PETROL GIRLS im Interview über Sexismus im Hardcore-Punk

Interview mit der "feministischen Post-Hardcore" Band Petrol Girls über Sexismus in der Hardcore-Punk Szene.

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Petrol Girls ist eine im Jahr 2013 in London gegründete Punk-Band, die Sexismus den Kampf angesagt hat. Dieser beginnt laut Band schon in der eigenen Szene, die selbst vorgibt tolerant und progressiv zu sein, aber oft genau das Gegenteil der Fall ist. Wir erfuhren im Interview mit Petrol Girls mehr über ihren Antrieb, den Problemen innerhalb der Szene und was für sie der Grund ist, weshalb Hardcore-Punk heute immer noch so männerdominiert ist.

Es ist keine Herausforderung Songs gegen Kapitalismus und Faschismus zu singen. Bei Sexismus ist da schon etwas anderes.

Petrol Girls im Interview

Petrol Girls
Petrol Girls

AFL: Hey, wie geht es euch? Könnt ihr euch, für alle die PETROL GIRLS bisher noch nicht kennen, erst einmal vorstellen?

Joe: Hey! Uns geht es super, danke! PETROL GIRLS sind Ren (Gesang), Joe (Gitarre), Liepa (Bass) und Zock (Schlagzeug). Wir haben uns vor knapp vier Jahren in London gegründet. Liepa und Zock leben heute in Graz in Österreich. Wir spielen ziemlich technischen, hochenergischen feministischen Punk-Rock und wir versuchen so viel wie möglich live aufzutreten. Auch wenn gerade das aufgrund der Wohnsituation in zwei verschiedenen Ländern manchmal ein wenig heikel ist!

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AFL: Ihr beschreibt euch selbst als “feministische Post-Hardcore Band”. Weshalb ist für euch der Zusatz „feministisch“ so von Bedeutung?

Ren: Wir haben mit PETROL GIRLS unsere erste Show am internationalen Frauentag gespielt, die ich organisierte und haben deshalb einen feministischen Kontext gebraucht, um uns wirklich sicher zu sein das ganze Projekt auch zu starten. Wir hatten davor zwei Bandproben und spielen an den Tag zwei Songs. Wir waren zwar richtig Scheiße, aber es war trotzdem einfach super! Man denke nur an die ganzen Sachen auf YouTube! Wir waren als Musiker zu Beginn wirklich total unbeholfen, aber der Feminismus ist dabei trotzdem im Mittelpunkt unserer Politik geblieben. Wir sind sicherlich auch nicht die erste Band, die sich im Hardcore und Punk-Rock Feminismus auf die Fahne schreibt. Zu Beginn von PETROL GIRLS mussten wir einfach richtig aggressive Musik machen, um gegen den Sexismus innerhalb der Szene vorzugehen, in der ich mich dazugehörig fühlte.

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Der erste Auftritt der Petrol Girls

Joe: Die Punk-Community, die oft vorgibt und darauf stolz ist progressiv und radikal zu sein, hat eigentlich echte Probleme mit sexistischen Verhalten, sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen, ohne dass dies überhaupt wahrgenommen wird. Feminismus ist immer noch ein ziemlich umstrittenes Thema innerhalb der Szene. Wir haben den Zusatz deshalb in unserer Beschreibung genommen, um unapologetisch zu sein und sich nicht für etwas rechtfertigen zu müssen. Es ist keine Herausforderung Songs gegen Kapitalismus und Faschismus zu singen, weil bei diesen Themen jede/r im Publikum übereinstimmt. Sexismus ist da schon etwas anderes. Das Problem ist in der Szene noch tief verwurzelt. Wir sind alle fähig uns sexistisch zu verhalten, ohne es dabei oft selbst zu realisieren.

