Die Backyard Band aus Köln ist aktuell vielleicht eine der einmaligsten jungen Bands in der Republik. Mit Mitte 20 bringen sie einen Sound auf die Bühne, der an sich an die 60er und 70er erinnert, dabei aber so modern und frisch verpackt ist, dass er spannender ist, als die meisten Bands in diesem Alter. In den letzten Jahren hat die Band extrem viel geackert und scheint nun Stück für Stück die Früchte dafür zu ernten.
Nach einer Tour mit Slime und zahlreichen Festivals hat die Backyard Band nun ihr drittes Album Shake It Up rausgebracht (Review hier), dass nicht nur einen einmaligen Mix aus Rock’n’Roll, Garagen-Sound und direkten Texten mit sich bringt sondern mit Elf von Slime, Kuddel von den Toten Hosen und Torben Wesche von King Khan & His Shrines auch beeindruckende Feature-Gäste aufweist.
Im Interview mit Sänger Moritz, Gitarrist Sebastian und Bassist Simon ging es nicht nur darum, wie es zu diesen besonderen Konstellationen kam, sondern auch, wie es ist, auf dem Ruhrpott Rodeo sein neues Album zu feiern oder warum man auch in seinen 20ern authentische Working Class-Hymnen schreiben kann.
AWAY FROM LIFE: Ihr habt gerade quasi eure Release-Party mit einer Show hier beim Ruhrpott Rodeo gefeiert. Wie war der Auftritt?
Sebastian: Wir waren wirklich positiv überrascht! Wir dachten, es kommen 20-30 Leute, da man um 13:30 mit einer halben Stunde ja auch nicht so viel Zeit hat. Dass dann aber so viele Leute bereit standen, fand ich wirklich toll.
AFL: Guckt ihr euch noch andere Shows heute an?
Moritz: Das schauen wir spontan, wir trinken auf jeden Fall noch ein paar Bier.
Sebastian: Ich bleibe nüchtern, da ich noch fahre haha.
AFL: Gute Arbeitsteilung! Euch gibt es ja jetzt schon ein paar Jahre und ihr habt nun euer drittes Album rausgebracht. Ich habe das Gefühl, dass es an manchen Stellen etwas „professioneller“ wird: ihr werdet auf Festivals wie dem Ruhrpott Rodeo gebucht, spielt u.a. Shows mit Slime, habt ein wahnsinnig gut produziertes Album mit bekannten Musikern aufgenommen, usw. Wie fühlt sich das für euch an?
Sebastian: Ich glaube schon, dass wir über die Jahre natürlich etwas „professioneller“ geworden sind, weil man einfach einen anderen Anspruch an sich selbst hat. Ich glaube aber auch, dass wir immer sagen, dass an erster Stelle der Spaß stehen muss. Wir streben da jetzt nicht nach irgendwas sondern gucken, was kommt. Wir gucken vor allem, dass wir besser werden, spielen aber nicht mit irgendwelchen Erwartungen.
AFL: Wie macht sich denn dieser Anspruch, besser zu werden, z.B. beim Songwriting bemerkbar?
Moritz: Da ist schon ein Unterschied. Bei den letzten Platten sind einige Sachen drauf, die heute nicht zwingend meinem Anspruch an mich selbst genügen würden.
AFL: Führt mich mal ein wenig durch den Albumprozess. Wann habt ihr angefangen, zu schreiben? Wie war es im Studio, usw.?
Sebastian: 70-80% der Lieder sind kurz vor der Recording Session entstanden – also irgendwann im Sommer letzten Jahres. 2-3 sind noch von der Zeit kurz vor Corona. Ganz kurz vor den Sessions kam Moritz dann mit der Idee, auch mal deutsche Songs zu machen, wo ich als quasi Konservativster in der Band erstmal skeptisch war. Aber ich finde, es hat dann sehr gut funktioniert. Aber oft ist es so, wenn ich etwas schlecht finde und alle anderen gut, dann ist es meistens auch gut haha.
„Da habe ich gemerkt, wie viele Dinge einfach falsch laufen, was dazu führte, dass eine gewisse Wut einfach raus muss – und da ist Musik natürlich perfekt.“
AFL: Am Ende ist es ja auch fast 50/50 was die Anzahl an deutschen und englischen Texten angeht. Ist es für dich, Moritz, anders, wenn du auf deutsch statt auf englisch schreibst?
