Review von Bennie:
Wenn es um Stick To Your Guns geht, bin ich definitiv keine Referenz. In den Anfangstagen meiner Tätigkeit als Schreiber fiel mir ihr Debütalbum For What It´s Worth in die Hände und ich war ziemlich geflasht. Diese krude Mixtur aus brachialem HC, stampfenden Metalriffs und zuckersüßen Punkrock-Melodien war damals schon außergewöhnlich und hob die Kalifornier deutlich von der Masse ab.
Es folgten Meilensteine wie The Hope Division oder Diamond. Danach verlor ich die Band irgendwann aus den Augen, bis ich sie vor zwei Jahren auf dem Reload-Festival sah. Durch die Saftkur des Kollegen Günni schon ein wenig angeschickert, ballerten sie mich mal komplett weg. Was ein Auftritt am frühen Samstagnachmittag.
Große Neugierde auf die neue Platte
Auf der Heimreise hörte ich mich erstmal durch die fehlenden Alben und schämte mich. Warum waren mir Alben wie Disobedient oder Spectre durchgegangen? Wie dem auch sei, ich war wieder voll drauf auf Stick To Your Guns und dementsprechend heiß auf die neue Scheibe Keep Planting Flowers. Wer die Vorab-Singles Severed Forever oder More Than A Witness bereits verinnerlicht hat, weiß wie der Hase läuft: Mit Vollgas durch die Wand! Ihrem Stil, den ich bereits zu Anfang kurz umriss, bleibt sich das Quintett auch auf dem neuen Album treu. Nur dass man in der über 20-jährigen Bandgeschichte noch Einiges in Sachen Songwriting dazugelernt hat.
Wäre Keep Planting Flowers ein Film, würde er aus einer Aneinanderreihung von Zitaten bestehen. Gemacht für die Kenner der Szene, nicht für die breite Masse. Ob sich daraus ein moderner Klassiker entwickelt, bleibt abzuwarten. Die Möglichkeiten dafür sind bestens gegeben, denn übertragen auf die Musik findet man hier allerhand Schmackhaftes. Wie der Melodiepart bei Severed Forever oder auch der stampfende Beginn von Permanent Dark in Kombination mit dem orchestralen Zwischenstück. Völlig wahnwitzig auch der Moshpart bei Invisible Rain, den Frontmann Jesse mit dem herausgebrüllten ‚Move!‘ initiiert. Da wird der Pit ordentlich abgehen.
Summa summarum fallen mir zum Abschluss zwei Dinge zum neuen Stick To Your Guns-Album ein: Erstens ist es ein richtig hartes Album geworden, was eine Menge Spielereien enthält. In Gänze ist es aber überschaubar und nicht so schwer zugänglich, wie ich zuerst befürchtete. Dies liegt am zweiten Punkt, der bei Keep Planting Flowers auffällt: In der Kürze liegt die Würze. Die Band aus Orange County überfrachtet die Songs nicht künstlich, was zu einer frischen Kurzlebigkeit führt. Das gab es in der Vergangenheit schon deutlich schlechter. Phrasendrescher könnten jetzt anbringen, dass Stick To Your Guns erwachsen geworden sind.
Review von nita:
Während ich meine Review verfasst habe, kannte ich Bennies Text natürlich noch nicht. Ich habe den beim Einpflegen des Artikels das erste Mal gelesen und muss an vielen Stellen zustimmend nicken. Und ja, das mit dem erwachsen geworden sein, das kann man so stehen lassen.
Stick To Your Guns veröffentlicht also nun am 10. Januar 2025 ihr achtes Album namens Keep Planting Flowers – dieses Mal über SharpTone Records. Das Quintett liefert in zehn Songs und knapp 25 Minuten einen auf den Kern reduzierten Sound mit starken Grooves, gnadenlosen Breakdowns, treibenden Riffs und schnellem Tempo. Dazu kommt die ungebremste Wut in Sänger Jesse Barnetts Stimme, die auch oft klar und melodiös daherkommt. Eine Kombination, die für diese Band markant ist.
Das Album startet und endet mit Spatenstichen, Graben in der Erde. Ob hier etwas ausgegraben, eingegraben oder gepflanzt wird, mag jeder selbst für sich interpretieren. Stick To Your Guns streben unermüdlich nach einer besseren Welt und üben Kritik an gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten. Wer ihre Botschaft hören will, wird sie auch auf dem neuen Album erkennen. Sie verbirgt sich unter all der kompromisslosen Härte der Songs. Es ist ein Aufruf zur Widerstandsfähigkeit in diesen schwierigen und harten Zeiten und dafür seine eigene Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.
Erste Veröffentlichungen geben einen guten Ausblick auf das neue Album
Nach dem ersten Spatenstich startet das Album mit dem kurzen und gnadenlosen We All Die Anyway. Das folgende Spineless mit treibendem Bass und starkem Refrain ist einer meiner Lieblingssongs der Platte. Im Sommer 2024 hatte die Band bereits Permanent Dark und Invisible Rain veröffentlicht. Dieser Mix aus New School Hardcore und Metalcore gab einen sehr guten Ausblick auf das neue Album. Es kommt in weiten Teilen sehr schwer, schnell und treibend daher. Wut und Aggression treffen auf Nachdenklichkeit. Sanfte Naturgeräusche durchbrechen zwischen den Songs die Dampfwalze zwischendurch immer wieder auf.