Ren: So sieht es aus! Mich langweilt es eigentlich total darüber zu reden, aber ich habe einfach das Gefühl, dass ich einfach darüber reden muss. Nach fast jeder Show von uns, habe ich mich mit meist Frauen gesprochen, die Opfer sexuellen Missbrauchs, Angriffen oder gar Vergewaltigungen waren. Oft sogar von jemanden, der selbst vorgibt Teil unserer Szene zu sein. Das macht mich so verdammt wütend, dass ich darüber reden muss. Punk-Rock sollte eine sichere Gemeinschaft sein, indem jeder dafür Kraft gewinnen kann, um gemeinsam gegen den ganzen politischen Scheiß, der da draußen abläuft zu kämpfen. Trotzdem gehen leider trotzdem 90 Prozent meiner Energie dafür drauf Punk zu einem sicheren Ort zu machen. Einen sicheren Ort nicht nur für Männer!

Während einer Show hat ein Typ zu mir gesagt, dass ich die Fresse halten soll. Der Kerl wurde daraufhin von einigen Frauen aus dem Publikum verschlagen.

AFL: Ist das für euch auch der Grund weshalb es in der Hardcore-Punk Szene so viel mehr Männer als Frauen gibt. Oder was sind eurer Meinung nach die Gründe, weshalb die Szene so männerdominiert ist?

Ren: Klar ist die Szene männerdominiert, aber das ändert sich mit der Zeit mehr und mehr. Ich bin auch der Meinung, dass Frauen, Trans- und Nicht-Binäre Menschen schon von Beginn des Punks Teil der Szene waren. Es ist den Menschen einfach nicht so bewusst. Dass die Szene trotzdem so viele Männer hat, hat nicht nur einen Ursache, sondern mehrere Gründe. Ich denke ein maßgeblicher Grund dafür ist, dass wir in der Lage sein müssen, uns selbst auf der Bühne als Teil einer Band zu sehen. Ich selbst musste auch erst andere Frauen auf der Bühne sehen, bevor ich mir selbst vorstellte konnte, Sängerin einer Band zu sein.

Female-Fronted Hardcore und Punk-Rock Bands

AFL: Was kann den eurer Meinung getan werden, um das Problem zu lösen?

Ren: Ich denke das Problem beginnt mit Männern, die denken, dass ihnen alles gehört.

AFL: Gab es den schon einmal auf einer eurer Shows negative Vorfälle oder fühlt ihr euch anders behandelt, weil ihr für Frauen Stellung bezieht und selbst ein Teil der Band weiblich ist?  Oder kommt das beim gewöhnlich Publikum gut an und ihr fühlt euch auf den Shows immer sicher?

Ren: Eine Sache, dir mir sofort einfällt ist, dass Liepa vor irgendeinen Trottel mit einer Kamera rumkriechen sollte. Unsere Kumpel Marcela hat sich den Typ dann vorgeknöpft und wir haben seine Kamera kaputt gemacht. Dann hatte mir ein Typ einmal während einer Ansage gesagt, dass ich die Fresse halten soll. Der Kerl wurde daraufhin von einigen Frauen aus dem Publikum verschlagen. Ich bekam auch schon von einigen Typen gesagt, dass ich meinen Schlüpfer ausziehen soll, aber das ist bei einer engen Jeanshose gar nicht so einfach. Meistens ist aber alles gut und es gibt keine Macho-Sprüche. Es kommen nach der Show oft einige Jungs zu Liepa und mir und reden so, als hätten sie von uns nicht wirklich hohe Erwartungen, was ich zugegebenermaßen nur lustig finde.

Ich muss nach den Shows von uns oft sehr viel emotionale Arbeit leisten und unterhalte mich mit Leuten über sexuelle Gewalt und geistige Gesundheit. Ich bin mir nicht sicher, ob das genau so wäre, wenn ich ein Mann wäre.

AFL: Wie kam eigentlich die Idee zu den Name PETROL GIRLS und was steht genau dahinter?

Ren: Ich ging zu einem Vortrag der Schriftstellerin Laurie Penny. Sie startete den Vortrag mit Les Petroleuses. Es handelte von mystischen Frauen aus der Pariser Kommune, die sich gegen traditionelle Geschlechternormen wehrten und  angeblich private Eigentumshäuser mit Molotov-Cocktails anzündeten. Sie hatte das Szenario einfach mit PETROL GIRLS übersetzt. Das schien für mich ein solider Bandname zu sein.

