Stick To Your Guns haben erst vor kurzem ihre Tour mit Wolf Down, Counterparts und Stray From The Path beendet. Dabei standen für die Band über 20 Shows in ausverkaufte Hallen in ganz Europa auf dem Programm. Wir konnten beim Tourabschluss in der Posthalle Würzburg am 27. Februar 2016 ein Interview mit Stick To Your Guns Sänger Jesse Barnett führen. Dort plauderten wir gemeinsam mit Jesse über die Schwierigkeiten einer Hardcore Band, die kommerzielle Erfolge feiert, seine derzeitige Lieblingsband und über die vergangene Tour.
Ich höre Hardcore seit ich 12 Jahre alt bin. Heute bin ich 28. Ich spiele kein gottverdammtes Spiel! Ich bin nicht hier um ein cooler Kerl zu sein, wie viele 19-20jährige.
Interview mit Jesse Barnett von STICK TO YOUR GUNS im Februar 2016
AFL: Hey Jesse! Danke für das Interview! STICK TO YOUR GUNS war und ist eine politisch ausgerichtete und engagierte Hardcore Band. Bei uns in Deutschland gibt es Momentan eine große Zuwanderung von Flüchtlingen, die Hilfe von allen Seiten brauchen. Bietet sich euch die Möglichkeit, als große Band im Hardcore Business, die ihr inzwischen seid, solche Projekte im größeren Maße in eurer Heimat zu unterstützen?
Jesse: Ja, ich hatte hierzu mein eigenes Projekt! Ich gab dieses dem Namen Some Kind Of Hope. Dort machte ich gemeinsam mit anderen Bands Hüte und T-Shirts. Diese verkauften wir dann und spendeten alle Gewinne an gemeinnützige Organisationen. Bei der Zusammenarbeit mit ROTTING OUT gingen die Erlöse beispielsweise an eine Unterkunft für missbrauchte Frauen in Long Beach, Kalifornien. Ich habe bei dem Projekt auch mit TERROR für die Rettung von Pittbulls zusammengearbeitet. Ein weiteres Projekt hatte ich mit TRAPPED UNDER ICE, beim dem die Gewinne an ein Kinderheim in Baltimore gespendet wurden.
Bei dem Flüchtlingsthema hier in Deutschland bin ich wegen der STICK TO YOUR GUNS-Tour nicht ganz so gut involviert. Es ist aber definitiv mehr in Europa als in den USA ein Streitpunkt. Wir nutzen die Bühne als Plattform, um unsere Meinung über solche Themen kundzutun und Menschen klar zumachen, dass Flüchtlingen geholfen werden muss. Ich werde immer wieder gefragt, ob ich stolz darauf bin ein Amerikaner zu sein. Das ich als Ami geboren wurde, hat nichts mit mir zu tun. Ich hab das nicht entschieden, dass ich in den USA geboren wurde. Es war keine Entscheidung, die ich treffen konnte, also kann ich auch nicht stolz darauf sein. Ich bin stolz über Entscheidungen, die ich selbst treffen kann. Ich bin stolz auf das was ich für andere Menschen tun kann. Ich versuche das unseren jungem Publikum auf der Bühne mitzuteilen. Ich möchte Menschen dazu ermutigen mitfühlender und ein wenig aufgeschlossener zu Dingen zu sein, ohne dass man von irgendetwas voreingenommen ist.
AFL: Seit dem Album The Hope Division sind mir in eurem Artwork immer diese Pfeile in einem geschlossenen Kreis ins Auge gestochen. Welche Bedeutung haben diese Symbole, oder ist das rein künstlerisch zu sehen?
Jesse: Das klingt jetzt alles vielleicht ein wenig kitschig. Es ist eine Art Lebenskreis; eben wie sich die Dinge im Leben so drehen. Mal hat man Glück und wird belohnt, ein anderes Mal bekommt man in den Arsch getreten. Was das Symbol letztendlich bedeutet, ist Karma. Wir verwenden das Herz und den Kreis mit Pfeilen; wir haben die Diamanten mit Pfeilen; das Unendlichkeitszeichen. Es soll immer wieder das gleiche Konzept wiedergeben werden. Das was man im Leben gibt, bekommt man auch wieder zurück: Entweder man hat Pech oder man wieder belohnt.
AFL: Ist es euch wichtig, dass eure Konzerte bezahlbar bleiben und nicht zu sehr der kommerzielle Erfolg im Vordergrund steht?
