Nathan Gray / Jesse Barnett EP - Cover (c) Endhits Records

Ich hab mich gerissen um diese Review, auch wenn das eigentlich ganz schön dumm ist. Denn ein Review über eine Platte zu schreiben, an dem nicht ein, sondern gleich zwei Lieblingskünstler beteiligt sind, kann toll sein, wenn die Platte gut ist. Es kann aber auch nach hinten losgehen, wenn die neuen Songs, auf die man so sehnsüchtig gewartet hat, enttäuschen. Soll ja vorkommen.

Aber gut, so hatte ich immerhin die Chance, meine Neugier zu stillen.

Mit der Split EP Nathan Gray / Jesse Barnett gibt Endhits Records beiden Künstlern die Möglichkeit, ein Album zu veröffentlichen, ohne gleich zehn Songs ins Rennen zu schicken. Denn beide sind mit ihren zahlreichen Projekten eigentlich schon komplett ausgelastet. 

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Aber das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit hier. Nathan Gray und auch Jesse Barnett schaffen es mit ihrer ruhigeren Seite mindestens genauso zu überzeugen, wie als Frontmänner in ihren Hauptbands (Boysetsfire und Stick To Your Guns), in denen sie sich eher die Seele aus dem Leib schreien, statt singen.

Beginnen wir mit Nathan Gray, der ebenso wie Jesse Barnett drei Songs zur Split EP beisteuert. Aufgenommen hat er die Songs mit Pete Steinkopf von The Bouncing Souls in New York.

Die Songs sind anders als auf dem Vorgänger Album Feral Hymns umfangreich instrumentiert – mit Stimmeffekten, Piano, Schlagzeug und und und. Das hier ist eigentlich schon kein Soloprojekt mehr, auch wenn die Songs natürlich aus Nathan’s Feder stammen und von seiner Stimme und den nachdenklichen Lyrics leben.

Den ersten Song Enough hatte Nathan bereits im November 2018 auf seiner kurzen Solotour vorgestellt und ich war damals ehrlich gesagt nicht so überzeugt. Aber der Song ist gewachsen, nicht zuletzt durch die Band. Der Song handelt von der Reinigung von allen belastenden Faktoren, die Nathan Gray noch immer umgeben.

Wen Enough noch nicht vollständig überzeugt, weil der Song eventuell zu sehr wie ein Medley aus Nathan’s vorherigen Projekten klingt, der dürfte durch Song No. 2, Find me, überzeugt werden. Spätestens mit dem einsetzenden Schlagzeug zieht einen der Song in seinen Bann. Das ist feinster Pop, aber eben mit der bekannten Portion Leiden, Reflektieren, Kämpfen und alles geben, sich selbst finden und die beste Version seiner Selbst werden. Dieses Hinfallen – Wieder aufstehen – Krone richten und über sich hinauswachsen, diese Ehrlichkeit und Reflektiertheit, die man so nur bei Nathan Gray findet, zieht sich durch alle drei Songs. Unterstützt wird er dabei nicht nur von Klavier, Streichern und einem mächtigen Chorus, sondern auch durch seinen Freund Chuck Ragan, der mit seiner rauen Stimme im Hintergrund für noch mehr Emotionen sorgt.

„Take my heart and let it bleed“

Song No. 3, Brighter, legt noch eine Schippe drauf. So rockig kennt man Nathan schon gar nicht mehr. Am ehesten erinnert der Song an seinen Nathan Gray Collective Stil.

„Von allen Songs auf der EP ist Brighter derjenige, der die größte Transformation erfahren hat und in dem sich am meisten dessen spiegelt, was künftig meinen Sound ausmachen wird“, erklärt Nathan. Damit gibt er einen ersten Ausblick darauf, wie seine kommende LP klingen wird, die schon in Produktion ist.

Die drei Songs sind eine gute Mischung aus all seinen bisherigen Solowerken, beziehungsweise die logische Folge daraus. Hier hat jeder Ton und jeder Break eine Bedeutung und die Texte sind natürlich packend wie eh und je. Nathan Gray’s eindringlich-eindrucksvolle Stimme und die unglaublich schönen Melodien überzeugen wie gewohnt und wirken durch die umfangreiche Instrumentierung und zweistimmigen Gesang noch epischer.

