Eigentlich ist es nahezu unmöglich, alle Bands aufzuzählen, in denen Brian Baker im Laufe seiner Karriere gespielt hat: am bekanntesten sind natürlich Bad Religion und Minor Threat, aber auch seine anderen aktuellen Projekte sind extrem spannend. Beach Rats ist vermutlich das aktuellste und setzt sich neben ihm aus Pete Steinkopf und Bryan Keinlen von den Bouncing Souls, Danny Windas von Let It Burn und Ari Katz von Lifetime zusammen.
Im aktuellen Interview erzählt Brian nicht nur, was diese Band einmalig macht, sondern auch wie sie es schaffen, das selbe Feeling zu erzeugen, das sie hatten, als sie Anfang der 80er in ihren ersten Bands gespielt haben und somit nun ein komplett ungezwungenes Album geschaffen haben (Review hier). Er erklärt außerdem, warum Beach Rats wohl nie auf eine richtige Tour gehen werden, warum er einer der ersten Slime-Fans der USA war und mit welchen berühmten Musikern er als nächstes eine Band gründen würde.
AFL: Brian, du spielst in so vielen Bands und hast in deinem Leben schon in so vielen gespielt. Was ist der Unterschied von den Beach Rats im Vergleich zu z.B. Bad Religion oder Fake Names? Können dir Beach Rats etwas bieten, was die anderen nicht können?
Brian Baker: Zu 100%! Der größte Vorteil ist, dass alle meine Freunde von den Beach Rats im Umkreis von einer Meile leben. Wir können also immer dann proben und abhängen, wenn wir es möchten. Es ist also quasi die „easy“ Band. Bei Bad Religion muss viel mehr koordiniert werden, da jeder in einer anderen Stadt lebt. Wenn jetzt jemand aus unserer Heimatstadt New Jersey fragt, ob wir Freitag Abend auf seiner Party auftreten wollen, ist das kein Problem, wenn wir keine anderen Verpflichtungen haben. Genauso war es auch in den 80ern. Die Essenz von Hardcore war damals, ohne Plan einfach dort hin zu gehen, wo die Musik spielte.
AFL: Als du 2018 zur Band gestoßen bist, hatten die anderen schon Überlegungen über die Beach Rats angestellt. Bist du also in eine bereits existierende Band eingestiegen?
Tatsächlich war es so, dass die anderen nur die lose Idee im Kopf hatten, irgendwann eine neue Band zu gründen. Als ich damals nach New Jersey gezogen bin, kannte ich die Jungs von den Bouncing Souls schon für über 30 Jahre. Als sie mir dann jedoch erzählten, dass sie Beach Rats an den Start bringen wollen, war ich sofort dabei. Auf der einen Seite war ich, glaube ich, der letzte Stoß den es brauchte, um die Band definitiv zu gründen und auf der anderen Seite wollte ich schon immer mit genau diesen Typen Musik machen.
„Ich bin eh der Meinung, dass eine Punk-Show nicht länger als 60 Minuten gehen sollte.“
AFL: Bringst du als Mensch und Musiker etwas spezielles mit in die Band, das andere Gitarristen und Songwriter nicht haben?
Für die anderen ist es glaube ich am coolsten, dass ich der Kerl bin, der damals in Minor Threat war.
AFL: Gutes Stichwort. Einer der Kollegen hat im Vorhinein gesagt, dass Minor Threat eines der wichtigsten Vorbilder für Beach Rats ist. Wie fühlt es sich an, in einer Band zu spielen, die extrem stark von einer deiner anderen Bands beeinflusst ist?
Also der größte Vorteil ist vermutlich, dass ich dafür sorgen kann, dass die Songs nicht zu 100% wie die von Minor Threat klingen haha. Tatsächlich gibt es aber auch noch andere Einflüsse neben Minor Threat, die ich als Jugendlicher gar nicht kannte. Da ich aus D.C. komme, waren mir viele Bands der zweiten New York-/New Jersey-Hardcorewelle gänzlich unbekannt – u.a. Lifetime. Ich würde behaupten, dass das neue Album auch deutlich weniger nach Minor Threat klingt als unsere erste EP.
