Strike Anywhere – Nightmares Of The West (2020)
Strike Anywhere – Nightmares Of The West (2020)

Am 17. Juli 2020 erscheint auf Pure Noise Records Strike Anywhere’s EP Nightmares Of The West. Eine verdammt lange Zeit haben sie uns warten lassen und die Angst war groß, dass sie den gleichen Weg gehen, wie viele ihrer Wegbegleiter, die einst als Hardcore-Punk-Band begeisterten und durch den Zeitgeist weichgespült wurden.

Aber nicht Strike Anywhere. Die sieben Songs, sechs eigene und ein Coversong, knüpfen genau da an, wo Strike Anywhere vor 10 Jahren aufgehört haben. Und man weiß nicht, ob man „Zum Glück“ oder „leider“ sagen soll, denn noch immer gibt es genug, was die Band aus Richmond anzuprangern hat. Es ist sogar noch mehr geworden, seit sie die Arbeiten an Nightmares Of The West beendet haben. Gewachsen zu einem Zustand, den sie sich selbst nie hätten vorstellen können und der erschreckend und hoffnungsspendend zugleich ist. Wird der soziale und politische Frieden, für den sie seit 20 Jahren kämpfen, endlich Realität?

Strike Anywhere (Photo by Josh Casino)
Strike Anywhere (Photo by Josh Casino)

Falls ja, dürfte Nightmares Of The West zum Soundtrack der Proteste in Amerika werden. Schwierige (politische) Themen, wie Kolonialismus, Kapitalismus und Hörigkeit des Volkes werden hier bearbeitet und klingen dabei keineswegs wie ein Uni-Seminar, sondern treffen den Hörer persönlich und unverblümt.

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Strike Anywhere meistern das Gleichgewicht zwischen dem Politischen und dem Persönlichen und glänzen auch musikalisch mit dem, was sie schon immer am besten konnten: (Politisch) wichtige Messages in Melodien zu gießen, die man mitsingen und -schreien kann und die so zu kraftvollen Parolen werden. Gemischt werden sie mit den persönlichen Einflüssen und der Veränderung, die sich innerhalb der Band ergeben hat, wie uns Sänger Thomas Barnett im Interview erzählte.

Das Ergebnis sind kraftvolle und zugleich eingängige Songs. Die Stimme von Thomas Barnett hat nichts von ihrer Eindringlichkeit verloren, sie scheint sogar noch ein wenig intensiver als bisher. Als wollte sie sagen: „Jetzt aber endlich!“

Und so erzählt Track 1, Documentary, vom überwältigenden Gefühl des Verlusts, der Verachtung und des Ekels über das, was aus der Gesellschaft geworden ist. Gefolgt wird es vom ungestümen Dress The Wounds.

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Es folgt The Bells, ein Lied über die Runderneuerung der Vergangenheit, das speziell die Geister ihrer Heimatstadt Richmond erforscht. Ausgelöst wurde es durch „einen Spaziergang durch die Stadt, den ich gemacht habe, nachdem ein guter Freund von mir bei einem Brand ums Leben kam“, erklärt Barnett. „In den letzten 10 Jahren seit Iron Front hat es auch viele Verluste gegeben, denn offensichtlich ist es das, was passiert, wenn man älter wird – man verliert Freunde und Gleichaltrige. Die Idee, zu trauern, aber zu wissen, dass man das nicht alleine durchstehen muss, ist in der Platte verankert. Aber in diesem Lied geht es auch um den Verlust und die Trauer nichtmenschlicher Dinge – Städte, Zeit. Dinge, die früher viel Tiefe besaßen und sich wirklich robust anfühlten, und die sich jetzt durch die Gentrifizierung abgeflacht fühlen, abgeflacht durch den rohen Kapitalismus, der die Kunsträume und die Gemeinschaften der Arbeiterklasse verdrängt. Es geht um die Art und Weise, wie Städte sich verändern und wen man verliert und wohin die Menschen gehen müssen, wenn sie es sich nicht mehr leisten können, irgendwo zu leben“.

Strike Anyhwere live in Richmond, 2020 (Photo by Julie Ferguson)
Strike Anyhwere live in Richmond, 2020 (Photo by Julie Ferguson)

Auch wenn The Bells sicherlich ein Gefühl von aufrichtiger, ergreifender persönlicher Nostalgie über all die Dinge und Menschen ausstrahlt, die im Laufe der Jahre verloren gegangen sind, so wird der Song natürlich auch durch die politischen Ansichten untermauert, die die Band seit ihrer Gründung angetrieben haben. Wie die meisten Songs, die Strike Anywhere im Laufe der Jahre geschrieben haben, sind auch die Songs auf Nightmares Of The West zwar spezifisch in Bezug auf den Rahmen und die Inspiration, aber universell in ihrer Bedeutung, ihrer Botschaft und ihren Emotionen.

Frontier Glitch ist ein aggressiver und kraftvoller und gleichzeitig melodischer Ausbruch von Trotz und Verärgerung, der auch die Textzeilen enthält, die dem Album ihren Namen geben.

„The state of world is Nightmares of the West / You’re a soldier / And you just wanna live to see home / But there’s war in our country too / And blind billionaires / Between me and you.“

Mit Imperium Of Waste gelingt es Strike Anywhere den Schmerz, die Enttäuschung und das Entsetzen in eine Melodie zu packen.

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Während Thomas Barnett singt

„There is a pulse beating under this life / Under this life / Our Generation / Suffocation/ First world / Minute to hour / Oil tanker and tower / I won’t detonate this minefield / For your false idea of power“

sind im Hintergrund „Hey, hey, hey“-Chöre zu hören, die wie ein Weckruf aus dem Albtraum klingen. Sie erinnern stark an die „Hey, hey, hey“-Chöre in We Amplify vom Exit English Album. Diesmal hoffentlich mit mehr Erfolg.

Mit Opener covern Strike Anywhere einen Song der befreundeten britischen Band Blocko, deren Schlagzeuger, Marc „Mates“ Maitland, sich 2019 das Leben nahm.

We Make The Road By Walking fasst zusammen, worum es Strike Anywhere mit Nightmares Of The West geht: Den Zuhörer mit der erschreckenden und schmerzhaften Realität am Kragen packen und wachrütteln aus diesem Albtraum.

Und es geht darum, Hoffnung zu stiften und uns anzuregen, den guten Kampf zu kämpfen, Trost in Freundschaft und Gemeinschaft zu finden, um sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene zu heilen.

„Egal was passiert ist und egal was passieren könnte und wird, wir müssen immer weiter auf etwas Besseres zugehen müssen und uns bemühen, selbst besser zu werden. Hier muss es um Heilung gehen“, sagt Barnett. „Es muss darum gehen, in die Tiefe zu schauen und zu verstehen, dass wir alle noch immer zusammen in dieser Sache stecken.“

Nightmares Of The West erinnert mich daran, was Strike Anywhere und die Punk Hardcore Gemeinschaft schon immer für mich ausgemacht haben: Zusammengehörigkeit, Offenheit, Biss und Sturheit (im positiven Sinne), Realismus und ganz viel positive Energie.

Tracklist

  1. Documentary
  2. Dress The Wounds
  3. The Bells
  4. Frontier Glitch
  5. Imperium Of Waste
  6. Opener
  7. We Make The Road By Walking
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– Playlist: Happy Release Day

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