Vor ungefähr zwei Monaten erschien das neue Massendefekt-Album Pazifik (Review hier). Die Band hat sich mit dieser Platte nochmal einen großen Schritt nach vorne entwickelt und befindet sich momentan auf „Pazifik-Tour“. Sänger und Gitarrist Sebi fand trotzdem die Zeit, um uns ein paar Fragen zum Album, der Tour, ihrer Beziehung zu Wolfgang Rohde (Ruhe in Frieden), neue, explizite politische Statements und diverse andere Sachen zu sprechen.

AFL: “Echos“ erschien mir als ein wichtiger Moment in eurer Laufbahn. Wie groß war die Motivation, darauf aufzubauen und so schnell das nächste Album zu bringen? Gibt es die Gefahr, sich auf dem Erfolg auszuruhen? 


Sebi: Wir hatten bis zum jetzigen Zeitpunkt immer einen zwei Jahres Plan, was die Veröffentlichung einer neuen Platte angeht. Sind mit Pazifik aber ziemlich an die Grenzen gegangen, zumindest was die Zeitplanung betrifft. Ausruhen tun wir uns eigentlich sehr selten, immer wieder liegt etwas an oder wir planen schon die nächste Sache. Echos war schon ein wichtiger Moment, aber darauf aufzubauen oder anzuknüpfen, war uns egal. Wir fokussieren uns immer auf das, was wir gerade tun und schauen was passiert.

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AFL: Inwiefern seht ihr eine Entwicklung von „Echos“ zu „Pazifik“? Ich selbst würde behaupten, dass ihr euch selbst nicht unbedingt neu erfunden habt, jedoch eure Stärken und das was euch ausmacht perfektioniert habt.

S: Ein unbewusst großer Schritt ist passiert. Noch nie haben wir in ein Album so viel Persönliches gepackt und noch nie waren wir alle am Ende der Aufnahmen so fertig und gestresst, wie bei Pazifik. Mein einziger Plan war, dass die Platte rauer und ein wenig dreckiger werden soll. Und durch den zeitlichen Druck und das ständige Aufeinanderhängen, sind so viele Emotionen und Empfindungen mit eingeflossen, dass es so geworden ist. Vielleicht sind das ja unsere Stärken? Persönlichkeit. Wir wollen auch nicht unbedingt anders klingen, sondern das was wir machen und wonach uns gerade ist, so gut es geht abliefern und hier und da mal ein bisschen was ausprobieren. Es soll aber immer noch nach Massendefekt klingen.

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AFL: Musikalisch erkenne ich einen roten Faden, weswegen das Album sehr gut als ganzes funktioniert. War das ein zufälliger Vorgang oder hattet ihr von vorne herein einen Plan, wie das fertige Album in etwa klingen sollte? 


S: Wir haben nie einen Plan. Ne, dass ist falsch. Wir haben sehr wohl einen Plan, zumindest gehen wir mit fertigen Demos und relativ viel Text ins Studio und sind bereit die Songs aufzunehmen. Dann kommt der Moment, wo alles verworfen wird und wir ziemlich viel umschreiben und umstrukturieren. Ideen fließen ein und der Stress beginnt! Das sind die Momente die Entscheiden wie ein Album dann klingt. Pazifik ist, wie die anderen Platten auch, immer eine Momentaufnahme, die zeigt wie die Band momentan drauf ist und sich fühlt.


AFL: Textlich ist das Album sehr ausgewogen und behandelt viele Themen. Gibt es etwas, was euch davon besonders am Herzen liegt?

S: Mir gefällt das Album als Ganzes sehr, aber wenn man Songs inhaltlich hervorheben müsste sind es „Glanz der Sonne“ und „Zwischen Löwen und Lämmern“. Beim Ersteren haben wir versucht das Thema Depressionen mit viel Feingefühl und so gut es geht zu verarbeiten und beim Zweiten musste mal auf die politische Lage und den Rechtsdruck aufmerksam gemacht werden. Haben wir in den letzten Jahren ein wenig vernachlässigt.

„Ohne Wölli Würde es Massendefekt so nicht geben“

AFL: “Zwischen Löwen und Lämmern“ ist der wohl direkteste politische Song, den ihr je gemacht habt. Zwar habt ihr schon öfters Stellung bezogen, jedoch nie so direkt wie in diesem Lied. Dachtet ihr, dass u.a. nach dieser Bundestagswahl auch ihr ein noch klareres Zeichen setzen wollt?

S: Wir haben grundsätzlich gesagt, wir müssen jetzt mal lauter werden. In den letzten Jahren ist so viel passiert, da kann man nicht still sein. Besonders, wenn es Menschen gibt, die dir zuhören. Man muss niemanden ändern, aber sobald es Leute gibt, die dir zuhören und sind es auch nur eine Hand voll, ist man mittlerweile in der Pflicht etwas zu sagen.

AFL: Von der Bildhaftigkeit lassen die Texte des Albums oft Raum für Interpretationen (abgesehen von „Zwischen Löwen und Lämmern“). Liegt es euch besser so „verklausuliert“ zu schreiben oder ist es eure konkrete Absicht, dass der Hörer die Texte für sich deuten kann? 


S: Ich mag das sehr, wenn der Hörer deine Texte selber deutet. Es ist auch egal, wie es ihn berührt, Hauptsache er verbindet etwas und im besten Falle gibt ihm der Song was. Auch wenn ich evtl. etwas ganz anderes gemeint habe, wenn du in dem Moment einen Song hörst, gehört er dir und bitte lass ihn dir gut tun.