Jesse: Ja klar sollen sie das! Ich weiß nicht, ob ich es jetzt kommerziellen Erfolg nennen würde. Wenn wir erfolgreich wären, dann auf jeden Fall mehr in Europa als in den USA. Hardcore und Punk hat in Europa einen ganz anderen Stellenwert als in den USA. In den Staaten ist unsere Musik viel mehr Underground als hier. Hier in Europa hat man das Gefühl, dass Hardcore Musik von den Menschen akzeptiert und auch als wirkliche Musik angesehen wird. Wir werden in Zukunft mit Bands auf Tour gehen, welche musikalisch vielleicht nicht ganz so unser Ding sind, aber uns die Möglichkeit geben, unsere Message vor tausenden Menschen zu verteilen. Klar bewegen wir uns ein wenig aus dem Untergrund heraus, aber wir haben unsere Füße immer noch auf dem Boden und wissen woher wir kommen.
„Geld wird nie der entscheidende Faktor sein. Wir haben auch schon Shows abgelehnt, bei denen wir wirklich viel Geld bekommen hätten!“
AFL: Welche Kompromisse muss man dabei eingehen, um trotzdem möglich nah am Hardcore zu bleiben?
Jesse: Der Kompromiss…puh schwierige Frage. Ich denke wir wissen, was wir aussagen und erreichen wollen und bringe dafür auch viel Zeit auf. Wir reißen uns echt den Arsch auf! Ich habe mit 15 Jahren angefangen und einen Scheiß auf Geld gegeben. Heute bin ich 28 Jahre und kümmere mich natürlich mehr um Geld. Ich bin ein erwachsener Mann mit Verantwortungen, um die ich mich kümmern muss. Geld wird aber wie gesagt nie der entscheidende Faktor sein. Wir haben auch schon große Shows abgelehnt, bei denen wir wirklich viel Geld bekommen hätten. Ganz einfach deshalb, weil wir es für ethisch nicht korrekt hielten, es zeitlich nicht passte oder wir ganz einfach kein Bock darauf hatten. Klar gibt es für uns auch Kompromisse. Wir haben beispielsweise eine Tour mit Attila gespielt. Sie ist eine von den abscheulich lächerlichen harten Band und die Message von ihnen ist das genaue Gegenteil von Stick To Your Guns. Wir sind trotzdem auf die Bühne und haben mit deren Fans geredet und ihnen unsere Message zu zeigen.
AFL: Wie verbringt ihr die Zeit während den Shows? Es war ja schon eine ziemliche straffe und lange Tour. Geht man sich da untereinander nicht ab und an auf den Sack, wenn man sich nur auf den Füßen sitzt.
Jesse: Ich muss erst einmal loswerden, dass es wirklich großartige Fragen sind die ihr stellt! Ich hab bei Interviews bisher noch nie solche Fragen gestellt bekommen. Fantastisch, danke!
Es entstehen hier und da immer mal wieder kleinere Meinungsverschiedenheiten. Diese sind aber meist von interner Natur. Ich komme nie zu dem Punkt, an dem ich richtig explodiere und aus der Haut fahre. Wenn mir irgendetwas vielleicht mal nicht so passt, dann ziehe ich meine Schuhe an und verpisse mich einfach. Wir waren beispielsweise in Berlin. Ich war bereits um 10 Uhr morgens auf und alle anderen schliefen noch. Ich hab mich dann in irgendeine U-Bahn gesetzt und bin ohne Plan in den nächstne Wagen eingestiegen und losgefahren.
Die Tour gehört zu den Top 3 der Touren die am meisten Spaß machen. Es macht wirklich so viel Spaß mit all den Bands abzuhängen! ;Mittlerweile sind wir auch alle richtig gute Freunde geworden. Seit dem ersten Tag geht es einfach nur richtig ab. Kurz vor Tourstart ging die Beziehung mit meiner Freundin nach sechs Jahren zu Ende. Da war es natürlich super eine solch verrückte und wilde Tour mit 30 Freunden zu spielen. Ich bin so dankbar, dass so viele Besucher zu den Shows gekommen sind. Wir hatten so viele Zuschauer wie noch nie zuvor! Das fühlt sich großartig an. Wir haben die Tour auch immer mitgefilmt. Als ich die Videos nach der Show angeschaut habe, war ich sprachlos. Ich bekomme das auf der Bühne gar nicht so mit, dass es so abgeht und so viele Menschen im Publikum sind. Ich gehe einfach auf die Bühne und denke mir: Let’s do this! Scheißegal wie viele Leute da sind. Ich gehe einfach auf die Bühne und mach unser Ding. Als ich die Videos dann hinterher angeschaut habe, dachte ich mir nur fuck, dass ist verrückt! Ich bin unseren Fans so dankbar dafür!
AFL: Wenn man gut ist, ist man gut. Was willst du mehr?
