Radio Havanna befinden sich momentan auf Tour zu ihrem neuen Album Utopia (Review hier). Das Album war erstmalig in den Charts, viele Konzerte sind ausverkauft und die Band hat ihr eigenes Label gegründet – es könnte also kaum besser laufen. Vor dem Konzert in Düsseldorf nahmen sich Sänger Fichte, Gitarrist Arni und Drummer Anfy Zeit, um über viele Themen zu reden.

Vor 3 1/2 Monaten kam euer neues Album Utopia raus. Wie war diese Zeit bisher?
Arni: Gut. Jetzt ist es ja der angenehme Teil, weil wir die Tour spielen. Davor ist es für eine Band immer anstrengend, da man mit vielen Leuten über die Platte reden muss. Man muss fast schon arbeiten. Wir hatten natürlich auch viel Arbeit, weil wir unser eigenes Label gegründet haben. Dadurch war vieles neu und es gab eine Menge zu tun. Am Ende war das aber auch sehr geil, da wir alles selbst bestimmen konnten.

Ihr seid mit dem Album dann auch in die Charts gekommen – das erste mal in eurer Karriere. Was habt ihr euch gedacht, als ihr gehört habt, dass Utopia auf Platz 54 gelandet ist?
A: Ich fand es schon irgendwie krass, für mich ist die Zahl aber auch sehr abstrakt. Wir haben dazu auch erstmal nichts gepostet, jedoch haben uns dann an diesem Freitagnachmittag so viele Nachrichten mit Gratulationen erreicht. Dann haben wir auch was dazu geschrieben. Dennoch war es für mich abstrakt – ich hab‘s aber trotzdem meiner Oma geschickt.

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In dem Zeitraum passend habt ihr euer 500. Konzert gespielt. Wie fühlt man sich als Band, die schon 500 mal auf der Bühne stand?
Fichte: Ziemlich alt und ziemlich verbraucht. Weißt du, bei 500 Shows hast du schon 1.500 Bier getrunken.

Das sind ja nur drei Bier pro Konzert…
A: Da könntest du doch nen höheren Schnitt haben.
F: Stimmt, dann sind es 10.000.

War das 500. Konzert auch euer bestes Konzert?
A: Von uns aus überhaupt nicht. Die Leute waren zwar toll drauf und es war ein unfassbarer Hexenkessel, aber wir hätten vielleicht noch ein bisschen besser sein können.

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Lasst uns über das Album sprechen: Meiner Meinung nach ist der Sound noch ein Stück fetter und besser ausproduziert als auf den Vorgängern. Stimmt ihr dem zu?
F: Das war die Hoffnung.
A: Ja, das wollten wir schon erreichen. Dementsprechend haben wir auch aufgenommen. Produziert hat das unser Schlagzeuger und wir haben in dem Prozess alles selbst gemacht. So konnten wir viele Vorstellungen besser umsetzten, da wir nicht so viele Absprachewege hatten, wie wenn man es auf einem fremden Label rausbringt.

Der Titeltrack eröffnet das Album und erinnert mich vom Inhalt her etwas an „Hurra die Welt geht unter“ von K.I.Z. Seht ihr das ähnlich, dass ihr da etwas in diese Kärbe einschlagt?
A: Es geht ja um eine Traumwelt, eine Utopie. Wir haben da einen verträumteren Ansatz und den Inhalt in die Radio Havanna-Welt reingeholt. Wir sind ja auch keine satirische Band, obwohl wir K.I.Z. auch sehr geil finden.

