fliegt?
Didi: Oh ja, wir haben schon 2014 versucht, Texte aus dem Widerstand zu vertonen, waren aber nicht zufrieden mit dem Ergebnis und haben es beiseite gelegt. Wir haben erst einmal ein Album mit eigenen Texten veröffentlicht. Das hat uns gestärkt und unseren ganz eigenen Sound definiert.
Maren: Für das aktuelle Album „Facetten des Widerstandes“ haben wir eine Förderung der Stadt Wien bekommen. Wir sind das Projekt diesmal also selbstbewusster und finanziell unabhängiger angegangen.
AFL: Warum die Beschränkung auf österreichische Widerstandskämpfer?
Einerseits hat es uns die Suche erleichtert, weil es die wirklich sehr große Auswahl verringert hat. Andererseits fanden wir es spannend, an dem Ort, an dem wir leben, nach Geschichte und Geschichten zu graben. Österreich war Jahrzehnte lang in seiner selbstgewählten Opferrolle befangen und ein Vorreiter rechter Politik – auch wenn das Gedankengut mittlerweile leider weltweit verbreitet ist. Wir wollten als Ausgleich positive Identifikationsfiguren finden. Personen, für die in unseren Schulbüchern offenbar kein Platz war ist.
AFL: Nach welchen Kriterien habt ihr die Personen ausgewählt?
Maren: Nach der Qualität der Texte. Sie sollten nicht zu pathetisch oder altbacken klingen, sondern aktuelle Assoziationen zulassen und zu unserem Musikstil passen. Wir wollten Widerstandskämpfer*innen aus unterschiedlichen politischen Lagern porträtieren, außerdem war es uns wichtig, Frauen im Widerstand ins Licht zu rücken.
AFL: Combat entstand mit einem Augenzeugenbericht von Herbert Traube. Entstand die Tonaufnahme für das Projekt oder hattet ihr Zugriff auf Archiv-Material?
Maren: Das Interview haben wir eigens für das Projekt gemacht. Es war ein glücklicher Zufall, dass wir Herbert Traube bei einer Gedenksteinverlegung für seine Eltern kennengelernt haben. Er war bereit uns seine Geschichte zu erzählen und wir waren gleich fasziniert von seinen Erlebnissen und seiner Erzählkunst.
AFL: Das Beiheft ist eine Augenweide und eine Sammlung an Informationen. Habt ihr die Texte selbst verfasst? Wie lange habt ihr an dem Projekt gearbeitet?
Didi: Ja, wir haben die Texte selbst verfasst und dafür über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr recherchiert und geschrieben.
AFL: Auch dem Anspruch „Facetten“ darzustellen werdet ihr gerecht. Vom glühenden NS-Verehrer, der von der Partei enttäuscht wurde, über die Jugendopposition bis hin zu überzeugten Partisanen wird vieles abgedeckt.
Didi: Ja, es war uns wichtig diese Bandbreite darzustellen. Österreich gilt ja als ein Land, wo widerständiges oder revolutionäres Denken und Handeln nicht gerade verbreitet ist, wir wollten das revidieren.
AFL: Ihr habt ein großes Paket geschnürt: Beiheft, CD mit Booklet usw. Es gibt aber auch die Sparvariante auf Bandcamp mit Nachlesen der Biografien auf der Website (hier). Warum war das euch wichtig?
Maren: Das Thema ist so wichtig, dass es so viele Menschen wie möglich ansprechen soll. Daher gibt es die Möglichkeit, das komplette Material online und kostenlos zu hören und zu lesen. Wir haben aber auch sehr viel Wert auf die Gestaltung von Vinyl und CD gelegt. Es sollte ein schönes und umfangreiches Gesamtkunstwerk werden.
AFL: Wie kam das Album bisher an?
Didi: Die Kritiken waren durch die Bank sehr motivierend. Mit dem Verkauf sind wir auch zufrieden, auch wenn wir üblicherweise einen großen Anteil über Konzerte verkaufen, was bis auf wenige Ausnahmen nicht möglich war. Besonders freut uns, dass das Album bei Menschen unterschiedlicher Altersstufen und Musikvorlieben so gut ankommt.