Jesse: Es ist häufig Haarspalterei, wenn Menschen darüber diskutieren was eine Hardcore Band ist und was nicht. Wenn eine Band gut ist, ist sie verdammt nochmal gut. Da ist es egal, ob man es jetzt Hardcore, Metalcore oder sonst irgendwie nennen mag. Stell mich mit irgendeiner Hardcore Band auf die Bühne und ich garantiere dir, dass ich mit mehr Energie auf der Bühne stehe als viele andere! Ich höre Hardcore seit ich 12 Jahre alt bin. Heute bin ich 28. Ich spiele kein gottverdammtes Spiel! Ich bin nicht hier um ein cooler Kerl zu sein, wie viele 19-20jährige.
AFL: Interessiert ihr euch für Kultur in den Städten, in denen ihr unterwegs seid; Sightseeing usw.?
Jesse: Ja na klar! Es gibt da ein paar die sich mehr wie andere für Sightseeing interessieren. Ich versuche die Städte immer zu erkunden, wenn wir in einer Stadt angekommen sind. Wenn ich aufwache ist es meistens schon zu spät und wir müssen zur nächsten Show fahren. Wir sind mittlerweile schon sehr familiar mit den Städten und müssen gar nicht mehr nach dem Weg fragen. Wenn wir in Berlin, Leipzig usw. sind wissen wir genau wo wir hinwollen. Wir waren da aufgrund der ständigen Touren mittlerweile schon wirklich sehr oft. Wir fühlen uns da fast schon ein wenig wie ein Einheimischer, haha. Ich weiß schon vorher zu welchen Restaurant oder Kaffee ich gehen möchte. Es ist natürlich auch immer cool etwas Neues zu sehen. Das ist uns auch sehr wichtig. In zwei Wochen geht es zum Beispiel mit Terror auf Japan Tour. Da läuft es ähnlich wie hier. Wir möchten dort so viel wie möglich sehen!
AFL: Dave von Wolf Down meinte in einem Interview mit uns, dass ihr sie für die Tour eingeladen habt und sie unbedingt als Support wolltet. Was gefällt euch an Wolf Down?
Jesse: Je älter ich werde, desto schwerer fällt es mir neue Bands zu finden die mich auf die Art und Weise ansprechen und berühren, wie Bands als ich jünger war. Ich war als ich jünger war viel empfänglicher und offener. Ich war so aufgeregt und es war für mich so spannend als ich begann Hardcore Musik zu hören. Je älter ich wurde, desto mehr kümmerte ich mich auch um die Riffs und um das was in den Texten gesagt wurde. Das gefällt mir so an Wolf Down. Sie sprechen Dinge an, welche die meisten Bands nicht ansprechen würden. Sie gehen auf die Bühne und sagen sehr unpopuläre Sachen. Ich bin der Meinung, dass man dazu sehr viel Mut braucht! Das hat mich wirklich sehr beeindruckt! Wolf Down ist nicht dafür da, um ständig ihre Meinung zu wechseln, nur weil gerade irgendetwas angesagt ist und so Platten zu verkaufen. Sie sind der ultimative Stinkefinger und sehr politisch. Wolf Down ist großartig – ich liebe sie!
AFL: Könnt ihr euch vorstellen sie auch einmal in den USA mit auf Tour zu nehmen?
Jesse: JA! Absolut. Aber es muss Sinn machen. Ich möchte nicht, dass sie dabei Geld drauflegen müssen. Ich würde mich dabei schlecht fühlen. Es ist eine teure Reise. Du weißt was ich mein! Aber wir arbeiten daran!
AFL: Was waren Highlights der Tour? Gab es auch negative Ereignisse? Waren die meistens Shows der Tour ausverkauft?
Jesse: Wenn es negative Dinge gabt, waren die wirklich so klein, dass ich mich nicht wirklich daran erinnere oder sie nicht erwähnenswert sind. Einer der Höhepunkte war, als wir in Karlsruhe in ein Wasserpark waren. Das war echt geil!
AFL: Würzburg ist die letzte Show der Tour. Wie war die Tour rückwirkend und freut ihr euch schon auf euer Zuhause, oder seid ihr traurig, dass die Tour zu Ende ist?
Jesse: Wenn ich drei weitere Wochen anhängen könnte würde ich es tun! Ich finde es schade, dass es schon nach Hause geht. Ich möchte weiter auf Tour bleiben, aber es ist wie es ist. Wir kommen wieder. Ich weiß, dass es nicht das letzte Mal ist, so ist es ein ganz netter Weg Europa zu verlassen.
AFL: Was habt ihr in der nächsten Zeit sonst so für Pläne außer die Japan Tour mit Terror? Vielleicht ein neues Album und eine US-Tour?
Jesse: Als nächstes steht definitv eine US-Tour auf dem Programm. Im Juli und August werden wir außerdem ein paar Festivals in Europa spielen!
AFL: Vielen Dank fürs Interview Jesse! Viel Spaß auf der Show und eine gute Heimreise! Bis zum nächste Mal.
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