Es ist noch nicht lange her, da hatte ich Lionheart beim hauseigenen LHHC Fest in Münster gesehen. Gut drei Monate später verschlägt es die Kalifornier samt buntgemischtem Anhang in die österreichische Bundeshauptstadt. Da man an einem Mittwochabend aber grundsätzlich sowieso nichts besseres zu tun hat (außer vielleicht Bauer sucht Frau zu schauen), konnte man den Weg ins Flex ruhigen Gewissens antreten.
Die Location – Flex
Beim Flex handelt es sich um einen Club, der Anfang der 90er Jahre gegründet wurde und seit 1995 am jetzigen Standpunkt am Donaukanal anzufinden ist. Dort finden regelmäßig Veranstaltungen aller Art statt (Drum and Bass, Techno, Hip Hop, usw.) und hat sich dementsprechend zu einer festen Größe im Wiener Nachtleben etabliert. Offizielle Angaben bezüglich Kapazität konnte ich keine finden, unbestätigte Quellen geben ein Fassungsvermögen von ca. 1000 Personen an. Das kommt mir aber ein bisschen sehr viel vor, da ist wohl das gesamte Areal inkl. Flex Cafe nebenan gemeint. Die Kapazität des Saals, wo das Konzert stattfand, würde ich so auf 300+ schätzen. Ich persönlich war davor erst einmal zu Gast, als Begleitperson bei einem Metalcore Konzert. Daran hatte ich jetzt keine allzu guten Erinnerungen, der Sound war gut, aber der Platz sehr begrenzt, sodass man das ganze Konzert über wie die berühmten Sardinen aneinander gereiht war. Obendrein „genießt“ das Flex bzw. eher die Gegend rundherum, den Ruf als Drogenumschlagplatz. Zumindest war das noch vor ein paar Jahren so, keine Ahnung wie aktuell das noch ist.
Fallbrawl
Zwar lungerte auf dem Weg zur Location schon die ein oder andere dubiose Gestalt herum, Drogen wurden einem heute aber nicht angeboten. Für etwaige Preisdiskussionen war aber ohnehin keine Zeit, der Timetable legte nämlich eine straffe Marschrichtung vor. 18:00 Uhr Einlass, Beginn der ersten Band 18:25 Uhr. Das ist mal eine Ansage für einen Mittwochabend. So kam es auch, dass wir den Beginn von Fallbrawl leider verpasst hatten. Die Truppe aus dem Ruhrpott war ja ebenfalls beim LHHC Fest in Münster vertreten, im Gegensatz zu damals hatten sie heute aber ihre neue Platte Darkness mit im Gepäck. Als wir den Saal erreichten, spielten sie bereits einen Song davon, müsste Welcome To Reality gewesen sein. Auffallend war beim Betreten gleich das lächerliche Absperrgitter. Braucht in dieser Form kein Mensch und auch der einsame Security Mann dahinter hätte heute sicher besseres zu tun gehabt.
Es waren bereits ein paar Schaulustige vor Ort, diese hielten aber noch einen gehörigen Respektabstand zur Bühne. Nur vier motiviertere Jungs an vorderster Front übten sich in den ersten zaghaften Radauktionen des heutigen Abends. Auf die Ohren gab es wie erwartet ballernden Beatdown, mit gehörig Death Metal Akzenten. Vor allem in Form von neuen Songs, wie Darkness oder Helldogs. Bei der letzten Nummer Brotherhood gab es abschließend auch noch die ersten Singalongs. Zwar würde ich ins Freundschaftsbuch meiner kleinen Großcousine noch immer nicht Fallbrawl bei Lieblingsmusik hinein schreiben, aber das war schon ganz gut.
Obey The Brave
Behutsamere Töne gab es im Anschluss bei Obey The Brave, deren Sound irgendwo zwischen Melodic-Hardcore und Metalcore einzuordnen ist. Die Kanadier präsentierten sich in bester Laune und bewiesen mit dem Hochhalten einer Dose Puntigamer Bier auch guten Geschmack auf kulinarischer Ebene. Prost. Zum Anstoßen gab es No Apologies vom aktuellen Album Balance. Zu dem Zeitpunkt war schon mehr los und auch ein erster kleiner Moshpit sorgte für erhöhte Betriebstemperatur. Le Circle Pit dürfte sich in Kanada großer Beliebtheit erfreuen, sodass Frontman Alex bei fast jedem Song dazu aufforderte, man möge doch bitte wie wild geworden im Kreis herum laufen. Die Band zeigte sich jedenfalls äußerst motiviert und legte mit ihren eingängigen Songs einen ansprechenden Auftritt hin. Während ich bei Calme Le Jeu vergeblich versuchte meine längst verblassten Französischkenntnisse aufzufrischen, nahm das kurze Set nach ca. 20 Minuten mit Raise Your Voice ein jähes Ende. Wie gesagt, es war ein straffer Zeitplan vorgegeben.
