Boah, Slime und ich, eine lange Geschichte… Großer Fan schon seit Jahren, insbesondere von ihrem eher als sperrig bewerteten Werk Viva La Muerte, viel Spaß gehabt auf den Konzerten (hier) und auch jetzt am Wochenende auf dem Primsrock (Review folgt). Aber auch als Wikipedianer machen mich Slime glücklich. Habe ich doch den Artikel der Band als exzellent bewertet bekommen. Umso mehr hat es mich gefreut, dass sie im Rahmen der Veröffentlichung ihres neuen Albums Hier und jetzt auch für Interviews bereit standen.

Das Album ist im Übrigen aus meiner Sicht grandios geworden und bald kommt auch das Review dazu. Geführt habe ich das Telefoninterview mit Elf (Gitarre) und Christian Mevs (Gitarre).

Interview zum neuen Slime Album „Hier und jetzt“

„Wir haben schon immer Protestsongs gemacht, gegen Missstände protestiert, gegen die Scheiße, die auf der Welt passiert!“

Cover vom neuen Slime Album "Hier und jetzt"
Cover vom neuen Slime Album „Hier und jetzt“

Demnächst wird euer erstes Album seit Sich fügen heißt lügen (2012) veröffentlicht. Eine zeitlang hattet ihr ja keine eigene Songs aufgenommen, auch weil euch mit Stephan Mahler ja einer eurer Hauptsongwriter fehlte. Umso schöner ist es jetzt zu sehen, dass auf dem neuen Album keine Coverversion veröffentlicht habt, sondern nur eigene Songs.

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Christian Mevs (C): Auch Sich fügen heißt lügen waren ja keine Coversongs. Wir haben nie ein Musikalbum ausschließlich mit Coverversionen gemacht. Wir haben manchmal auf nem Album ne Coverversion drauf gehabt, aber das besondere an dem Mühsam-Album war ja das, das wir uns vor allem auf Texte des Anarchisten Erich Mühsam gestürzt haben und seine Liedtexte teilweise neu vertont haben. Jetzt haben wir ein Album gemacht, wo eigene Texte dabei sind. Das hat aber vor allem damit zu tun, dass wir zum Zeitpunkt des Mühsam-Albums gerade mal zwei Jahre wieder zusammen waren und erstmal auch Zeit brauchten, um uns neu zu finden. Und auch die richtige Haltung da zu finden. Und das hat einfach gedauert und da ist das Album dann auch tatsächlich innerhalb von ein bis anderthalb Jahren entstanden und auch produziert worden.

Elf (E.): Ja, nach dem Mühsam-Album waren wir zwei Jahre auf Tour sozusagen. Wir sind ja jetzt auch keine Jungspunde mehr und jeder hat auch so sein Ding, was er sonst so macht. Christian hat ein Tonstudio in Berlin und Alex macht die Festivals Ruhrpott Rodeo und Punk im Pott, da hat er viel zu tun mit Booking und der Organisation. Man kann sich nicht die ganze Zeit mit der Band Slime beschäftigen. Deswegen zieht sich das alles auch etwas länger hin, als wenn man jetzt ne 100-prozentig professionelle Band wäre, wie irgendwelche größeren Acts wie zum Beispiel Die Toten Hosen. Die haben ja nix anderes zu tun, als sich damit zu beschäftigen und können auch viel länger daran arbeiten und sind dann aber auch schneller damit fertig, weil sie höchstens mal in Urlaub fahren müssen.

C: Was aber auch immer wieder zum Problem wird, wenn man sich nur professionell mit Musik beschäftigt und nichts anderes als so eine Band macht. Dann hat man immer noch andere Dinge im Blick, die das Ergebnis verfälschen. Und die Musik nicht originell werden lässt, oder die Texte irgendwie anbiedernd sind, weil man irgendwelche selbst gesteckten Ziele erfüllen will. Das haben wir nicht, sondern wir können das entscheiden, was wir machen wollen.

E.: Und uns redet keiner rein. Also die Plattenfirma hat bis zur fertigen Aufnahme bis auf die Rough-Mix noch gar nichts gehört. Wir haben denen keine Demos vorgespielt oder Texte vorgelegt. Also wir waren echt frei zu machen, was wir wollten. Vielleicht hätten sie bei irgendwelchen Texten was gesagt, weil die zu krass sind, ob man die so veröffentlichen kann. Aber das glaube ich jetzt nicht. Also, wir waren total frei, das zu machen was wir wollten und durften uns die Zeit nehmen, die wir brauchten, um das hinzukriegen, dass das gut wird.

