Manchmal bedarf es nicht mehr als einer Einladung. Die Aussicht auf eine Italien-Tour klingt ohnehin schon mehr als verlockend und steht schon länger im Raum. Es sollten mehrere Shows mit The Loyal Cheaters werden, dafür würde sich die lange Strecke schon lohnen. Allerdings stellt es sich wesentlich schwieriger heraus als angenommen, in dem Zeitraum Shows in Norditalien zu finden. Thomas von Broken Music sowie beide Bands haben unermüdlich sämtliche Kontakte abgeklappert. Am Ende wird aus der Italien Tour eine Italien Show – an den anderen Tagen findet Thomas für uns immerhin noch Konzerte in Weiler, Zürich und Kaufbeuren.

Tag 1 – Stollen / Weiler zum Stein

Am Vortag kommt schon unsere Aushilfe an den Drums an – Jan Wennemann, ein bekanntes Gesicht, der uns schon öfters vorher ausgeholfen hatte. Bus von der Deutschpunk-Band unseres Vertrauens geliehen, Load-in am Proberaum in Köln-Mülheim, tanken und ab auf die Autobahn. Wie so oft, gibt es einen Boxenstopp bei Burger King, Zeit fürs erste Bier, Domi trinkt Dominikaner, irgendein Schlaufuchs holt sich für später noch einen extra Burger.

Bei bestem Wetter kommen wir nach ca. 3 Stunden Fahrt inmitten des jährlichen Mai-Dorffests an. Trotz ausgelassener Stimmung bei Bier, Bänken und Blasmusik ziehen wir natürlich einige Blicke auf uns. Nachdem wir erstmal die Location von den Einwohnern erfragt haben, parken wir den Bus um und werden von Georg, dem Veranstalter, Techniker, Wirt und Gastgeber in Personalunion begrüßt. Load-in bei ca. 20° C Temperaturabfall – der Stollen ist ein Steingemäuer und befindet sich einige Meter unterhalb des Dorfes. Noch ein köstliches, kühles Blondes im Sonnenschein genießen, bevor der Soundcheck ansteht. Nach dem Soundcheck wird uns erst die Gesamtsituation bewusst: Stollen im Keller, Gitarrenwerkstatt im Erdgeschoss, Wohnbereich darüber, alle Flure mit teils bizarren Holzskulpturen geschmückt – im ganzen Haus wird Kunst und RnR gelebt! Georg ist zugleich Lebens- und Überlebenskünstler.

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Die Show ist intim – nur geladene Gäste, kleine Bühne, kleiner Raum, aber großer Spaß:

Fabi & Domi spucken sich beim Singen in dasselbe Mic an. Es gibt zum Glück keine Verletzungen beim 2m Jump von der Bühne und die Gäste sind trotz (gut gemeinter) Pöbeleien in ihre Richtung wohlgesinnt. Ein bisschen Pöbeln gehört zu einer guten (oder auch schlechten) Show immerhin dazu. Fazit: Wenige Leute, aber voller Hut, etwas Merch verkauft, guter Laden, gute Show. Beim Mitternachtssnack in Georgs Küche taucht der Burger wieder auf und wird mit der hausgemachten Tomatensauce veredelt.

Tag 2 – Ebrietas / Zürich + Protactinium

Hungrig und zerknirscht aufgewacht – hoffentlich gibt’s Frühstück. Georg steckt den Kopf ins Zimmer: “Wann wollt ihr denn mal aufstehen, Kaffee wird kalt!” Und plötzlich steht auch schon wieder Bier auf dem Tisch. Wieder im strahlenden Sonnenschein Richtung Schweiz. Spontaner Ausflug zum Rheinfall – in Köln sieht der Rhein viel weniger spektakulär aus. Besucherhinweis: Eingang ungleich Ausgang.

Entspannte Ankunft in Zürich. Wir sind wie immer bestens vorbereitet, haben z.B. keine Franken dabei. Veranstalterin Doris hat aber alles im Griff. Das Ebrietas ist eine schöne Bar mit guter Getränkeauswahl und einem schön punkigen, mittelgroßen Klub im Keller. Soundcheck läuft gut, nur gibt es anfängliche Irritationen wegen Mitbenutzung der Backline. Keine Becken, keine Amps, keine Verschleißteile. Gedankliche Notiz: Ab jetzt besser immer Bescheid sagen. Zum Gig kommt ein Bekannter von Jan ganz unverhofft vorbei. Neue und alte Songs kommen gut an. Wir würden gerne weiter spielen, müssen aber leider nach den Zugaben aufhören, weil wir alles gespielt haben und die Zeit vorbei ist. Den Schweizern hat’s gefallen, wir haben wieder einiges an Merch verkauft.

Nette kleine Aftershow, erst in der Bar, dann vor der Bar, dann bei Marco und seinen Eltern zu Hause. Geschlafen wird selig in den Kinderzimmern.

Tag 3 – Glashaus / Kaufbeuren + Lava Baklava, Küenring, Firmament

Das beste Frühstück aller Zeiten mit Blick auf die Alpen. Es gibt Schildkröten im Garten und ein verstimmtes Klavier im Flur (Glück im Unglück: Dominik wollte das gesamte Haus damit wecken). Marcos Mutti bringt jedem Kaffee und als Mitbringsel köstlichen, wenn auch abgelaufenen Most. Insgesamt aber alle mega nett und sympathisch, wir kommen gerne wieder! Ein besonderer Dank gilt Marco, Claudia und Urs.