„Wir hatten in unserem Büro einen Brief mit Morddrohung erhalten.“

Ein Lied das viele Leute bestimmt spaltet, ist „Schwarzfahrer“. Ich denke, dass man dieses Lied entweder richtig gut oder richtig schlecht findet. Habt ihr schon Reaktionen in diese Richtung bekommen?
Anfy: Leute spalten ist unser Ding haha.
F: Manche finden das nicht so gut, die wollen für Nahverkehr weiterhin richtig viel Geld zahlen haha.
Anfy: Komischerweise finden das die Leute scheiße, die bei der BVG arbeiten.
A: Also Spaß bei Seite, ich denke auch, dass das ein Lied war, das die Leute etwas gespalten hat. Das ist aber auch ganz gut.
F: Ich glaube, Live funktioniert er auch deutlich besser.
A: Da ist das Lied auch lustiger.

Was sagt ihr dazu, dass manche Leute euch vorwerfen, ihr würdet sehr poppigen „Stadion-Punk“ alla Die Toten Hosen spielen?
F: Wir finden sowas gut. Wir sagen ja selber, dass wir im Midtempo des Lebens angekommen sind haha. Früher konnten wir das so wahrscheinlich noch nicht umsetzen, aber jetzt klappt das.
A: Ich nehm das jetzt auch nicht so negativ war, für mich ist das ja gut gemachte Musik.
F: Deswegen sind wir auch heute im Tube, da gibt‘s richtige Stadionatmosphere.

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Ein anderer Song über den viel geredet wird ist „Homophobes Arschloch“. Man munkelt ja, dass wegen dem Lied, und „Hurensohn Mannheims“, der Deal mit anderen, größeren Labels nicht zu Stande gekommen ist. Was war da genau los?
A: Als die Platte langsam fertig wurde, hatten wir im Vorfeld Gespräche mit drei relevanten Plattenfirmen. Das waren alles sehr absurde Gespräche, die darin gipfelten, dass ein A&R gesagt hat, dass „Homophobes Arschloch“ nicht auf die Platte kommt. Wir dachten dann, dass wenn Leute so ein Problem mit einem klaren Anti-Homophobie-Statement haben, gehören wir da einfach nicht hin.
F: Wenn du „Hurensohn Mannheims“ rausbringst und Xavier Naidoo disst – begründet disst, – ist das ähnlich. Obwohl Hip-Hopper den ganzen Tag nichts anderes machen.

Zeitgleich hatte Jan Böhmermann einen Beitrag mit dem selben Titel gemacht. Was hattet ihr euch dabei gedacht, als ihr davon erfahren habt?
F: Vom Timing her war das natürlich etwas schwierig, dieses Lied hatten wir aber schon seit 1 1/2 Jahren rumliegen. Als wir dann das Video abgedreht hatten und nach Hause gekommen sind, haben wir von dem Böhmermann-Ding gehört. Das war sozusagen eine Katastrophe.
A: Dafür gab es allerdings keine Kritik, da die meisten Leute schon gemerkt haben, dass eine Band so ein Lied schon vorher geschrieben hat.

Hattet ihr bei dem Lied mit vielen Anfeindungen zu kämpfen?
F: Es gab schon einen kleinen Shitstorm. Das fühlt sich zu erst komisch an, da die Leute, die diese Hassnachrichten schreiben, immer viel schneller sind als die, denen es gut gefällt. Noch krasser war das aber bei „Faust hoch“.
A: Da kamen dann die ganzen AfD-Spacken, die krasse Hetze machen. Als wir dann die Kampagne dazu gemacht hatten, hatten wir auch im Büro einen Brief mit Morddrohung bekommen.

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Du meintest gerade, dass die Gespräche mit den Labels ohnehin schon schwierig waren. Hättet ihr die Platte trotzdem bei einem davon rausgebracht, wenn sie die beiden Songs durchgewunken hätten?
A: Naja ich denke, es hätte dann viele weitere Streitpunkte gegeben. Im Nachhinein ist man ja immer schlauer und das mit dem eigenen Label war schon die beste Idee. Zwischendurch hatten wir zwar schon manchmal das Gefühl, dass es wirklich schwierig wird, da man wahnsinnig viel Arbeit hat und auch das ganze Geld vorstrecken muss. Es hat sich aber gelohnt. Und der große Vorteil ist, dass man Dinge kurz beschließen kann.