Den Weg, den Nathan Gray seit ein paar Jahren geht, hin zu einem besseren Musiker und Menschen, seine „Weisheit“ und seine Message von „Light & Love“, all das findet in diesen drei Liedern seinen Höhepunkt, auch wenn man das schon beim Vorgänger Feral Hymns gedacht hat. Das hier ist noch einmal eine Steigerung. Man hört die Erlösung heraus, die er seit dem Start seiner „Reise“ erfahren hat.

Ich bin enttäuscht, dass das Ganze nach drei Songs schon vorbei ist und kann kaum erwarten die Songs live zu hören, denn auf der Bühne adelt Nathan seine Songs immer noch einmal mehr durch seine Nahbarkeit, Emotionalität und seinen Witz.


Part zwei: Jesse Barnett.

Der Frontman von Stick To Your Guns, hat mit Trade Wind bereits gezeigt, dass er auch ruhigere Töne anschlagen kann. Mit seinem reinen Soloprojekt setzt er seine Füße nun noch konsequenter in die Akustik-Richtung und zeigt sich dabei nicht wie sonst von seiner frustrierten Seite. Hier gibt die Liebe den Ton an.

„Hang your love on everything.“ 

Wesentlich reduzierter als Nathan Gray, setzt Jesse Barnett überwiegend auf seine Gitarre, eine sanfte Stimme und ein paar Soundeffekte und zarte Piano Klänge hier und da. Mehr braucht es auch nicht, um eine verträumte Stimmung zu erzeugen. Dabei klingt das Ganz nicht kitschig oder weinerlich.

Man merkt den sanften Akustik Songs an, welche Vorbilder auf Jesse Barnett  Einfluss haben. Die Spielart und auch die Stimme erinnern unter anderem an Nick Drake und José Gonzales. Und trotzdem klingt es nach ihm: selbstbewusst und nachdenklich.

Die Songs handeln von der Liebe, von Suchen, Finden und Verlieren.

Song 1, Amsterdam, handelt von einer entschleunigenden Reise, die Barnett zusammen mit seiner Frau Savannah hatte und die ihm gezeigt hat, wie wichtig es ist, einfach mal das Tempo rauszunehmen – etwas, was dem Stick To Your Guns Frontman, sonst sehr schwer fällt.

Mein Lieblingssong auf dieser Platte ist Hang Your Love, den Jesse Barnett seiner Frau gewidmet hat. „Sie ist der beste Mensch, den ich kenne! Sie liebt alles. Sie sieht in Menschen stets das Gute und trägt eine ständige Begeisterung in sich. Wir sind darin sehr unterschiedlich. Sie macht mich einfach besser!“

Song No. 3 – Stay With Me, blickt wehmütig auf eine vergangene Beziehung zurück und ist ein wunderbar-verträumter Ausklang.

Hiermit hat Jesse Barnett noch mehr seinen eigen Stil gefunden. Allein schon das Songwriting ist wahnsinnig gut. Kein Strophe – Refrain – Strophe – Bridge -Refrain – Muster. Die Songs fließen ganz natürlich vor sich hin und wirken dadurch einfach rund und ehrlich. Die Spoken Words und die reduzierte aber ausgefeilte Instrumentierung zeigen, dass Jesse Barnett wirklich alles in diese Songs gesteckt hat, um eine Geschichte zu erzählen und eine Stimmung zu erzeugen. Ich bin überrascht von der wandelbaren Stimme, die die tiefen Töne ebenso beherrscht wie die hohen.

Das hier ist nicht einfach nur ein Side Project, das ist wirklich großes Können. Bleibt zu hoffen, dass da bald mehr kommt und dass die Songs durch Jesses verpeilt-sympathische Art noch einmal mehr an Tiefe und Charakter gewinnen.

Tracklist

  1. Nathan Gray – Enough
  2. Nathan Gray – Find me
  3. Nathan Gray – Brighter
  4. Jesse Barnett – Amsterdam
  5. Jesse Barnett – Hang Your Love
  6. Jesse Barnett – Stay With Me

Die Split-EP erscheint am 16.08.2019 auf CD (limiterter Digipack mit Lackverschnörkelung), digital und als limitierte Vinyl-Version (vier verschiedene Varianten, vorbestellbar auf www.endhitsrecords.com )

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– Playlist: Happy Release Day

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