AFL: Zur Corona-Pandemie habt ihr ein Video und eine Single namens Ausnahmezustand veröffentlicht, die aus O-Tönen besteht. Geht mal kurz noch darauf ein.
Maren: Es war ganz am Anfang der Pandemie und es war eine unangenehme, paranoide Stimmung auf der Straße. Die Polizei war übermotiviert und man fühlte sich überall beobachtet. Wir wollten ein Spektrum an verschiedenen Positionen darstellen: die Krisengewinner*innen ebenso wie die Verlierer*innen. Der Song besteht teils aus echten O-Tönen, teils aus erfundenen „O-Tönen“, die wir selbst produziert haben. Wir waren überzeugt, dass der Song in kurzer Zeit nur noch geschichtlich interessant sein würde, deshalb haben wir alles in wenigen Tagen aufgenommen und gefilmt. Nach bald einem Jahr ist er leider immer noch aktuell.
Didi: Der Song soll keineswegs Corona verharmlosen! Mein Bruder arbeitet auf einer COVID19-Intensivstation und deshalb kenne ich die schrecklichen Auswirkungen der Krankheit. Ich habe einfach zu viele Informationen, um Verharmloser oder gar Verleugner zu sein.
AFL: Wie beurteilt ihr die Situation in Österreich jetzt, fast ein Jahr nach Veröffentlichung der Single?
Maren: Viel hat sich nicht geändert. Und doch ist die allgemeine Stimmung deprimierter als beim ersten Lockdown. Das wichtigste Ziel muss es sein, dass möglichst jede*r lebendig, ohne psychische und existentielle Probleme aus der Pandemie kommt. Und dass nicht weiter am Sozial- und Gesundheitssystem gesägt wird, statt endlich die Reichen zur Kasse zu bitten. Wir brauchen sowohl eine aktive Kultur- als auch Gesundheitspolitik.
Didi: Wie in Deutschland gibt es auch bei uns Demos, bei denen einerseits Menschen mit nachvollziehbarer Kritik mitgehen, die offenbar kein anderes Forum dafür finden. Andererseits sind sie auch eine bizarre Mischung aus Esoterik, Verschwörungserzählungen und Rechtsextremismus. Wir finden diese Demonstrationen sinnlos, was wiederum nicht bedeutet, dass wir allen Maßnahmen der Regierung unkritisch gegenüberstehen.
AFL: Ich muss zugeben, eure weiteren Veröffentlichungen sind mir unbekannt und ich hatte leider auch keine Zeit reinzuhören. Vielleicht könnt ihr dazu noch was sagen?
Didi: 2016 und 2017 haben wir drei Online-EPs veröffentlicht, die auf unserem ersten Album „Utopie + Untergang“ gesammelt sind. Man hört eine Band auf der Suche nach ihrem Sound. Es gibt einige unerwartete Abbiegungen und Experimente, aber auch Live-Hits wie „Freie Radikale“ und „Kleine Tiere“, die tanzbar und teilweise poppig sind. 2018 haben wir ein 7“-Vinyl namens „Wenn die Flüsse aufwärts fließen“ veröffentlicht. Textlich ist es ein Rundumschlag gegen den Aufstieg der neuen Rechten und der Verschwörungsmythen.
AFL: Was kann man von euch in naher Zukunft noch erwarten?
Maren: Als nächstes steht die Veröffentlichung unserer Literatur-Vertonungen von Ingeborg Bachmann samt der dazugehörenden Musikvideos an. Da darf mensch schon auf einige Überraschungen gespannt sein. Daneben arbeiten wir an einem neuen Album mit eigenen kritischen und aktuellen Texten. Wir nutzen die Zeit, um mit neuen Klängen und Rhythmen zu experimentieren und unseren eigenen Sound weiterzuentwickeln.
AFL: Danke für das Interview und eure Zeit! Viel Erfolg weiterhin.