Hat es euch denn viel Überwindung gekostet, letzten Endes das eigene Label zu gründen? Das ist für eine Band ja bestimmt ein großer Schritt…
A: Schon. Jedoch waren wir irgendwann an einem Punkt, an dem es so anstrengend war, mit diesen Labels zu sprechen. Teilweise kamen A&R‘s drei Jahre zu unseren Konzerten und wir haben ewig mit denen gesprochen, dass es echt eine Menge Zeit gekostet hat. Irgendwann hat dann jemand gefragt, ob wir nicht unser eigenes Label gründen sollen? Da waren wir alle sehr erleichtert.

Passend zur Bundestagswahl habt ihr die Kampagne „Faust hoch“ gegründet. Ich denke da im Vergleich immer an „Kein Bock auf Nazis“. Wie läuft es seitdem damit?
A: Ehrlich gesagt haben wir damals nur bis zur Wahl gedacht, aber die Wahlen waren ja absolut verheerend was die AfD angeht. Da war uns dann schon klar, dass wir das weiter machen müssen. Es haben auch viele Musiker mitgemacht, die es gut finden, dass es da nochmal eine konkrete Kampagne gibt. Wir haben aber auch gemerkt, dass das Organisieren davon richtig viel Arbeit ist. Es ist uns aber auch sehr wichtig und wir wollen das unbedingt weiter machen.

Credits: Viktor Schanz

Was ich bei euch immer spannend fand, sind die Lieder mit anderen Künstlern. Zum einen mit Justin Sane von Anti-Flag, zum anderen das Operation Ivy-Cover von „Knowledge“ mit Jim Lindberg von Pennywise. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Jim Lindberg, der damals ja auch nicht bei Pennywise war?
A: Er war da frisch ausgestiegen, aber mit seiner anderen Band Black Pacific auf Tour. Er war in Berlin und wir hatten die Idee, „Knowledge“ nochmal neu aufzunehmen. Wir hatten nicht gedacht, dass das klappt, aber einfach mal gefragt. Für uns war es dann aber total geil, das mit Jim Lindberg zu machen. Ich hab früher auch viel Pennywise gehört und er ist für mich quasi ein Held der Jugend. Es war auch eine sehr nette Begegnung mit ihm – super Typ. Er hat sich am Vorabend beim skaten zwei Rippen gebrochen und dann so eingesungen.

Pflegt ihr denn noch Kontakt zu ihm und zu Justin Sane?
F: Mit Anti-Flag schon, die haben auch was zu unserer Platte geschrieben, als wir die ihnen geschickt haben. Mit denen haben wir auch ein bisschen privaten Austausch.
A: Mit Jim Lindberg aber jetzt nicht unbedingt. Das hat sich einfach nicht so ergeben.

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Lasst uns zum Abschluss ein paar Entweder-, Oder-Fragen durchgehen.
A: Alles klar.

Ihr habt euch nach einem Rancid-Song benannt. Welches Rancid-Album findet ihr also besser: …And Out Come The Wolves oder Let‘s Go?
Alle: …And Out Come The Wolves.

Pennywise oder Anti-Flag?
F: Aufgrund des privaten Kontaktes Anti-Flag.

Bad Religion oder NoFX?
Anfy: NoFX.
A: NoFX.
F: Bad Religion.

Lauter Zweifel, Unsere Stadt brennt oder Alerta?
Alle: Alerta.

Meine persönlichen Lieblingslieder auf Utopia: „Faust hoch“ oder „Utopia“?
F: Schwierig, ich nehme „Faust hoch“.
A: Ich wäre bei „Utopia“.

Danke euch! Habt ihr letzte Worte?
F: Hört mehr Punkrock und weniger Hardcore haha!
A: Gute letzte Worte.

 

Lest unsere Hardcore History mit Radio Havanna-Sänger Fichte hier!

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– Playlist: Happy Release Day

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