Nach einem recht emotionalen Abschied fällt uns ein, dass wir die verdammte Vignette vergessen haben. Zu allem Überdruss dürfen wir auch noch die Perfektion der Schweizer Bürokratie erleben. Alle Shirts, Platten, Beutel und sonstiges Merch werden minutiös im Vorfeld aufgelistet, der Grenzbeamte lässt uns trotzdem blank ziehen. Vor seinen Augen müssen wir alles zählen und die Differenz wird versteuert. Die erzielten Steuern aus unserem verkauften Merch werden kaum den Stundenlohn des freudlosen Beamten rechtfertigen, aber wir wurden vorgewarnt und sind zeitlich dafür gerüstet.

Deja Vu Trip nach Kaufbeuren: Bekannte Gesichter, freudiges Wiedersehen – wir hatten vor einem Jahr bereits das Vergnügen, von dem Verein Subdivision gebucht worden zu sein. Für Schlafplätze für die Nacht (sowie den Rückweg) wurde im Vorfeld gesorgt. Es gibt auch wieder sehr leckeres, veganes Essen. Wir sind anscheinend pflegeleichter als andere Bands. Warmes Essen, kaltes Bier und ein müdes Lächeln reicht uns da meistens. Andere Bands sind da weniger glücklich, sowie auch der etwas motzige Clubbetreiber. Es soll ohnehin das letzte Mal im Glashaus sein, ehrt uns nächstes Mal im neuen Laden! Keine Aftershow, eh nichts los in diesem Kaff außer einem Hitlergruß auf dem Rückweg. Armes Pärchen von der anderen Band findet sich nachts ganz unverhofft inmitten von vier schnarchenden Stacys wieder.

Tag 4 – Sidro Club / Cesena + The Loyal Cheaters

Dustin will Maik aus Zeitgründen das Frühstück ausreden. Zum Glück gibt’s dann doch eins. Schnell Brötchen geschmiert, proviant eingepackt, verabschiedet und wieder ins Auto. Wird ja schließlich eine lange Fahrt bis Cesena (625 km). Riesen Dank und ewige Liebe an Subdivisions und vor allem Maik für den Sound, die hingebungsvolle Orga und die Schlafplätze! Wir treffen noch eine der anderen Bands, Küenring, an der Tankstelle. Dann ab über den Brenner mit phantastischer Kulisse. Kurze Sorge wegen Geruch: sind die Bremsen fritte? Nee, nur Handbremse gezogen. Auf jeden Fall erstmal Zwischenstop für das obligatorische Panorama-Selfie – runter kommen wir schon irgendwie. Stretching Pause inkl. Band Yoga auf dem Parkplatz. Jan freut sich wie so oft ganz besonders – das erste Mal in Italien winkt! An der stundenlangen Bergen-Kulisse kann man sich kaum satt sehen.

Nach einigen Stunden Fahrt schwinden die Berge im Rückspiegel und wir sind in der Region Emilia Romagna. Eine kurze, aber blutige Zecken-OP am Rastplatz und wir kommen einigermaßen fit und gut gelaunt am Sidro Club an. In diesem kleinen verschlafenen Örtchen verbirgt sich eine intakte Rock Szene, es ist leider aber der letzte verbleibende Rock Club in der ganzen Gegend. Lena und Alex begrüßen uns herzlich: “We’re Italian, everything is late”. Die erfahrenen Touristen unter uns wissen schon Bescheid – Italiener haben eine andere Mentalität als die Deutschen. Gastfreundschaft geht über alles. Wir laden aus, bringen unsere Taschen in die Wohnung über dem Club, ein ehemaliges Studio. Man munkelt, dass in denselben Räumlichkeiten einst Nicke & Strings von den Hellacopters mit den Small Jackets eine Recording-Session hatten. Unsere Helden!

Wir dürfen auf der Dachterrasse im Sonnenuntergang noch ein Bier schlürfen, bevor der Soundcheck ansteht. Band Idylle. Danach Dolce Vita: Sämtliche Tische werden für die Bands zusammengerückt; erst kommt Bruschetta, dann Pasta, Espresso und ein Schluck Wein, bevor alle sich langsam vorbereiten gehen.

Allmählich steigt die Spannung. Es ist Samstagabend, der Laden ist voll, alle Besucher tragen ihren feinsten Zwirn – Denim, Leder und jede Menge Glam. Auch das ist Italien. Unsere Show begeistert, auch wenn anschließend wenig Merch verkauft wird. The Loyal Cheaters sind auf der Bühne eine Wucht. Lenas unnachahmliche Rotz-Röhre, gute Gitarristen, ein sehr extrovertierter Basser und ein Drummer, der sich unerbittlich seine Finger wund spielt. Hoffentlich schaffen sie es bald wieder nach Deutschland und wir können gemeinsam den Sonic Ballroom beschallen.

Als wir irgendwann nach einem tollen Abend ins Bett gehen wollen, rumpelt es im Flur – eine Traube von Italienern angeführt von Dustin kraxelt die Treppe hoch. Es wird also noch weiter gefeiert. Bei der Aftershow fliegt angebrannte Pizza in die Nacht, es geht an die letzten Weinreserven und zur Feier des Tages kommt noch hoher Besuch von Small Jackets (Anm. d. Red. mit denen spielen SC ca. einen Monat später in Krefeld).

Im Anschluss denkt sicher niemand an die 625 km lange Rückfahrt nach Kaufbeuren. Geschlafen wird wieder bei Maik. Montag sollen es dann nach Köln noch einmal 560 km sein und für Jan, nach Bad Pyrmont, sogar noch weitere 250km – was für ein Trip. Hat sich tatsächlich gelohnt.

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– Playlist: Happy Release Day

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