„FFO: Deafheaven, Alcest…“ steht auf dem kleinen Aufkleber auf der Platte. Muss man das bei dem neuen, zweiten Album von MØL überhaupt noch draufschreiben, fragt sich wahrscheinlich ein oder andere. MØL haben ja bereits mit ihrem Debut Jord einen nicht unerheblichen Eindruck hinterlassen. Für manche hätte der Sticker aber auch „Das Album, das Deafheaven in 2021 hätten machen sollen“ heißen können. Besagte Referenz Band hat nämlich das „Black“ in Blackgaze fast vollständig irgendwo auf dem Entwicklungsweg hinter sich gelassen: MØL nicht; und damit soll es auch gut sein mit dem Vergleichen.
Diorama, so der Titel des neuen Werks, enthält nämlich so viel mehr als den Mix aus Black Metal, Hardcore und Shoegaze. MØL haben keinerlei Respekt vor irgendeiner Genregrenze und schaffen es trotzdem, oder gerade deswegen, ein intensives Gesamtkunstwerk vorzulegen. Nach dem unrühmlichen Ende von Holy Roar Records erscheint das neue Album der Band aus Aarhus, Dänemark, diese Tage auf Nuclear Blast.
Der Opener Fraktur entwickelt sich aus einem ruhigen Post-Rock Intro. Hier bleiben vor allem die immer wieder ins Dissonante verzogenen Gitarrenakkorde in Erinnerung. Das folgende Photophobic, das bereits im Vorfeld als Videosingle veröffentlicht wurde, vereint alles, was MØL ausmacht: Blast Beats in der Strophe, einen unglaublich wuchtigen Metalstampfer und einen fast schon poppig melodiösen Chorus. Anspieltipp!
Die Vocal Range von Kim Song Sternkop ist dabei immens und reicht von Black Metal Gekeife bis zu tiefen Growls. Spoken Word Passagen und Clean Vocals werden gekonnt eingemischt, zum Teil auch mit weiblicher Gastunterstützung.
Diorama bietet 8 Songs in 46 Minuten ohne einen einzigen Ausfall. Highlights gibt es dagegen viele. Vestige ist ein furioser Ritt, der mit einem Punkrock Intro beginnt, bei dem man am liebsten ein herzhaftes „Oi, Oi, Oi“ hinzufügen möchte, über eine Strophe, deren vertrackter Rhythmus auch ohne Probleme bei Counterparts oder Shai Huld eine Heimat hätte, zu einem Ohrwurm Refrain bis hin zu einem ruhigen Post-Rock C-Teil. Der Build-up am Ende von Tvesind kommt mit Gänsehaut Garantie, nur um direkt vom titelgebenden Diorama, dem letzten Stück der Platte, gefolgt zu werden. Das Stück beginnt mit besagtem weiblichen Clean Gesang und steigert sich dann über ein 6 Minuten Crescendo bis zum Ausklingen in die Unendlichkeit.
Auch an der Produktion gibt es nichts auszusetzen. Der Sound ist extrem dicht, aber transparent genug, dass man Becken und einzelne Snarewirbel ohne Probleme heraushört. Ein breites Gitarreneffektboard gibt den einzelnen Passagen zusätzliche Tiefe.
Fazit
Reich an Veröffentlichungen war die Karriere von MØL, immerhin 2013 gegründet, mit zwei EPs und einem Album bisher nicht. Wenn der Nachfolger Diorama dann aber in so beeindruckender Qualität geliefert wird, nimmt man das Warten gerne in Kauf. Puristen werden vermutlich viel zu mäkeln finden: Nicht „black“ genug, zu poppig, zu viel Gekeife, zu viele Clean Vocals, zu wenig Metal… Alle anderen, die mit Blackgaze und angrenzenden Subgenres etwas anfangen können, werden nicht umhin kommen, MØLs Diorama irgendwo in ihren Top 5 des Jahres 2021 zu platzieren.
Tracklist
- Fraktur
- Photophobic
- Serf
- Vestige
- Redacted
- Itinerari
- Tvesind
- Diorama