Moritz: Es ist auf jeden Fall anders, da du in deiner Muttersprache natürlich ganz anders auf den Text achtest. Wenn wir ehrlich sind, handeln unsere englischen Texte ja oft sehr klischeehaft von normalen Rock’n’Roll-Themen. Ein Engländer würde sich vermutlich tierisch über die Grammatik aufregen haha.
Sebastian: Oft ist es ja auch so, das Moritz im Proberaum irgendwas ins Mikro nuschelt und daraus später dann ein echter Satz wird. Oft schreibt er die Texte auch erst einen Abend vor der Aufnahme.
Simon: Jetzt war es natürlich zum ersten Mal, dass die Leute bewusst auf die Songtexte geachtet haben. Vorher ging es mehr um das Gefühl des Songs allgemein, jetzt halt auch um die Inhalte.
Moritz: Es kann halt auch schnell cringe werden, wenn der Text auf deutsch nicht gut ist – dementsprechend kritischer ist man mit sich selbst und dementsprechend viel ändert man auch ab. Fürs erste Mal sind wir aber sehr zufrieden.
Sebastian: Am Ende wollen wir vor allem den gleichen Sound fahren und nicht in so eine Pop-Punk-Richtung abdriften. Und es kann schon gut sein, dass wir da dann auch weiter bei Deutsch bleiben – mal gucken!
AFL: Habt ihr jetzt schon Lieblingslieder vom Album – sowohl vom live als auch auf Platte?
Moritz: Ich muss sagen, dass ich unsere deutschen Singles schon ziemlich geil finde: also Haltet mal die Fresse und Aufstand im Betrieb. Für live haben wir zudem die englischen Songs mit dem Saxophon reingenommen, die auch echt cool sind.
Sebastian: Ich fand Haltet mal die Fresse heute auf der Bühne richtig geil, das hat Bock gemacht!
AFL: Du hast ja schon gesagt, dass man vor allem bei den deutschen Songs mehr auf den Text achtet. Anstatt das 1.000.000. stumpfe Anti Nazi-Lied zu machen, seid ihr auch politisch, aber mit noch tieferer Substanz. Du, Moritz, bist auch Gewerkschaftler: schreibst du viel über deine eigenen Erfahrungen und falls ja, ist es mit Absicht so, in den Texten etwas tiefer zu gehen?
Moritz: Insgesamt sind wir alle ziemlich politisiert. Die einen vielleicht etwas „radikaler“ als die anderen aber insgesamt sind wir uns in der Richtung einig. Ich selbst arbeite ja nicht nur bei der Gewerkschaft sondern war auch vorher schon gewerkschaftlich aktiv bei einem großen Online-Getränke-Lieferdienst. Da habe ich gemerkt, wie viele Dinge einfach falsch laufen, was dazu führte, dass eine gewisse Wut einfach raus muss – und da ist Musik natürlich perfekt. Dementsprechend sind die Songs aus der Emotion heraus entstanden und nicht, weil wir mit kalkulierter Absicht etwas politisches machen wollten.
„Aber auch die ganz winzigen Shows vor 10 Leuten sind geil, weil du halt eine super private Verbindung aufbaust.“
AFL: Ich finde, bei euch kommt ein gewisser Working Class-Vibe rüber, den man ja eigentlich eher von deutlich älteren Oi-Bands gewohnt ist. Working Class scheint bei jüngeren Punkbands nicht so präsent zu sein wir bei euch…
Sebastian: Wir stehen ja immer noch auf diesen alten Sound, u.a. von vielen 60’s-Garagen-Bands, die heute vielleicht nur noch irgendwelche Nerds kennen.
AFL: Hört ihr oft von älteren Zuschauern, dass ihr sie an den Sound von früher erinnert – nur halt in moderner?
