Vor ein paar Jahren, als Corona uns noch nicht im Griff hatte, das war ich mal auf einem Pascow-Konzert in München. Da spielte eine, mir bis dato völlig unbekannte Vorband namens Scherben. Unvoreingenommen wie ich halt bin, hab ich mir drei bis acht Bier in den Schlund gegossen und das auf mich einwirken lassen. Was soll ich sagen… Die Platte kam damals sofort mit nach Hause und seitdem findet sich dieses Album dauerhaft auf meinem USB-Stick im Auto. Somit war auch das warten auf neues Material sehr von Vorfreude geprägt. Jetzt ist es endlich soweit und Domestiziert steht in den Startlöchern. Das Fazit gleich mal vorne weg: Freut euch auf dieses Album. Es ist von vorne bis hinten ein absoluter Brecher und qualitativ sehr sehr weit oben anzusiedeln. Textlich, musikalisch, von einer Wut getrieben, die einen mit nimmt. Kidnap Music sind ja sowieso Garanten für gute Musik und enttäuschen auch hier nicht.
Seit 2018 sind die Krefelder am Punkrock machen und sind irgendwo im Deutschpunk anzusiedeln. Aber eben nicht im Standard des Drei-Akkorde-Geschrammels, sondern eher Richtung wütendem Punk, der sich auch vor härteren Tönen nicht scheut. Treibende Drums, energiegeladenen Gitarren und textlich ironisch und angepisst, so Ballern sie diese elf Tracks durch und werden dabei von Song zu Song noch „attraktiver“. Die Lieder dauern zwischen einer und drei Minuten und egal, was man für einen Track auflegt, der Fünfer hat einen großartigen eigenen Sound, der sie noch weit bringen kann, denn Eigenständigkeit ist das, was man braucht und hören will.
Zu Beginn gibt es gleich mal ein schnelles Glas Pisse in den trockenen Hals. Hier werden die alten Punker aufs Korn genommen. Ironisch Punk machen, sich dann aber ungut fühlen, wenn Asis auf den Konzerten sind. Punk als Kommerzprodukt. Zumindest fasse ich den Text so auf und das spricht mir aus der Seele. Klar, auch ich gehe nach wie vor auf Konzerte von „Punk“-Bands, die die großen Hallen füllen und freue mich, wenn ich Songs der 90er mit brüllen kann. Aber es ist schon wirklich so, dass Bands wie Rancid Punk machen wollen und dann auf Barrikaden vor der Bühne bestehen, damit ihnen ja niemand zu nahe kommt. Gottseidank Krieg kannten wir ja vorab schon und diese Nummer ist tatsächlich auch ein Sinnbild für diese Scheibe. In ihr finden sich alle Stärken der Scherben wieder. Schnell, teilweise auch schön melodisch und vor allem diese bitterböse Ironie in den Lyrics.
Nur schnell sind die Songs aber auch nicht. Exitus zum Beispiel drückt auch im Midtempo gut und für die Abwechslung darf das auch sein. Die Riffs hier sind sehr Hardcore-Affin. Schöne Features finden sich auch immer wieder. Kündigung mit Anna von WauMiau, bei Hund ist Marcel von Sniffing Glue mit von der Partie und Atom/Atom/Atom ist durch Mark Heines an der Orgel unterstützt.
Domestiziert ist ein sehr sehr geiles Werk. Ein definitiver Kandidat fürs Album des Jahres sogar. Deutschsprachig hab ich dieses Jahr schon wirklich gutes vernommen, aber Scherben setzen hier noch einen drauf.