Zugegeben: Nach 20 Jahren im Geschäft den erfolgreich etablierten Stil beizubehalten, um keine Fans zu enttäuschen und gleichzeitig neu und frisch zu klingen, auch um keine Fans zu enttäuschen und vielleicht auch, um noch ein paar neue dazu zu gewinnen, ist nicht leicht.
Aber, wenn ich das jemandem zugetraut hätte, dann Silverstein, die seit den erwähnten 20 Jahren zuverlässig eine solide Platte nach der anderen herausbringen. Und zwar immer mit einer gewissen Bitterkeit, Wut und Verzweiflung. Das mag ich einfach an ihrer Musik.
Ihr aktuelles Album A Beautiful Place to Drown, das Silverstein anlässlich ihres 20-jährigen Jubiläums mit einigem Tamtam angekündigt hatten, ist anders. Leider zu sehr anders. Hier treffen zuckersüße Melodien und weichgespült klingende Instrumente auf Texte a la „Nutze den Tag“ – abgesehen von wenigen Ausnahmen, wie: „How can I be an optimist, when all this feels infinite?“
Die Zeilen sind aus dem Song Infinite, der wie eine Mischung aus The Used, Parkway Drive und Fall Out Boy klingt.
Er wird als Hit der Platte gehandelt, mich tangiert er leider recht wenig. Außer, dass ich permanent ein Deja-vu habe. Das klingt nach High School Punkband, die zwar empört, aber nicht zu böse klingen darf.
Dieser Stil zieht sich bis auf wenige Ausnahmen durch das gesamte Album, das von Anfang bis Ende so lala Song klingt, und schon hundertmal da war.
Irgendwie nehme ich Silverstein diesen Sound nicht ab. Das klingt nicht gereift und weise, sondern gebotoxt. Als würden Silverstein mit aller Kraft versuchen, jugendlichen Optimismus auszustrahlen, um nicht als alte grantige Männer dazustehen. Leider klingt das, was bei mir kommt müde und ausgeleiert.
Die Songs folgen alle dem selben Muster, und zwar dem, das seit den 2000ern gut funktioniert: Ein paar ratternde Gitarren, die sich kurz aufbauen, in den Refrain überfaden, dann noch ein paar Breakdowns dazwischen gebastelt, als eine Art Bridge. Aber das, was hier versucht wird an Spannung aufzubauen, fällt konsistent in sich zusammen, bevor es sich zu einem wuchtigen Sound-Berg aufbäumen konnte. Den 12 Songs fehlt es fast durchgängig an Wumms.
Am ehesten überzeugen mich noch Shape Shift und Madness. Auch diese Songs klingen zwar nicht neu, aber zumindest nach dem, was Silverstein zu Gesicht steht. Hier ist der alte Drive zu erkennen, der gute Emocore Flow und eine Melodie, die ich zumindest von anderen unterscheiden könnte.
Was auffällt: Für 5 der 12 Songs haben sich Silverstein Unterstützung von anderen Künstlern geholt. Was ein nettes Feature ist, verkommt bei dieser Anzahl jedoch irgendwie zur PR-Show. Noch schlimmer ist es, wenn man sich beim Hören denkt: Ohne diesen frischen Wind von Außen wäre der Track ganz schön langweilig. Tatsächlich wirken die Shouts von Caleb Shomo (Beartooth) in Breaking Down wie ein willkommener Boost. Und auch Madness erhält erst durch die markante Stimme von Princess Nokia Charakter. Dieser Gegenpart beflügelt Shane Told zu den wahrscheinlich kraftvollsten Shouts des Albums.
A Beautiful Place to Drown wird gefühlt zum Ende hin immer seichter. Track 12, September 14th, war Hundertpro schon einmal genauso um die Millennium-Wende da und Take What You Give ist ein Highschool-Rock-Liebeslied a la American Pie, das den Radio-Sound der Platte abrundet. Sicher, das sind schöne Melodien, sauber produziert, aber eben ohne jegliche Ecken und Kanten, die ein Album in diesem Genre für mich besonders machen würde. Auch inhaltlich hat A Beautiful Place to Drown leider nicht viel neues zu bieten.
Um uns nicht noch länger zu quälen: Von den Emocore Veteranen hätte ich – gerade nach den Ankündigungen – einfach mehr erwartet. Weniger Emo-Schnulz und Abklatsch und mehr Emo-Wumms und Charakter.
A Beautiful Place To Drown ist am 06. März auf ihrem neuen Label UNFD erschienen.
Tracklist
- Bad Habits (feat. Intervals)
- Burn It Down (feat. Caleb Shomo)
- Where Are You
- Infinite (feat. Aaron Gillespie)
- Shape Shift
- All On Me
- Madness (feat. Princess Nokia)
- Say Yes!
- Stop
- September 14h
- Coming Down
- Take What You Give (feat. Pierre Bouvier)