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AFL: Das muss dann ja vermutlich selbst für dich, der wie kaum ein zweiter Hardcore geprägt hat, eine spannende Reise gewesen sein, all diese Bands kennenzulernen.
Auf jeden Fall! Natürlich waren mir damals schon Bands wie Agnostic Front ein Begriff, was jedoch kurz danach kam, war mir bis vor kurzem fremd. Es war ein bisschen wie früher, als mir meine Bandkollegen CD’s von all diesen Hardcore-Bands geliehen haben bevor wir ins Studio gegangen sind.
AFL: Welche Unterschiede gibt es im Songwritingprozess bei Beach Rats im Vergleich zu Bad Religion und Fake Names?
Da gibt es viele. Bei Bad Religion schreibe ich ja gar keine Songs, sondern werde nur im Studio dazu geholt, um die Gitarren einzuspielen. Dort interpretiere ich einfach das, was Greg und Brett in ihren Köpfen haben, weil ich besser Gitarre spielen kann als sie. Bei Fake Names ist es eine stetige Zusammenarbeit zwischen mir und Michael Hampton, den ich seit der ersten Klasse kenne. Dennis von Refused bringt dann seine krassen politischen Texte ein, die er über unsere Popsongs legt. Das ist insgesamt sehr aufwendig und intensiv. Beach Rats dagegen funktionieren komplett anders. Hier gibt es keine Überlegungen ehe man im Proberaum steht. Dort fängt dann einfach einer mit einem Gitarrenriff an, das anschließend als Grundlage dient. Danach wird ohne nachzudenken ein lockerer Part für die Strophe und dann für den Refrain hingelegt. Es ist also Working by Doing. Es wird auch nichts verändert, weil irgendeine Note an irgendeiner Stelle mehr Sinn ergeben würde. Als letztes kommt dann unser Sänger Ari mit den Texten, bei denen wir allerdings im Vorhinein keine Ahnung haben, wovon sie handeln. Erst im Studio beim Einsingen präsentiert er sie uns das erste Mal.
AFL: Das Ganze klingt so wie früher, als ihr eure allerersten Songs in euren früheren Bands geschrieben habt. Ist es schwierig, diesen minimalistischen und unverkopften Ansatz ohne Probleme durchzuziehen. Schließlich könnt ihr mittlerweile alle eure Instrumente spielen und wisst auch, welche Akkorde und Noten sich gut anhören…
Natürlich kann man unsere heutige Art zu spielen nicht mehr ändern. Was ich aber tun kann, ist kein zweites Mal nachzudenken oder einen Akkord zu verändern nur weil ich weiß, dass er dann „korrekter“ klingen würde. Wir reihen die Parts in den Liedern einfach so aneinander, wie sie kommen. Oft ist es sogar so, dass einige Lieder an sich gar keinen Sinn ergeben. Trotzdem lassen wir sie dann so wie sie sind. Dieser simple Ansatz hängt vielleicht aber auch mit den restlichen Plänen der Band zusammen. Wir wollen gar nicht auf Club-Tour gehen. Eigentlich wollen wir nur House Partys und Festivals spielen. Auch das ist deutlich unkomplizierter als in unseren anderen Bands.
AFL: Eure erste EP habt ihr innerhalb von fünf Stunden aufgenommen. Wie lange habt ihr für das Album gebraucht?
Nur ein paar Stunden mehr, weil es mehr Songs waren haha – ich glaube insgesamt waren wir zwölf Stunden im Studio. Tatsächlich nehmen wir alle zusammen auf, um die Frische der Songs zu bewahren. Aber um ganz genau zu bleiben, haben wir am Tag nach den Aufnahmen noch ein paar kleine Änderungen vorgenommen.