Moritz: Wir haben in der Tat viele Fans in der Altersklasse 50-70, die damals einfach mit dieser Musik aufgewachsen sind. Klar kommen das Sprüche a la’ Dr. Feelgood, The Sonics, usw. und dass wir sie an die Zeit in den 70ern erinnern. Auf der anderen Seite ist es aber auch geil, wenn es, wie letztens, auf einem Studentenfestival in Aachen zu nem Moshpit kommt. Denn zu unserer Musik kann man gut moshen, wenn man will haha – egal ob älter oder jünger.
Sebastian: Da ist es auch cool, dass Moritz damals, als wir angefangen haben und erstmal 60er-Cover gespielt haben, die Mundharmonika rausgeholt hat. Das sorgt nach wie vor für einen Höhepunkt im Set.
„Irgendwann kam dann unser Drummer Maxi, der immer gut darin ist, Leute zu nerven, und wollte unbedingt, dass Kuddel auf ein paar der deutschen Songs mitspielt.“
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AFL: Ihr habt auf dem Album mehrere Gäste: u.a. Kuddel von den Toten Hosen. Wie kam es zu diesem Feature?
Sebastian: Das war meine Schuld haha. Kurz vor Corona haben wir im Haus der Jugend in Düsseldorf unser größtes eigenes Konzert gespielt. Vor 400 Leuten, das war total krass. Dort habe ich Kuddel kennengelernt, da wir Vom schon seit Jahren kannten. Ich hab ihn dann angequatscht, da wir beide Linkshänder-Gitarristen sind und wir haben über Gitarren geredet. Nachdem man dann redet, wird man auch mal schnell in den Proberaum eingeladen, wo wir ein bisschen gejamt haben. Über Corona ist der Kontakt dann geblieben. Irgendwann kam dann unser Drummer Maxi, der immer gut darin ist, Leute zu nerven, und wollte unbedingt, dass Kuddel auf ein paar der deutschen Songs mitspielt. Ich hab ihn dann gefragt, Kuddel hat sofort „ja“ gesagt und eine Woche später saß er mit uns im Studio. Das war total geil, weil er sich auch total gut vorbereitet und richtig intensiv Gitarrenparts überlegt hatte. Das war echt schön!
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AFL: Und wie kam es zum Feature mit Elf von Slime?
Sebastian: Das ging über die Slime-Support-Shows letztes Jahr. Da hatte ich ihn schon ein bisschen geteasert, dass wir deutsche Songs haben, was ihn hellhörig gemacht hat, da wir uns auch schon etwas länger kannten. Irgendwann hab ich ihm dann Haltet mal die Fresse geschickt. Das fand er richtig geil und hat gefragt, ob er auch irgendwo mitspielen kann. So kam es dann, dass er sein Solo auf LKA geballert hat. Am meisten feier’ ich aber fast schon, dass Torben Wesche als Saxophonist dabei ist.
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AFL: Genau, wie kam es dazu?
Sebastian: Torben ist über eine andere Kölner Band mit uns in Kontakt gekommen, da er mit denen in Düsseldorf bei besagtem Konzert Support gemacht hat. Dort dachte ich dann, dass es total geil wäre, ein Saxophon dabei zu haben, weshalb wir ihn einfach ins Studio eingeladen haben.
AFL: Abseits davon mit bekannten Musikern auf der selben Platte zu sein oder z.B. beim Ruhrpott Rodeo zu spielen: was waren in den letzten Jahren besondere Highlights mit der Band?
Moritz: Mega cool war natürlich, dass wir ein paar Auslandsgigs hatten: sei es in englischen Vorstädten, in Paris, in Belgien oder in Holland – das ist natürlich der Hammer. Aber auch die ganz winzigen Shows vor 10 Leuten sind geil, weil du halt eine super private Verbindung aufbaust.
Sebastian: Spontan würde ich Slime-Support in Hamburg sagen. Das war richtig geil! Ansonsten haben wir seit Corona fast nur Festivals gespielt, was auch toll ist. Aber wenn wir bald z.B. am 28.9. in Köln im Sonic Ballroom spielen, wird das hoffentlich auch richtig fett. Ansonsten kommen wir auch u.a. dieses Jahr noch nach Berlin ins Wild at Heart und nach Krefeld. Und nächstes Jahr dann hoffentlich wieder noch weiter weg.
AFL: In Köln bin ich am Start! Danke euch für eure Zeit!