Severed Forever ist eine kurze und energiegeladene Hymne mit melodischem Refrain und einem heftigen Breakdown. More Than A Witness folgt mit noch schnellerem Tempo, wütend und eindringlich. „How can we look away?“ klagt Jesse und endet mit einem klaren „We are all complicit, I am more than a witness”.
Sanfte Klänge inmitten aller Härte
Das emotionale Highlight des Albums ist wohl eindeutig das sehr berührende Keep Planting Flowers. Mit sanften Naturgeräuschen und klarem Gitarrenspiel startet der Song ganz sanft. Jesses rauer Gesang kommt dazu und klingt klagend und verzweifelt. Das Stück baut sich über die erste Minute ruhig auf wie eine Welle, die sich langsam auftürmt bevor sie krachend über alles hineinbricht. Unheimlich intensiv geht der Song unter die Haut und ins Herz. Jesse Barnett sagt dazu und über das Album selbst:
‚Keep Planting Flowers‘ ist eine Sammlung von Liedern, die gegen die nihilistische Erzählung ankämpfen, die unsere Köpfe und Gesellschaften plagt. Eine, die besagt, dass die Dinge einfach so sind, wie sie sind, und dass wir ungeachtet der brennenden Wut oder der tiefen Depression, mit der uns das erfüllt, einfach nichts dagegen tun können.
Ich lehne eine solche freudlose Sichtweise auf das eine Leben, das zu leben ich die Ehre habe, kämpferisch ab. Eine neue Welt braucht ein neues Du, also egal wie schlimm die Dinge werden, pflanze weiter Blumen.
Eats Me Up durchbricht die nachdenkliche Stimmung, holt Schwung und rollt kraftvoll voran. Ein schnelles Stück mit eingängigem Refrain, ein ganz klassisches Stück Stick To Your Guns. Die Band beendet das Album mit zwei Songs mit Gastauftritten. Scott Vogel von Terror und Jesse liefern sich im knapp einminütigen Who Needs Who ein Duell der Wutausbrüche. Bei H84U trägt die wunderbare Connie Sgarbossa von SeeYouSpaceCowboy mit emotionsgeladenem Shouting ihren besonderen Teil zu dem letzten, sehr wütenden Stück bei.
Mein erster Eindruck beim Hören des neuen Albums war, dass es wieder deutlich härter ist als der Vorgänger Spectre. Doch auch auf Spectre finden sich z.B. mit Who Dares Wins und Liberate schon Stücke, die auch sehr gut auf Keep Planting Flowers passen würden. Dieses bleibt ein eher düsteres und schweres Album, das jedoch auch seine sanften Klänge einschließt.
Tracklist
- We All Die Anyway
- Spineless
- Permanent Dark
- Invisible Rain
- Severed Forever
- More Than A Witness
- Keep Planting Flowers
- Eats Me Up
- Who Needs Who (Feat. Scott Vogel of Terror)
- H84U (Feat. Connie Sgarbossa of SeeYouSpaceCowboy)
Stick To Your Guns – Europa-Tour 2025
13.01.25 ** Germany ** Hamburg ** Docks
14.01.25 ** Germany ** Hannover ** Capitol
15.01.25 ** Germany ** Nürnberg ** Löwensaal
16.01.25 ** Germany ** Karlsruhe ** Substage
17.01.25 ** Germany ** Köln Carlswerk ** Victoria
18.01.25 ** Germany ** Münster Skaters ** Palace
19.01.25 ** Netherlands ** Utrecht ** Tivoli Vredenburg
21.01.25 ** Switzerland ** Geneva ** PTR L’Usine
22.01.25 ** Italy ** Bologna ** Locomotiv Club
23.01.25 ** Germany ** Wiesbaden ** Schlachthof
24.01.25 ** Luxembourg ** Luxembourg ** City Atelier
25.01.25 ** France ** Paris ** Trabendo
26.01.25 ** Belgium ** Brussels ** AB
28.01.25 ** France ** Lyon ** La Rayonne
29.01.25 ** Spain ** Barcelona ** Razzmatazz 2
30.01.25 ** Spain ** Madrid ** Mon Live
31.01.25 ** Portugal ** Lisboa ** LAV
01.02.25 ** Spain ** Pamplona ** Totem
02.02.25 ** France ** Toulouse ** La Cabane
04.02.25 ** Switzerland ** Solothurn ** Kofmehl
05.02.25 ** Germany ** München ** Backstage Werk
06.02.25 ** Hungary ** Budapest ** Dürer Kert
07.02.25 ** Austria ** Wien ** Arena
08.02.25 ** Germany ** Dresden ** Reithalle
09.02.25 ** Germany ** Berlin ** Huxleys