Seit Jahren warte ich darauf, dass mir endlich mal ein Album unterkommt, dass ich, ohne mit der Wimper zu zucken, mit fünf von fünf Sternen reviewen kann. Aber dank Run Zero und ihrem neuen Album Der Kopf bleibt oben kann ich das nun endlich guten Gewissens tun. Junge Junge, was haben die vier Oldenburger hier für eine Scheibe abgeliefert. Kompromisslose Punkrock-Songs mit überragenden Melodien und fantastischen Texten. Spoileralarm: ich glaube nicht, dass 2021 noch ein Album rauskommt, dass diesem hier das Wasser reichen kann.
Wir gehen das ganze mal chronologisch an: der erste Song Eure Generation beginnt mit einem sehr eingängigen hohem Gitarrenriff und legt das Grundtempo für den Rest der Platte vor. Textlich wenden sich Run Zero mit einem Schuldbekenntnis an die Generation nach ihnen. Die Alten haben den Planeten bis zum äußersten ausgenutzt und hinterlassen nun einen Scherbenhaufen, um den sich die Jungen kümmern dürfen.
Allgemein ist dies der Grundtenor der Texte: es wird der Finger in die Wunden gelegt, die momentan besonders weh tun – Umweltverschmutzung, Rassismus, Ausgrenzung, Egoismus, Narzissmus und mangelnde Zivilcourage. Anstatt aber mit mit simplen, schon x-mal gehörten Phrasen um sich zu schmeißen, erzählen Run Zero spannende Geschichten und verpacken ihre Wut in kreativen Ideen und Lösungsansätzen.
Das beste Beispiel ist Track Nummer zwei, der auch schon als Vorab-Single gedient hat: Gegenmittel. Ich übertreibe ungern, hier fällt es mir jedoch tierisch schwer, nicht in grenzenlose Extase zu verfallen. Dieses Lied ist meiner Meinung nach der beste Punkrock-Song, der in den letzten Jahren rausgekommen ist! Die schiere Energie die einem nach dem zehn-sekündigen Kick-Drum-Intro überrollt, ist nicht in Worte zu fassen. Wenn Punkwissenschaftler im Labor den perfekten Song zusammenbrauen müssten, würde wohl „Gegenmittel“ dabei rauskommen. Das Riff, der Refrain, der Text – alles, aber wirklich alles, ist perfekt. Allein wegen diesem Lied lohnt es sich, das Album zu kaufen und Run Zero live zu besuchen.
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Danach geht es in starkem Tempo weiter und Die Wiederholung und Du bist was du erlebst hauen ordentlich auf den Putz – ganz starke und schnörkellose Punksongs. Bei Niemandsland werden dann wieder die zwei größten Stärken von Run Zero deutlich: sensationelle Gitarrenmelodien und ausgeklügelte Texte. In diesem Fall geht es um das Niemandsland, die Stammkneipe der Band, in der es keinen Platz für Egoisten, Spießer und Faschisten gibt.
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Ich könnte auf jedes einzelne Lied dieses Albums eine Hymne halten, weil es einfach keinen einzigen Aussetzer gibt. Den Fokus lege ich jetzt aber mal auf die Tracks 10-13. Das Problem streckt einen großen Mittelfinger an alle raus, die sich immer noch zu schade sind, gegen Missstände aufzustehen und sich für andere einzusetzen. Das Ganze wird wie immer als eingängiger Mega-Hit serviert, den man nicht mehr aus dem Ohr bekommt.
Herr der Lage knallt in nur 1:44 härter als jeder Knock-Out beim Boxen und semmelt einem so viel Power um die Ohren, dass man das Lied voller Adrenalin eigentlich sofort nochmal anmachen muss – nur eben noch lauter.
Mit „Alles Gute kommt von unten“ und „Messlatte“ stehen am Ende dann nochmal zwei Songs, die eigentlich genauso gut sind wie der Übersong „Gegenmittel“. Vor allem Messlatte packt nochmal alle genannten Stärken gleichzeitig auf den Tisch und sorgt für einen unausweichlichen Ohrwurm (inkl. coolem Verweis auf das letzte, ebenfalls hervorragende Album Eure Affen), ich bekomme aber auch jedes mal Gänsehaut, wenn Sänger Marco in Alles Gute kommt von unten vor dem zweiten Refrain „…soll das alles sein“ brüllt.
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Wie eingangs schon angekündigt: Der Kopf bleibt oben ist jetzt schon das beste Album des Jahres. Es muss schon ein Wunder geschehen, dass diese brilliante Platte von einer anderen Punkband getoppt werden kann. Man sollte übrigens nicht vergessen, dass Run Zero fast alles selber machen: kein Label, keine Agentur, kein gar nichts. Lediglich für die Produktion, das Mixing und das Mastering haben sie sich an Jörg Uken von der Soundloge in Rhauderfehn gewandt. Der hat ganze Arbeit geleistet und ein hervorragend produziertes Album aufgenommen. Insgesamt ist es erstaunlich, fast in kompletter Eigenregie so ein Meisterwerk hinzulegen und damit ein Album für die Ewigkeit abzuliefern. Mit dieser Platte kann 2021 nur ein gutes Jahr werden.