AFL: Ihr habt im November 2016 euer neues Album “Talk Of Violence“ veröffentlicht und dafür auch jede Menge gutes Feedback bekommen. Was genau sind den euere musikalischen Einflüsse und wie würdet ihr die Platte selbst beschreiben?

Joe: Ich würde das Album al ein unaufhörliches Speerfeuer aus zackigen Riffs und wütenden Gebrülle bezeichnen. Es kann eventuell ein wenig anstrengend zu sein, das Album komplett durchzuhören, weil es durchweg sehr intensiv ist. Ich finde das auf eine Art und Weise sehr cool und ich denke es passt auch noch, weil das Album mit 30 Minuten nicht all zu lang ist. Die Songs live zu spielen ist für Ren’s Stimme auch nicht ganz leicht, da sie nie wenig Zeit hat Luft zu holen.

Auf deine Frage zu den musikalischen Einflüssen würde ich sagen, dass wir einfach nach uns klingen. Während Ren und Zock viel Punk-Musik hören, hören Liepa und ich auch viel andere Sachen. PETROL GIRLS ist also auf eine gewisse Art Punk, aber dann auch wieder nicht, da auch andere Stile mit einfließen.

AFL: Habt ihr denn Pläne in diesem Jahr noch eine neues Release zu veröffentlichen?

Joe: Nein, leider nicht! Wir haben momentan nicht das Material dazu. Wir haben vor, so schnell wie möglich ein neues Album zu veröffentlichen, aber das wir momentan in verschiedenen Ländern wohnen macht das Schreiben von neuer Musik nicht immer einfach und bremst uns ein wenig aus. Auch wenn wir mit PETROL GIRLS den Plan haben schnellstmöglich alle nach Österreich zu ziehen, gibt es für 2017 keine Chance für ein neues Album. Wir hoffen jedoch darauf, dass wir Ende des Jahres oder Anfang 2018 eine neue EP herausbringen können.

AFL: Zwischen den 26. und 28. April geht es für euch gemeinsam mit STRIKE ANYWHERE auf Tour. Für euch nicht die erste Tour und sicher auch nicht die letzte. Was mögt ihr denn am Tour-Leben und was eher weniger?

Joe: Es ist natürlich cool neue Menschen kennen zu lernen und Orte zu bereitsen an denen man davor noch nie war. Das ist definitiv der lustige Teil auf Tour. Es macht auch immer richtig Spaß gut besuchte, energiereiche Shows zu spielen. Es bedeutet uns immer sehr viel, wenn die Zuschauer im Club bleiben, um uns zuzusehen, was in Europa auch oft der Fall ist. Die Leute sind dort wirklich sehr gastfreundlich und das Essen ist großartig. Der beschissenste Teil auf Tour ist denke ich die oft langen Fahrten.

Ren: Also ich persönlich liebe die Zeit im Van!

AFL: Wenn ihr eine Band aussuchen könntet mit der es für euch auf Tour geht, wen würdet ihr wählen und wo würde die Tour stattfinden?

Joe: Wir hatten das Glück vergangenes Jahr mit REFUSED in Wien zu spielen und es war einfach eine unglaubliche Show. Wir sind alle große Fans von ihrer Musik und es wäre wirklich unglaublich mit ihnen auf Tour zu gehen. Ich würde es lieben auf Japan oder Südamerika auf Tour zu gehen. Ich weiß nicht ob REFUSED dort viele Fans hat – wir sicher nicht!

AFL: Danke euch für das Interview. Die letzten Worte gehen raus an euch!

Ren: DON’T TRY AND FUCK PEOPLE WHEN THEY’RE SLEEPING, OR TOO DRUNK OR FUCKED UP ON DRUGS. If someone says no, respect that. Get explicit consent – an enthusiastic YES – every fucking time.

Petrol Girls auf Tour mit Strike Anywhere

26.04.17 – Hamburg, Hafenklang
27.04.17 – Zwiesel, Jugendcafe
28.04.17 – Saarwellingen, Flexibel
05.05.17 – Dortmund, FZW (Visions Party)*

* ohne Strike Anywhere

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