Kublai Khan TX
Weiter im Takt ging es mit Kublai Khan, die sich neuerdings offiziell Kublai Khan TX nennen. Wieder eine Band, die sich soundtechnisch nicht klar irgendwo einordnen lässt. 50 % Hardcore, 50 % Metalcore, ist ja auch egal, Hauptsache es gibt zu 100 % auf die Mütze. Wie alle Bands des heutigen Abends, haben auch die Texaner erst vor kurzem eine neue Platte veröffentlicht. Mit dem taufrischen Longplayer namens Absolute haben es die Jungs auf meinen persönlichen Radar geschafft, davor kannte ich sie nur vom Hörensagen. Da schien mir aber etwas entgangen zu sein, wie mir nicht nur die Band an sich auf der Bühne bewies, sondern vor allem der wutentbrannte Mob davor. Da wurde eifrig gemosht, während Frontman Nolan seine Pippi Langstrumpf-artigen Zöpfe durch die Gegend rotieren ließ. Vom neuen Album gab es u.a. Boomslang, Self-Destruct und The Truest Love, aber natürlich auch andere Nummern wie The Hammer oder zum Abschluss Antpile. Das war ein ordentliches Brett, kann man sich schon mal geben!
Deez Nuts
Der Abend schritt voran und mit Deez Nuts war nun auch schon wieder die vorletzte Band an der Reihe. An den Australiern scheiden sich die Geister, von den einen geliebt, von den anderen… nicht so sehr geliebt. Auch wenn ich mich eher zur zweiten Kategorie zähle, live waren sie bis jetzt zumindest immer unterhaltsam. Die Location war nun wirklich gut gefüllt, je weiter man nach vorne ging, desto begrenzter wurde der Bewegungsradius. Daher machte man es sich weiter hinten gemütlich, leider mit eingeschränkter Sicht auf die vorderen Reihen. Daher kann ich zum Treiben vor der Bühne wenig berichten.
Das Set eröffneten die Partytiger standesgemäß mit Like There’s No Tomorrow. Die Band zeigte sich spielfreudig, Sänger/Rapper JJ top motiviert und im Saal herrschte eine gute Stimmung. Da gab es nichts auszusetzen. Falls noch jemand schlechte Laune hatte, reichte ein Blick auf die Bühne, von wo einem ein übergroßes Smilie entgegen lächelte. Dies ist auch das Cover zu ihrem jüngsten Output You Got Me Fucked Up. Weitere Songs die ich ausmachen konnte, waren Stay True, I Hustle Everyday und Band Of Brothers, alles Weitere ging über meinen Deez Nuts Horizont. Das Bedürfnis, diesen jetzt zu erweitern, hält sich auch nach der Show weiterhin in Grenzen. Unterhalten wurde man aber dennoch.
Lionheart
Von Partytigern zu Löwenherzen, von Deez Nuts zu Lionheart. Nach etwas Wartezeit betraten im Anschluss nun auch die sehnsüchtig erwarteten Lionheart die Bühne und verließen diese nach dem Soundcheck gleich wieder, um nach einem pompösen Intro wieder zurückzukehren. So viel Zeit muss sein! Wie erwartet wurde nicht lange gefackelt und es wurde vom Start weg ordentlich Gas gegeben. Dies galt sowohl für Band, als auch für Publikum, denn der Pit nahm gut und gerne gleich die Hälfte der Fläche ein. So hatten auch die Leute weiter hinten etwas davon. Eröffnet wurde das Set mit Cali Stomp und es dauerte nicht lange, bis mit Valley of Death die erste Nummer (und zugleich Titeltrack) des kürzlich veröffentlichtem Album zum Besten gegeben wurde.
In weiterer Folge gab es dann noch Burn und Rock Bottom vom neuen Album, Zweiteres musste ohne den Gastpart von Jesse Barnett auskommen. Den hatten Lionheart leider nicht einfliegen lassen, sehr schwach. Die neuen Songs fügten sich nahtlos in die Setlist ein und wurden vom Publikum ebenso gefeiert wie die „alten“. Generell herrschte durchgehend eine gute Stimmung, Lionheart weiß sich eben zu inszenieren und die Leute anzuheizen. Die Jungs aus Kalifornien waren zuletzt vor einem Jahr im Dezember hier im Flex, damals als Vorband von Caliban. Nach Aussage von Sänger Rob wurde das Flex dieses Mal auf explizitem Wunsch als Location ausgesucht.
Zwischendurch wurde immer wieder gescherzt und als es wieder ans Eingemachte ging, kam mit „Open This Fucking Pit Up“ des Öfteren die Aufforderung von der Bühne zur körperlichen Ertüchtigung. Ich weiß nicht ob es diese Ansage nach jeder zweiten Nummer gebraucht hätte, aber geschadet wird es schon nicht haben. Ein tollkühner Held durchbrach währenddessen die vorhin angesprochene Absperrung zur Bühne und markierte den einzigen Stagedive von der Bühne, dies sollte an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben. (Zumindest was ich von weiter hinten mitbekommen habe)
Das Set bretterte mit Songs wie Hail Mary oder Still Bitter Still Cold so vor sich hin, ehe man mit dem Rammstein Cover von Du Hast für etwas musikalische Abwechslung sorgte. Damit kann man im deutschsprachigen Raum eigentlich auch nicht viel falsch machen, was die Textsicherheit der Besucher beweisen sollte. Ein zweites Cover gab es wenig später in Form von (You Gotta) Fight For Your Right (To Party), ehe man mit LHHC den furiosen Schlusspunkt setzte und stimmungstechnisch nochmal alles rausholte.
Fazit
Obwohl das Line Up im Vorfeld bei mir keine allzu großen Jubelstürme auslöste, war es dennoch ein unterhaltsamer Mittwochabend. Über Geschmäcker kann man streiten, live hat aber jede Band in ihrem Rahmen überzeugt. Vor allem Lionheart haben abgeräumt und haben den aktuellen Hype performancetechnisch bestätigt.