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Unsere Lieder ist ja jetzt quasi als erste Single veröffentlicht worden, nachdem ja vorher bereits Sie wollen wieder schießen (dürfen) als Video erschienen ist. Gab es dazu eigentlich auch eine Single?

C: Ja, die ist auch als 7“ erschienen. Wir finden ja auch Vinyl super und machen eigentlich von allen Tonträgern immer Vinyl. Und auch jetzt wird es ein Doppelalbum geben. Und dazu gehört natürlich auch eine Single.

E.: Ja, ich find das auch immer geil, wenn man Vinyl zu Hause haben kann. Ich hab auch selber 2.000 Vinyl-Scheiben zu Hause. Ich bin schon n Vinyl-Freak.

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Wie kam es dann dazu Unsere Lieder direkt vor dem Album auszukoppeln?

E.: Das Lied ist ja programmatisch. Man denkt ja unsere alten Lieder wären nicht mehr aktuell, aber leider sind sie es ja immer noch. Das Lied kommt auch als erstes auf dem Album und danach kommen die Lieder, die eigentlich jetzt aktuell sind, aber auch thematisch durchaus in der Tradition der alten Slime-Lieder stehen. Deswegen ist das ein guter erster Song auf der Platte und als Singleauskopplung genau das richtige. Zumindest nach unserem Geschmack. Und auch nicht gleich der Mega-Holzhammer. Man hätte ja auch sagen können: „Wir müssen jetzt Für alle Zeit rausbringen.“ Aber wir fanden es gut, was zuerst zu veröffentlichen, was nicht ganz so hart ist. Erreicht vielleicht dann auch ein paar mehr Leute, die dann darüber nachdenken. Und sich vielleicht dann die alten Lieder anhören.

C.: Und es geht auch darum, dass dieser Text von uns handelt. Und gleichzeitig behandelt der Text auch die Initialzündung, die bei uns 2010 stattfand, als wir uns gerade wieder zusammen gefunden hatten. Da hatten wir festgestellt haben, dass die Themen, über die wir sangen und die zum Teil 20 Jahre oder älter waren, für unser Publikum immer noch eine Bedeutung haben und die in der Jetzt-Zeit wichtig sind.Damit mussten wir uns erst mal auseinandersetzen. Und das hatte zur Folge, dass wir die nächste Platte gemacht haben und jetzt noch eine.

E.: Das Mühsam-Album haben wir auch gemacht, weil wir gesagt haben, dass wir weitermachen wollen. Und dann muss man irgendwas rausbringen. Man kann nicht ewig eine Coverband von sich selbst sein. Und wenn es ganz beschissen läuft, dann ist man das ja. Und wenn man nur noch alte Titel spielt, jahrelang, irgendwann muss damit ja mal Feierabend sein. Es macht ja auch keinen Spaß nur noch alten Kram zu spielen. Das heißt man braucht neues Material. Und das macht ja auch Spaß, also wir werden bestimmt 12-13 Nummern von den 16 auch live spielen. Wir sind ja auch nicht so Agit-Popkapelle, die nur inhaltlich irgendwas rüberbringen will und was die Musik so anbelangt ist scheißegal. Es geht nicht nur darum, dass nur die Texte verständlich sind. Dann könnten wir uns auch mit Akustik-Gitarre da hinstellen. Wir sind auch ne Rockband, Rock’n’Roll-Band, Punkrockband, wie auch immer man das nennen will. Wir wollen auch Musik machen und Spaß haben dabei und abrocken und laut sein usw..

Slime wird keine Karnevals- oder Lovesongs machen.

Das Album ist ja wieder rein politisch geworden. Andere Themen werden eigentlich nicht bearbeitet.

E.: Slime war ja immer schon eine Polit-Band. Wir haben immer Protestsongs gemacht, gegen Missstände protestiert, gegen die Scheiße, die auf der Welt passiert. Da kann man nicht auf einmal halt Fun-Punk machen und nur noch irgendwelche witzigen Karnevalstexte. Wir sind natürlich auf den jetzigen Rechtsruck auf mehreren Songs eingegangen. Auch andere Themen wie Konsum, diese ganze Plastikmüllscheiße im Ozean, das sind auch Themen, die wir bearbeitet haben. Manche Themen springen einem dann direkt an. Das gehört irgendwie dazu. Slime wird keine Karnevals- oder Lovesongs machen. Sauflieder haben wir ja auch, Karlsquell (Anmerkung: erstes Album). Aber das reicht dann auch, in den 1980ern, das hat gepasst. Aber das wäre albern, das nochmal zu machen.