AFL: Der Song „In/die Hölle“ sticht textlich und musikalisch am meisten heraus. Gab es einen konkreten Anlass, dieses Lied zu schreiben? 


S: Nein, Spaß und gute Laune im Studio. Tim (Produzent) hatte da noch diesen Song rumfliegen. Fanden wir geil. Haben die Nummer bearbeitet, Text geschrieben, viel gelacht und fertig. That ́s it!


AFL: “Maschinenmenschen“ erinnert vom Inhalt an dystopische Romane wie „Brave new world“ oder „1984“. Wie kam die Idee zu diesem Lied? 


S: In dem Charlie Chaplin Film „Der große Diktator“ hält er eine großartige, etwa 10 minütige Rede, die das Thema beschreibt. Beeindruckend. Daher die Idee.

Credits: Christian Thiele


AFL: Könntet ihr jetzt schon Lieblingslieder von „Pazifik“ nennen? Oder Songs von denen ihr denkt, sie werden live besonders gut funktionieren?

S: Wir haben jetzt aktuell 7 neue Songs mit ins Set gepackt, wovon einer nicht ganz so gut funktioniert. Aber mal abwarten. Zu meinen Favoriten gehören momentan die drei Video Auskopplungen und In/die Hölle. Aber das ändert sich auch ständig.

„sobald es Leute gibt, die dir zuhören und sind es auch nur eine Hand voll, ist man mittlerweile in der Pflicht etwas zu sagen.“


AFL: Ende des Jahres spielt ihr in der Mitsubishi Electric Halle in eurer Heimatstadt Düsseldorf – eure mit Abstand größte Soloshow bisher. Kostet es Überwindung, so einen großen Schritt zu gehen? Seid ihr nervös?

S: Ja und Ja!! Es ist halt der nächste Schritt, nachdem das Stahlwerk jetzt zwei mal ausverkauft war und wir in Düsseldorf bleiben wollen. Sehr aufregend das Alles. Wir sind sehr gespannt, aber freuen uns auch sehr auf die Nummer.


AFL: Eure Konzerte wurden mit der Zeit immer größer, jedoch passierte dies etwas schleichender als bei anderen Bands. Ihr habt euch quasi von Album zu Album ein Stück vergrößert. Gab es einen Moment, an dem ihr gemerkt habt, dass daraus nun etwas größeres werden kann? Falls ja, wann?

S: Wir machen halt immer weiter, arbeiten daran und sind wirklich fleißig! Schritt für Schritt. Und alles DIY. Ist uns sehr wichtig. Einen konkreten Moment gab es nicht, ich glaube wir sind halt mit den Jahren gewachsen. Klingt jetzt sehr romantisch und kitschig, aber ich glaube wirklich, wenn man ein Ziel vor Augen hat, dieses auch verfolgt und am Ball bleibt, ist alles zu erreichen und wird passieren.


AFL: Ich hab gelesen, dass ein wichtiger Wegbereiter für euch Wolfgang Rohde war, der ehemalige Schlagzeuger der Toten Hosen. Vor ca. 1 1/2 Jahren ist er verstorben. Welche Verbindung hattet ihr zu ihm und welchen Stellenwert hatte er in eurem Werdegang?

S: Wölli war in erster Linie ein Freund, der wie wir auch in Meerbusch gelebt hat. Nach seinem Unfall und dem Ausstieg als Drummer bei den Hosen, wurde die Freundschaft intensiver und man hat gemeinsam einiges aufgebaut. Wir haben unsere ersten Demos bei Wölli aufgenommen, Pläne geschmiedet und er hat uns in der Anfangszeit sehr gepuscht und immer seine Hand über uns gehabt. Ohne Wölli würde es Massendefekt so nicht geben. Ganz klar!


AFL: Gibt es andere wichtige Personen, die ihr als wichtige Wegbegleiter oder Förderer bezeichnen würdet?

S: Da fällt mir spontan Nico und das Concert Team NRW ein, mit denen wir ja auch gemeinsam unser eigenes Label gegründet haben. Mit Nico zusammen haben wir schon Konzerte gemacht, da lief er noch als kleiner Punker durch Oberhausen und es war immer eine freundschaftliche shake hands partnerschaft. Es gibt aber so viele Menschen die uns begleitet haben, uns immer noch unterstützen, die ich garnicht alle aufzählen kann. Bei uns ist es so, bist du einmal in der MD Family, kommst du schwer wieder raus.

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AFL: Es gibt viele erfolgreiche Punkrock – Bands aus Düsseldorf. Vom Erfolg ganz oben stehen natürlich die Broilers und die Toten Hosen. Ich würde euch direkt dahinter einsortieren. Seht ihr euch in so einer Position?

S: Mit den Hosen und den Broilers gebe ich dir recht. Wo wir stehen, weiß ich nicht. Aber wenn Du es sagst haha!


AFL: Inwiefern ist die Musik Zentrum eures Lebens? Könnt ihr davon leben, falls nein, wäre es ein Wunsch?
S: Musik ist bei jedem von uns, mit der Familie, Mittelpunkt und ein großer Teil unseres Lebens. Teilweise wird noch gearbeitet aber davon zu leben ist das Ziel!

Vielen Dank für das Interview!

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