Sterbt Alle Records im Interview: „Wir helfen gerne älteren, inaktiven Bands über die Straße“

"Wir wollten irgendwas veröffentlichen und so 90er geprägter Deutschpunk war das, worauf wir uns schnell einigen konnten."

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Seit einiger Zeit macht das Label Sterbt Alle Records mit Wiederveröffentlichungen alter Deutschpunk-Klassiker von sich hören. Zuerst mit digitalen Veröffentlichungen, mittlerweile auch und vermehrt mit physischen Tonträgern. Zudem fällt das Label durch die Veröffentlichung einiger But Alive-Coverversionen auf. Um mal etwas Licht ins Dunkle zu bringen und mehr über die Personen dahinter zu erfahren, habe ich einige Fragen nach per E-Mail nach Hamburg geschickt, wo das Label ansässig und die Betreiber wohnhaft sind.

Das Interview ist ein Gastbeitrag von Mieschka Mayonaise.

Wir wollten irgendwas veröffentlichen und so 90er geprägter Deutschpunk war das, worauf wir uns schnell einigen konnten.

Hallo! Schön, dass Du bzw. Ihr Euch für mich Zeit nehmt. Man findet (noch) relativ wenig von Euch im Netz. Es gab mal ein Interview im Mind The Gap, wo auch irgendwie Verbindungen untereinander bestehen (wenn ich mich nicht irre). Aber sonst nicht wirklich etwas. Daher stellt Euch doch mal bitte kurz vor, wer Ihr seid und wie es zur Labelgründung kam.

Sterbt Alle: Moin, wir sind Schlaffi und Schlappi, sitzen in Hamburg und interessieren uns für Punkmusik. Einer ist zugereist aus dem Saarland, der macht sich aber auch ganz gut. Hamburg ist einfach ein Mekka für Punkbands, man denke nur an die größten deutschen Punkbands wie Platzangst, Grölbüdels, Schlitzke und die Schwager und Leistungsgruppe Maulich. Stimmt, beim Mind The Gap schreiben wir auch mit und organisieren da jeden September ein geiles Festival. Das Label haben wir Anfang 2021 gegründet. Wir wollten irgendwas veröffentlichen und so 90er geprägter Deutschpunk war das, worauf wir uns schnell einigen konnten. Als wir dann den Namen hatten ging es ganz schnell mit den ersten Releases: die lang vergriffene Psychisch Instabil als Digital-EP und ein Co-Release mit G31 für deren zweite LP „Die Insel der versunkenen Arschlöcher“. Später die erste richtige Vinyl-VÖ als Split von Rasta Knast und Dv Hvnd.

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Schlappi hat zudem noch ein anderes Label namens Last Exit Music, da geht auch einiges. Dazu ist er letztes Jahr unter die Autotuner gegangen (siehe YouTube Kanal „SchlappTune“); Schlaffis Interessen sind vielseitig, er hat z.B. ein „Jagd & Hund“ Abo und engagiert sich in der örtlichen Jugendfeuerwehr.

Ein Großteil Eurer Veröffentlichungen findet ja doch noch immer digital statt. Es ist doch mit diversen Distro-Anbietern doch recht einfach geworden, das selbst in die Hand zu nehmen. DIY und so. Warum machen die Bands das nicht selbst? Sind sie sich nicht dessen bewusst, dass deren Musik noch gern gehört wird. Oder haben Sie da kein Interesse? Oder ist es gar dem Alter geschuldet, dass die (meist) alten weißen Männer sich damit gar nicht auskennen.