„Im Falle von Slime wollten wir ausdrücklich, dass sie uns für zahlreiche Konzerte unterstützen. Ich weiß noch, dass ich 1982 vermutlich der einzige Amerikaner war, der eine CD von Slime Zuhause hatte. Von daher liebe ich diese alten Bands sowieso und Slime sind einfach cool.“
AFL: Du hast im Vorfeld gesagt, dass Beach Rats eine „unperfekte“ Band sind und das auch so bleiben soll. Glaubst du, man kann diesen umperfekten Status irgendwann verlieren, wenn man viel auf Tour ist, die Abläufe untereinander kennt und weiß, was einen als Band ausmacht?
Ich glaube, wir können diesen Status problemlos aufrecht erhalten. Heutzutage wird natürlich sehr viel „perfekte“ Musik rausgebracht, die von Maschinen hergestellt wird. Was mir aber wirklich etwas bedeutet sind die Songs, die ich als Teenager gehört habe, die selbstverständlich alles andere als perfekt waren. Da wir aber keine Maschinen sondern ganz normale Menschen sind, werden wir genauso weitermachen können wie bisher.
AFL: Zwar bist du nicht der Textdichter der Lyrics aber kannst du trotzdem etwas darüber sagen? Habt ihr einen bestimmten thematischen Ansatz? Fake Names sind ja sehr politisch geworden, Bad Religion sowieso…
Ich habe die Texte auf jeden Fall gelesen haha. Tatsächlich gibt es kein Konzept oder sowas. Die Texte handeln einfach vom täglichen Leben Aris. Insgesamt ist er aber eher ein Geschichtenerzähler als ein Aktivist. Das sorgt dafür, dass er dich als Hörer direkt anspricht. Anders als bei Dennis oder Greg Graffin.
AFL: Nachdem die EP damals auf einem anderen Label rauskam, erscheint dieses Album bei Epitaph…
Auch das kam ganz natürlich. Ich habe das Album irgendwann mal Brett Gurewitz vorgespielt, dem es sofort gefallen hat. Er sagte: „Ich würde das Album gerne rausbringen!“ Ich sagte: „Ok, perfekt!“ – So funktionieren unsere Plattendeals haha. Natürlich ist Epitaph eines der größten Indie-Labels der Welt. Nichtsdestotrotz ist es aber auch unsere Familie, die wir alle schon seit Ewigkeiten kennen und lieben. Das Gute an Brett ist, dass er trotzdem nichts rausbringen würde, was ihm selber nicht gefällt, weshalb sein Kompliment eine echte Ehre für mich ist.
AFL: Wie stark ist Epitaph in den ganzen Rest außerhalb der Songs von Beach Rats involviert? Die Promotion, Social Media, etc….
Unser Social Media-Auftritt wird unserer Freundin Christina gemanaged, die allerdings nicht für Epitaph arbeitet. In unserem Fall kümmert sich das Label eigentlich nur darum, dass die Leute von dem Album Wind bekommen und es in allen Formen kriegen können – sei es physisch oder digital. Wenn es um den Look der Band geht, macht das alles unser Bassist Bryan Keinlen von den Bouncing Souls. Selbst die Videos haben wir selbst gedreht, was dem Label natürlich einiges an Arbeit erspart hat. Den Rattenanzug, den man in den Videos sieht, haben wir übrigens selbst gekauft. Der war gar nicht so billig, weshalb ihr ihn auch in den anderen Videos nutzen mussten, damit er sich rentiert haha. Jetzt brauchen wir nur noch jemanden, der das Ding auf der Bühne anzieht haha…
AFL: Wo wir beim Thema live sind. Ich habe ein Konzert von euch aus dem Jahr 2018 vom Riot Fest bei YouTube gesehen, das gerade einmal elf Minuten lang war. Damals hattet ihr natürlich noch nicht so viele Songs aber wie fühlt es sich an, nur elf Minuten auf der Bühne zu stehen? Und wie lange könntet ihr jetzt spielen?