Ihr habt viele Gäste auf dem Album. Bei Patrioten ist ja Swiss dabei und Pablo ‚Mal Éléve‘ Charlemoine von Irie Revoltés. Wie kam es dazu?

E.: Der Song existierte schon mal als Mobilmachungsclip für ne Antinazidemo in Magdeburg vor etwa zwei Jahren und da wars noch zu 2/3 ein Hip-Hop-Lied mit fünf verschiedenen Rappern. Danach kamen wir mit dem jetzt noch existierenden Refrain und dem Strophen-Part, mit dem der Song jetzt anfängt. Den Song fanden wir so geil, dass wir gedacht haben: „Die Idee greifen wir auf. Das muss aufs neue Album!“, stricken das aber um, machen nen anderen Text, behalten aber die Idee mit den Rappern als Gästen bei. Also Iries und Swiss kennen wir jetzt auch schon ziemlich lange. Die machen das, was wir früher gemacht haben, nur mit anderen Mitteln. Swiss macht ja so Crossover, also Punkrock mit Hip-Hop und Irie so Hip-Hop mit Reggae-Einflüssen. Und die sind halt auch politisch, die haben die gleiche Haltung wie wir: antifaschistisch, klar linksradikal… Daher war klar, dass die beiden dazu passen. Um auch mal was anderes zu bringen, was einfach auch keiner erwartet von Slime. Die hatten auch Bock… die haben auch beide sofort ja gesagt. Wir hatten auch andere gefragt mit denen wir was zu tun hatten und schon mal dies und das gemacht haben, Deichkind beispielsweise. Aber die waren eben nicht so richtig dabei. Und dann kamen wir eben schnell auf Pablo und Swiss. Und das sind auch die passendsten und die geilsten dafür. Wir finden die Nummer einfach geil und sind mal gespannt, was andere dazu sagen.

C.: Man fragt ja auch immer die Leute, mit denen man gerade zu tun hat und die im engeren Umfeld sind. das waren dann natürlich auch Swiss und Pablo. Wir haben ja auch schon mit Iries zusammen gespielt.

Ihr hattet auch noch Enrico von Los Fastidos dabei und Paul von den Wakes. Das sind ja dann die internationalen Gäste sozusagen, die auch in ihrer Heimatsprache singen.

E.: Diggen wollte erst Talco fragen, ob man da Bläsersätze unterbringen könnte. Hat aber leider nicht hingehauen. Der Song hat ja auch so n bisschen Fußball-artigen Refrain, wobei das Stück mit Fußball ja gar nichts zu tun hat. United ist ja auch so ne alte Oi!-Floskel. Sham 69 mit „If the Kids Are United“ hat man dann so im Hinterkopf. Los Fastidos fanden wir schon immer cool. Gerade Antifa-Hooligan, das läuft bei St. Pauli als Einlaufmusik. Das fanden wir ziemlich lustig. Den haben wir dann auch gefragt, weil wir dachten, international wär geil. Wir fanden es auch geil, einen italienischen Part auf dem Album zu haben. Paul von den Wakes ist auch schon ein alter Bekannter. Celtic Glasgow- und FC St. Pauli-Freundschaft, da ist Diggen schon seit 30 Jahren engagiert und kennt auch ganz viele Leute in Glasgow. Wakes spielen ja Celtic Folk’n’Roll-Punk und Paul kann auch fantastisch singen. Da dachten wir direkt an ihn.

Ihr hattet bei den Texten Unterstützung beim Songwriting. Erzählt mal darüber.

C.: Wir hatten bei den Texten Unterstützung von Max Lessmann, aber auch Lobster, der Gitarrist von der Beton Combo hat uns unterstützt. Der hat drei Texte geschrieben. Wir haben in den letzten Jahren auch viel mit Textern zusammengearbeitet, um uns auch so ausdrücken zu können, wie wir es wollten.