SA: Ja, es ist jetzt keine Carola-Raketen-Wissenschaft. Wir helfen einfach gerne älteren, inaktiven Bands über die Straße, bzw. in die digitale Welt. Wir nehmen denen dann den Part ab und bewerben das, damit die ollen Kamellen auch ein paar Jungpunx zu hören bekommen. Bei Bands wie Der Dicke Polizist ist schon beeindruckend wie viel die noch (digital) gehört werden, da waren wir gleichermaßen positiv überrascht. Bei anderen Bands interessiert es eher keinen, dass es die nun digital gibt, auch wenn es sich um Duz-Freunde von Fat Mike handelt wie bei Drowning Roses. Viele sind jetzt nicht unbedingt sehr digital unterwegs, da kommen dann Antworten von „Nee, gar kein Interesse, bloß nicht Spotify“, „Ist das sowas wie Emule?“ bis hin zu „Ja klar, macht einfach mal. Wir wissen zwar nicht genau wie alles läuft aber wir vertrauen Euch“. Es ist oftmals echt schön, eine digitale Lücke zu schließen und zum Beispiel die geile zweite Combat Sgock Platte mit dem But Alive-Gitarristen Hagen endlich digital zu haben.

Und freuen Sich dann manchmal die Kapellen, dass sich noch jemand an sie erinnert und was veröffentlicht haben möchte?

SA: Ja und manche fallen erschrocken rückwärts vom Stuhl, wenn sich jemand deren Jugendsünden ausgräbt. Um das mal klar zu sagen: Wir wollen am liebsten auch immer das erste Demo veröffentlichen, haha. Pur und ungefiltert und noch nicht von der bösen Punkindustrie glattgeschliffen.

Ich stell mir die Nachforschung / Kontaktsuche zu den Protagonisten und Protagonistinnen zum Teil recht schwierig vor. Also fast Detektivarbeit. Hattet Ihr da auch schon mal „Schwere Fälle“? Oder seid Ihr durchs Fanzine und die Stadt Hamburg nah genug am Puls der Punkrockszene, dass das gar nicht sooo schwer ist?

SA: Detektivarbeit trifft es ganz gut, auch nachrichtendienstliche Erkenntnisse werden eingesetzt. Schlappi war lange Zeit beim BND, daher der Name. Er hat über jede deutsche Punkband eine Akte. Nein, ernsthaft: Kontakte haben wir ein paar, dazu Discogs, Email, Instagram und ab dafür. Wenn das nicht hilft, suchen wir bei Reddit oder Abgefuckt liebt dich.

Der Hang zu 90er Jahre (Deutsch)punk ist bei Euch klar zu erkennen, wenn auch nicht ausschließlich. Wie wählt Ihr Eure Band aus, die Ihr veröffentlichen möchtet und kommen mittlerweile Bands gezielt auf Euch zu? Wer hat die besten Chancen bei Euch veröffentlicht zu werden?

SA: Für Digital-Releases: Wenn es geil ist und nicht erhältlich. Für Vinyl: Wenn es geil ist, nicht erhältlich und es genügend Käufer geben könnte. Vieles ergibt sich über Kontakte, a la „Wollt Ihr dann nicht auch gleich XY rausbringen“. Wir stöbern gern alte Sampler und Fanzines durch, aber ey, die Bands können sich langsam auch mal mehr von sich aus bei uns melden!

Wir sieht es denn manchmal mit den rechtlichen Aspekten aus. Es gibt es ja genügend Bands, die noch nicht digital veröffentlich wurden. Ich denke da an N.O.E. usw. Ist das so schwierig oder wollen die Bands nicht?

SA: Natürlich veröffentlichen wir nur Sachen, wo alle Rechte einwandfrei geklärt sind. Womit auch schon Teil 2 der Frage beantwortet ist: Warum es bei manchen Bands nicht geht oder so lange dauert. Weil die eben nicht geklärt sind. Oft genug ist auch Kommunikation unter den Bandmitgliedern das Problem. Wenn Atze im lokalen AZ auf die Idee kommt, seine alten Songs digital rauszubringen, aber der Gitarrist ist inzwischen UN-Botschafter und eher schwer zu erreichen. Zum Thema N.O.E.: einfach mal abwarten.

Wir machen ja nicht nur Alte Kacke.

Mittlerweile gibt es ja auch schon ein paar physische Tonträger. Ausschließlich Vinyl? Ich denke mal, das sind dann eher Sachen, die es vorher gar nicht bzw. nur in geringen Stückzahlen gab. Oder was ist ausschlaggebend, was auf physisch erscheint und was digital?