Damals hatten wir ja keine andere Wahl, weil wir nur sechs Songs hatten haha. Ich bin aber eh der Meinung, dass eine Punk-Show nicht länger als 60 Minuten gehen sollte – egal welche Band. Natürlich erwarten die Leute von Bad Religion mehr als eine Stunde Programm, was mich sehr ehrt, mir persönlich reichen als Fan jedoch Shows unter einer Stunde. Jetzt könnten wir mit Beach Rats 25-30 Minuten spielen. Das reicht uns! Auf Festivals ist es eh am coolsten, nach dem Konzert einfach nur abzuhängen. Schließlich gibt es gratis Essen und gute Bands zum anschauen.
AFL: Jetzt mal ein paar Fragen, die etwas off-topic sind. Ich hab dich diesen Sommer zwei Mal mit Bad Religion gesehen – u.a. in Coesfeld zusammen mit Slime. Wie war es, mit einer Band zu spielen, die in Deutschland ähnlich prägend für Punkrock wie Bad Religion in den USA war und ähnlich alt ist? Gleichzeitig plant ihr, im August mit den Dead Kennedys in Oberhausen zu spielen, die ihr natürlich auch schon seit Jahrzehnten kennt (UPDATE: mittlerweile abgesagt)…
Im Falle von Slime wollten wir ausdrücklich, dass sie uns für zahlreiche Konzerte unterstützen. Ich weiß noch, dass ich 1982 vermutlich der einzige Amerikaner war, der eine CD von Slime Zuhause hatte. Von daher liebe ich diese alten Bands sowieso und Slime sind einfach cool. Bei den Dead Kennedys ist es nicht so romantisch. Die wurden, glaube ich, einfach vom Veranstalter auf die Show gebucht, um mehr Karten zu verkaufen. Ich mag die Dead Kennedys. Es war allerdings nicht unsere Idee, mit ihnen zu spielen.
AFL: Welche Bands hörst du aktuell privat?
Momentan viel Sleafod Mods, Amyl & The Sniffers und Suicide Boys. Das ist aber echt eine schwere Frage, weil ich so viel Musik durch Zufall konsumiere. Das meiste kommt durch die Playlist meiner Frau. Das ist mittlerweile mein typischer Weg um an neue Musik zu gelangen.
„Wir wollen gar nicht auf Club-Tour gehen. Eigentlich wollen wir nur House Partys und Festivals spielen. Auch das ist deutlich unkomplizierter als in unseren anderen Bands.“
AFL: Ich vermute einfach mal, dass deine Frau verschiedene Arten von Musik hört. Oder ist sie auch durch und durch Punkrock-Fan?
Auf jeden Fall! Tatsächlich hat sie mit Punk gar nicht so viel zu tun. Sie war früher Goth auf der Highschool haha. Gut, sie mag Bad Religion, weil sie keine andere Wahl hat, insgesamt ist sie jedoch auf einem anderen Film.
AFL: Haben diese verschiedenen Stile Einfluss auf dein Songwriting?
Nein, eigentlich nicht. Allerdings spiele ich einfach nur drauf los, weshalb es sein kann, dass mal das ein oder andere andere Genre einfließt. Das geschieht wenn dann jedoch total unbewusst.
AFL: Eine Abschlussfrage: Während unseres Fake Names-Interview vor zwei Jahren haben wir uns über die Vor- und Nachteile des Begriffs „Supergroup“ unterhalten, der mit Fake Names in Verbindung gebracht wurde. Gibt es Musiker, mit denen du noch nie in einer Band gespielt hast, es jedoch gerne mal tun würdest?
Oh Gott, da gibt es so viele. Sehr gerne würde ich aber mal mit Johnny TwoBags von Social Distortion als Gitarrist, Matt Hock von The Explosion als Sänger, Bill Stevenson als Drummer und Randy von Pennywise als Bassisten zusammen spielen. Das wäre mein Line-Up!
AFL: Klingt nach einer geilen Band!