Riverhead aus Dänemark veröffentlichen am 28.04.2023 über Sound of Subterrania ihr zweites Album Cancer. Doch vieles ist anders als noch beim ersten Album von 2018. Denn 2018 verließ ihr bisheriger Sänger Jonas Pedersen die Band und die vergebliche Suche nach einem Frontmann folgte. Die Pandemie kam noch dazu und so dann auch der Beschluss der restlichen drei Bandmitglieder bei ihrem Freund und Produzenten Jacob Bredahl vorerst Instrumentalstücke aufzunehmen. Bei den Arbeiten an den Aufnahmen entwickelte sich etwas Spannendes und so war in ihm unerwartet auch der neue Sänger von Riverhead gefunden. Als das Album nahezu fertig war, wurde bei ihm allerdings Krebs diagnostiziert und das stellte natürlich alles auf den Kopf. Der gemeinsame Kampf der Freunde ums Überleben hat sich im weiteren Aufnahmeprozess und somit im Album selbst niedergeschlagen. Riverhead richten den Blick nach Innen und beschäftigen sich intensiv mit dem Leben, dem Tod und dem Überlebenskampf.
Musikalischer Background aus Hardcore und Metal
Viele Songs handelten bereits vor der Diagnose mit ähnlich düsteren Themen. Alle vier Musiker haben einen musikalischen Background aus dem Hardcore und Metal, der deutlich zu spüren ist. Ihr neuer Sound ist rauer und melodischer Rock – ehrlich, emotional und zerbrechlich. Die Schublade Post-Hardcore mögen sie selbst nicht so gern, weil ja eh keiner so genau sagen kann, was das eigentlich ist. Ihr dynamisches und intensives Zusammenspiel innerhalb der Band und der eindringliche starke Gesang Jacob Bredahls prägen alle zehn Stücke auf besondere Art und Weise. Sie erzählen Geschichten, transportieren und erzeugen Emotionen. Und all das mit einer geradlinigen und melancholischen Aggressivität, die einen mitten in den Strudel von Gedanken und Gefühlen zieht.
Das Album startet schnell und rotzig mit Time, das mit intensiver und druckvoller Energie das Ablaufen unserer Zeit thematisiert. Voller Wucht, starken Riffs und Surf-Rock Anleihen erzählt Broken Boy vom Aufwachsen und Erwachsenwerden von Bassist Mixen Lindberg. Er selbst sagt dazu folgendes:
Broken Boy ist eine parallele Geschichte über Verrat und Beharrlichkeit, gesehen mit den Augen eines Kindes und eines Erwachsenen. Es ist eine Reflexion darüber, ein halbes Leben gelebt zu haben und sich mit der Tatsache abzufinden, dass nichts jemals ganz so ist, wie es scheint. Außerdem war es der erste Song, an dem wir als Band gearbeitet haben.
Beeindruckend ist auch das düster melchanolische und apokalyptische Numb To The World, ein Blick in den Abgrund und aufs Ende der Welt. Überleben ist eines der großen Themen auf Cancer, so auch in Survive mit prägnantem Schlagzeug, treibendem Rhythmus und Bredahls starker Stimme. All dies entfacht eine gewaltige Energie.
Songs, die unter die Haut gehen
Dann wird es viel ruhiger im Akustikstück 0806, Gänsehaut und Beklemmung inklusive. 0806 ist direkt mit der Krebsdiagnose und Behandlung verbunden und gewiss das persönlichste Stück auf der Platte. Die Aufzählung „Needles, tubes and fear“ malt ein bedrohliches, ängstliches Bild wie auch der Einstieg „A nuclear war inside my head“. Für mich geht dieser Song direkt und unaufhaltsam unter die Haut. Ich fühle mich jedes Mal an eine besondere Situation erinnert, als ich vor einigen Jahren am Vorabend einer OP wohl ein ähnliches Zwiegespräch mit meinem Tumor hatte: „I hear you, I see you, I abandon you“.
Weil es doch sehr intensiver und harter Tobak ist, fängt einen das folgende Instrumentalstück Erupt mit sehr schöner und leichter, zarter Melodie wieder auf, Schmerz und Hoffnung schwingen mit. Voller neuer Energie leitet Karma das Ende dieser emotionalen Reise ein. Die raue und verletzliche Stimmung faszinieren mich immer wieder aufs Neue. Cancer ist für mich bereits jetzt ein Highlight der Neuerscheinungen in 2023, da es mich musikalisch so sehr begeistert und abholt und emotional tief berührt.
Laut eigener Aussage wurde Riverhead bereits als „Henry Rollins meets Bauhaus meets Hot Water Music“ beschrieben und das trifft es in der Tat sehr gut. Mehr zu Riverhead könnt Ihr in unserem Interview mit Bassist Mixen Lindberg hier lesen.
Tracklist
- Time
- Broken Boy
- Love Cuts
- Numb To The World
- Torches
- The Rusty Sound Of Love That Dies
- Survive
- 0806
- Erupt
- Karma