E: Das ist halt auch so die Zusammenarbeit. Man gibt die Ideen raus und fragt, was dem anderen dazu einfällt. Und dann kommt da irgendwas und man schreibt so an den Texten mit. Es ist also nicht so, dass wir komplett Texte von irgendwelchen anderen Leuten übernommen haben, sondern einige sind umgetextet worden oder andere haben uns Ideen geliefert für Refrainzeilen. Also es ist nicht so, wie man sich das vorstellt. Man bezahlt irgendeinen für den Text, also so läuft das nicht. Wir haben auch einige Dinger selber geschrieben. Natürlich hat man nicht mehr so viele Ideen wie früher auf den ersten zwei-drei Platten.

C.: Also die Themen haben wir schon vorgegeben. Es geht eher um die Texttechnik. Da hatten wir einfach mit Stephan Mahler jemanden, der mit der Entwicklung auch mithalten konnte. Der das auch gut drauf hatte, zumindest zur damaligen Zeit, und da haben jemanden gesucht aus dem näheren Umfeld der Band, der diese Rolle auch mit einnehmen kann.

Bei Die Geschichte des Andreas T. beschreibt ihr detailliert die Geschichte des V-Mannes, der bei dem NSU-Mord an Halit Yozgat (Hintergründe hier) direkt vor Ort war. Wie kamt ihr an die Details?

E.: Das was in dem Text drin ist, stand in der Zeitung, ich glaube im Spiegel. Da wurde auch geschrieben, wie er ausgesagt hat. „Er pisst im Stehen daneben“, dass ist ja diese Geschichte, dass er behauptet hat, er wäre auf Toilette gewesen, als der Mord passiert ist. Da haben die irgendwie Spuren gesucht und anhand der DNA seiner Pisse, die da an die Wand gespritzt sei, die Aussage bestätigt. Also eine völlig dubiose Geschichte. Das ist halt auch ein total genialer Text, wo man einfach beschreibt und man muss nicht sagen „Nazis sind doof“, weil sich das sowieso daraus ergibt. Und dieser Zusammenhang mit dem Verfassungsschutz und diesen Nazi-Mördern, der bleibt ja auch in der Luft hängen, der ist ja nicht aufgeklärt. Und da muss ja ein Zusammenhang bestehen. Warum war der Typ da in dem Café, wo jemand ermordet wurde? Der Text ist von Lobster von der Beton Combo, den haben wir 1:1 übernommen. Der Text war so geil, da mussten wir nix dran ändern. Super Ding!

C.: Ja, der hat einfach in einem ganz simplen Bild, in einer ganz simplen Beschreibung hat der die Monstrosität dieser ganzen Geschichte, die des Staates und des NSUs so dermaßen auf den Punkt gebracht.

C.: Leider drängt die Zeit jetzt ein wenig. Hast du noch eine Abschlussfrage?

Wie sieht es mit Tour aus?

E.: Ende September geht es los. jetzt haben wir noch drei Festivalauftritte. Und am 29. September, also direkt am VÖ-Datum, geht dann die Tour los. Da spielen wir das erste Konzert in Weinheim im Café Central. Und dann spielen wir eigentlich jedes Wochenende bis in den Dezember rein. Zwei Gigs hintereinander reicht uns momentan. Wir sind ja auch schon alte Säcke (allgemeines Gelächter). Ja, drei würden auch noch gehen, aber Sonntag oder Montag, da brauch man auch in vielen Orten gar nicht spielen, wenn man keine große Band ist. Da kommen dann nur noch halb so viele Leute. Und dann gehts auch nächstes Jahr etwas weiter mit der Tour. Fehlen ja noch Städte wie München, Bremen oder Bielefeld. Hoffentlich kommen auch noch ein paar Festivalshows nächsten Sommer. Wir werden jedenfalls jetzt alles machen, um die neue Platte mit Konzerten zu promoten. Wir haben auch Bock live zu spielen.

Habt ihr auch eine feste Vorband?

E.: Bei acht Konzerten haben wir DefektDefekt aus Bremen dabei. Das ist unser Stagehand/Roadie mit seiner Band. Die sind so geil, die mussten wir einfach mitnehmen. Und dann sind noch lokale Bands dabei. Schmeisig in Köln und Düsseldorf. Aja, und mit Dritte Wahl spielen wir auch noch zweimal zusammen.

Alles klar, dann noch viel Spaß auf der Tour und viel Erfolg mit der neuen Platte.

Pressefoto von Viktor Schanz

Hier noch die aktuellen Tourdaten:

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– Playlist: Happy Release Day

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