Zwei Jahre habe ich auf diese Show gewartet – am 26.11 war es endlich soweit: Smoke Blow – die Kieler Bagaluten, die Atzen von der Förde, das Abrisskommando aus dem Norden – kündigten sich an, um das Hafenklang einmal auf links zu drehen. Ursprünglich war die Show als Warm-Up-Gig für einen Auftritt in der Fabrik angedacht, was Coronabedingt leider nicht umgesetzt werden konnte. Schade, aber nicht zu ändern. Dafür gab es am Konzerttag endlich wieder etwas fast verlorengegangens: Wahre Vorfreude, die in einer auditiven „Smoke-Blow-Orgie“ enden sollte: Die gesamte Palette der Banddiscographie wurde in den heimischen vier Wänden mindestens einmal durchgehört und teilweise lauthalt mitgegrölt. Sehr zum Bedauern der restlichen Bewohner*innen samt des spontanen Besuchs.
Nach der besagten Vinyl-Orgie samt Begleitpils wurde die U-bahn geentert, zum Kiez gedonnert, meine Begleitung getroffen und das nächste Fußpils besorgt. Weitere Biere werden an dieser Stelle nicht separat erwähnt, sondern sind im weiteren Narrativ schlicht impliziert. Der Fußweg zu meiner Lieblingslocation war kurzweilig und wurde mit einem Blick auf die südliche Elbseite samt Hafen vergoldet. Herrlich. Wat hab´ ich das vermisst.
Im Hafenklang gab es anschließend noch eine nette Tauschaktion: Smoke Blow verkaufte in der Hochzeit der Pandemie Tickets für eine Geistershow im Hafenklang, der entsprechende Erlös kam dem Hafenklang zu Gute. Top Action, die mit einem 15cm-Smoke-Blow-Sticker belohnt wurde. Für jedes vorgezeigte Geisterticket gabs es als Dank einen Sticker, der jetzt meinen Stadtteil ziert.
Einen Supportact gab es heute nicht, was eine willkommene Abwechslung war. Den Trend zum Zweit bzw. Drittsupport kann ich im allgemeinen nicht sooooviel abgewinnen. Bedauerlich war dann aber tatsächlich, dass die Stimmung vor dem Opener Masquerading dermaßen entspannt und redseelig war, dass ich gar nicht mitbekommen habe, dass drei der fünf Kieler bereits auf der Bühne standen. Erst bei den ersten Tönen und dem ersten Jubel, war klar: Gejd los ! Wer allerdings jetzt kollektives Ausrasten erwartet, sollte zumindest etwas enttäuscht werden. Es dauerte einige Songs, bis der Funke so recht überspringen sollte, zumindest erschien das von meinem Platz aus so. Ungewöhnlich für SB-Konzerte, sogar oder gerade in Hamburg. Das Potential der Club-Show (ausverkauft, ca. 250 zahlende Gäst*innen) war jedoch bereits bereits bei Song Nummero Zwei (Sick Kid) erkennbar …
In welcher genauen Reihenfolge es weiterging, kann ich nicht mehr eins zu eins rekonstruieren. Das lag weniger am Bier (…hüstel hüstel) als an der Hitdichte der Nordlichter. Nuclear War dürfte in der Folge an der Reihe gewesen sein, Dancing with the Dead, Criminal , Unbroken, Dark Angel und White Powder waren definitiv auf in der ersten Hälfte angesiedelt. Bei Dancing with the Dead und auch Dark Angel zeigte sich auf endlich das brutale Potenzial einer SB-Crowd in Clubs der Hafenklang-Größe. Da hat es schon ordentlich geklappert in der Bude. Was allerdings bereits von erstem Moment an klar wurde: Die Herren Letten und Straßenköter harmonierten auf beindruckende Art und Weise. Die Wechselgesänge waren gestochen präzise, die Vocals bissig und prädistiniert für einen fetten Konzertabend. Dachten sich wohl auch restlichen Besucher*innen – da die Stimmung spätestens ab Mitte des Gesamtsets wirklich gut wurde. 777 Blockrock dürfte, sofern mein löchriges Hirn mich nicht trügt, ein Wendepunkt gewesen sein.
Die weitere Reihenfolge der Songs erschließt sich mir nicht mehr. Die Stimmung wurde immer besser bis richtig fett und ich beschloss, das Tanzbein zu schwingen. Dazu die Fäuste in die Luft, die Texte mitgesungen und immer wieder Kaltgetränke, die von meiner Begleitung angereicht wurden. Es entwickelte sich ein Tanzabend, wie er in den 1950er Jahren gefürchtet sein dürfte und in der heutigen Zeit für mich viel zu rar geworden sind. Als dann noch die ersten Klänge von Summer of Betrayal als Opener der 2010 erschienen Platte The Record angestimmt wurden, war klar: Das wird ein richtig, richtig guter Abend mit formidablen Musikanten. In der Folge wurden mit Sweetwater, Alligator Rodeo, Satans Highwayund Zombie aufm Klapprad ein weiteres Feuerwerk abgefackelt, ehe das ambivalente Billy-Idol Cover Rebell Yell nochmal alle Reserven freisetzte. Auch Jack Letten gab seine Meinung kurz kund: Einerseits scheint ihm der Song dermaßen zu nerven, dass er nicht mal auf die Idee käme, diesen im Proberaum spielen zu wollen. Von Live-Effekt allerdings scheint er weiterhin merklich beeindruckt zu sein.
Ich muss zugeben, dass die zweite Hälfte des ca. 90minütigen Gigs für mich nur schwer auseinanderzudezidieren ist. Und das lag tatsächlich nicht an der gepflegten Hopfenkaltschale, sondern am glückseeligen Tanzen, am Singen und Gröhlen – daran, dass Smoke Blow in der Stadt waren. Junkie Killer? Ja, wurde gespielt, war geil. Aber wann? Keine Ahnung. War Zombie aufm Klapprad der Abschluss? Ich glaube nicht, aber: Keine Ahnung. War aber definitiv geil. Wie immer. Dank der Eigendynamik im Publikum, unzähligen Crowdsurfern und einer gut aufgelegten Band entwickelte sich der Abend im Hafenklang zu einem würdigen Smoke Blow-Abend. Jeder, der die Bande nur einmal live gesehen hat, weiß sofort, was ich damit meine. Die Kieler haben mir samt Begleitung einen fetten Abend beschert, der genüßlich auf einem Ponton hinter der Fischaktionshallte sein Ende fand.
Danke Smoke Blow. Fürs Dasein. Danke Hafenklang. Fürs Durchhalten in der Pandemie. Man, was hab ich Euch vermisst.