SA: Wir bedienen gerne auch den Schnöselsektor, das stimmt. Diese seltsamen Materialisten, die sich Plattensammler nennen und sich was drauf einbilden. Es muss sich halt lohnen, wie die FDP-Punks sagen. Manche Alben sind vergriffen, da halten wir es mit Hass (ham wir auch wiederveröffentlicht): Gebt der Meute was sie braucht. Bei einigen alten Releases war klar, die MÜSSEN wir auf Vinyl machen, wie die Skeptiker „Frühe Werke“, absolut essentieller Stoff, den es bisher nur auf CD und kopierten Tapes gab. Eine ganz andere Nummer sind Veröffentlichungen, die es so noch nie gab. Wir machen ja nicht nur Alte Kacke. Wir haben zum Beispiel ein Sampler-Projekt, an dem wir seit über zwei Jahren arbeiten, das ist eine Herzensangelegenheit, nur exklusive Songs, und das ist völlig klar, dass das auf Vinyl erscheinen muss. Schlappi will vor allem seine Plattensammlung komplettieren und nicht horrende Preise dafür zahlen müssen.

Man merkt Euch ja doch eine gewisse Nähe zu But Alive und ihrem Schaffen an. Gerade wurde die Wiederveröffentlichung der beiden ersten Alben angekündigt. Hätte man Euch da nicht mit ins Boot holen sollen oder können?

SA: Nee nee, da sind ja schon zwei Spitzenlabels involviert. Das war schon kompliziert genug. Über 25 Jahre waren die Alben nicht regulär erhältlich. Klar hätten wir es gemacht, aber die Frage stellte sich nie. Es ist einfach wunderbar, dass die jetzt wieder rauskommen.

Zumindest sorgt Ihr immer wieder für die Veröffentlichung frischer BA-Cover-Versionen. Nach Schwefel & JayJay und Flomb! habt Ihr zuletzt N.T.Ä. mit einer But Alive-Coverversion veröffentlicht. Sucht Ihr aktiv nach solchen Tracks, melden sich die Bands direkt bei Euch oder gebt Ihr diese gar in Auftrag? Und was kommt da als Nächstes?

SA: Wir haben da ganz gezielt nachgefragt bei Bands und Künstlern, wo wir denken, dass das passen würde. Wir wollen jetzt nicht zu viel verraten, aber es kommen noch ein paar richtig starke Versionen. Von hohen Norden bis an den Rhein und nach Leipzig und von Piano bis HC-Thrash ist einiges dabei.

Könnte man davon auch ne Compilation zusammenstellen?

SA: Ja, das könnte man tatsächlich… Gute Idee!

Das Coverartwork für diese Songs kommt ja, so wie ich mitbekommen habe, vom Markus (Magenbitter-Comics). Wie kam da die Verbindung zustande?

SA: Markus hat schon fürs Mind The Gap Fanzine großartige Artworks beigesteuert, so sind wir auf ihn aufmerksam geworden. Er hatte direkt Bock auf das Thema. Bislang hat er zwei Single-Cover für die But Alive-Songs gemacht. Und das ist längst nicht alles.

Eure physischen Tonträger werden zusammengefasst im „Drei Label“ – Shop verkauft? Was hat es damit auf sich. Bestehen da auch Verbindungen untereinander. Wie grenzt Ihr Euch ab?

SA: „Drei Label“, der Name sagt es schon, sind drei Labels, die Schlappi macht. Last Exit Music, Sterbt Alle und Drei Label. Es gab mal noch zwei weitere, aber die wurden Ende 2024 beendet.

Stimmt, ich sehe gerade, dass es nur noch auf zwei Labels geschrumpft ist. Und natürlich zum Schluss – Was steht in Zukunft an? Welche Pläne gibt es?

SA: Pläne haben wir immer. Im Februar wollen wir zu Fuß nach Essen zu den letzten Lokalmatadoren-Konzerten wandern! Falls du Veröffentlichungen meinst, droppe ich hier einfach mal Namen: Schließmuskel, Dunkle Straßen, Eisenpimmel, Der Dicke Polizist, Tag ohne Schatten, Razors, Supernichts, V Mann Joe to name a few!

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– Playlist: Happy Release Day

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