The Mighty Mighty Bosstones, da bedarf es wohl keine Vorstellung. Die „Jungs“ aus Boston gelten als die erste Band, die Hardcore-Punk mit Ska-Elementen mischten und so den sogenannten Skacore kreierten. Ihr Debütalbum Devil’s Night Out gilt bis heute als absoluter Meilenstein und auch danach ließen Sänger Richard „Dicky“ Barrett und seine Mannen zahlreiche weitere Klassiker folgen.
Während des diesjährigen Mission Ready Festivals in Giebelstadt konnten wir Joe Gittleman, Bassist von The Mighty Mighty Bosstones, ein paar Fragen für ein Interview stellen. Neben unseren Fragen, konnten wir im Vorfeld auch einige Fan-Fragen sammeln, die wir Joe stellen konnten.
Erfolg ist uns nicht mehr wichtig.
The Mighty Mighty Bosstones Bassist Joe Gittleman im Interview
AFL: Schön, euch zu sehen. Es hat ja lange gedauert, bis ihr wieder live in Europa zu sehen wart. Wird es bis zum nächsten Mal wieder fünf Jahre dauern oder plant ihr uns wieder häufiger einen Besuch abzustatten?
Joe: Da hast du recht, es ist tatsächlich schon etwas her als wir das letzte Mal in Europa waren. Als wir vor fünf Jahren hier waren, haben wir auch nur zwei Shows gespielt. Ich kann dir leider gar nicht genau sagen, wann wir wieder kommen können. Wir prüfen stetig unsere Terminkalender, um zu schauen wann es passen könnte ein paar Shows zu spielen. Ich denke, dass wir spätestens 2020 wiederkommen können. Im August steht für uns zunächst einmal eine zweiwöchige US-Tournee an. Ansonsten gibt es nach der Tour noch eine Show in New Jersey zum 30-jährigen Jubiläum der Bouncing Souls.
AFL: Bevorzugt ihr denn eher Festivals wie das Mission Ready oder Clubshows?
Joe: Das ist eigentlich total egal, solange die Leute Spaß haben. Dort wo die Leute am meisten Spaß haben, spielen wir selbst auch am liebsten. Für mich selbst geht es allen voran um die Energie, egal ob großes oder kleines Publikum. Solange wir unsere Energie auf der Bühne auf die Zuschauer übertragen können, ist es mir egal.
AFL: Letztes Jahr habt ihr eine Benefizshow für Jimmy G von der Band Murphy’s Law im Thompson Square Park in New York gespielt. Zuerst einmal, wisst ihr wie es Jimmy geht? Wie lange kennt ihr Jimmy? Seht ihr eine Möglichkeit Murphy’s Law in Zukunft mit euch auf Tour zu nehmen?
Joe: Nun, ich kann mir eine Tour mit Murphy’s Law sehr gut vorstellen, weil wir schon einmal eine Tour mit ihnen gespielt haben. Dies war für uns die allererste Tour überhaupt, die wir in „Midwest“ in den Staaten gespielt hatten. Wir eröffneten damals für Murphy’s Law die Shows. Jimmy brachte uns also nach Chicago und Detroit. Er war also quasi der Erste, der uns nach Boston herausholte. Murphys’s Law sind seitdem sehr enge Freunde von uns.
Ich selbst war bereits mit Jimmy befreundet als ich noch in Gang Green war. Wir haben damals schon viel mit Murphy’s Law gespielt. Du siehst, dass die Freundschaft wirklich weit zurückgeht und wir mit Murphy’s Law wirklich „sehr dicke“ sind. Er hat auch bei unserem ersten Album The Devils Night Out mitgewirkt und sang mit Dick gemeinsam den Song A Little Bit Ugly. Wir waren mit ihn auch in seiner Radiosendung in New York. Als sich die Gelegenheit bot Jimmy zu helfen, war es für uns eine Ehre und wir zögerten keine Sekunde.
Ehrlich gesagt weiß ich nicht wie es ihm gerade geht – da bin ich leider nicht auf dem ganz neuesten Stand, aber soweit ich weiß, geht es Jimmy den Umständen entsprechend gut und er ist auf dem „richtigen Weg“.
AFL: Im vergangenen Jahr habt ihr euer neues Album „While We’re At It“ veröffentlicht. Es war sechs oder sieben Jahre her, seit eurer letzten Veröffentlichung. Hat es den erhofften Erfolg erzielt ?
Joe: Erfolg ist uns nicht mehr wichtig. Es war für uns auf künstlerischer Ebene völlig zufriedenstellend. Wir wollten eine experimentierfreudige Platte machen und das haben wir mit While We’re At It gemacht. Für mich wird dieses Album immer unter unseren Top-3 sein. Schön war, dass die Leute in England die Songs gekannt haben als wir dort waren. Wenn die Leute also mit unserer Musik in Berührung gekommen sind, durch Spotify oder was auch immer, auch wenn die Verkäufe nicht großartig waren, dann ist das ein Erfolg. Die Leute kennen unsere Musik.
Es gab eine Zeit in der wir 300 Konzerte pro Jahr spielten. Es ist schwer, diese Begeisterung für solch lange und große Tourneen aufrecht zu erhalten.
AFL: Also hat es auch nicht den Erfolg von „Let’s Face It“ erreicht?
Joe: Nein, niemals! Nicht einmal im Entferntesten. Wir waren damals einfach eine erstklassige Band. Wir sind seit 30 Jahren eine Band. Es gab ein Jahr, in dem wir dieses „Let´s Face It“-Ding hatten, und keines unserer anderer Alben hat sich diesem auch nur angenähert. Das war ein einmaliges „Ding“.
AFL: Einer meiner Lieblingssongs vom eurem neuen Album „While We’re At It“ ist der Song „In Honor Of“. Wenn ich das Lied höre, denke ich, dass Musik ein mächtiges Werkzeug ist und eine Plattform sein kann, um wichtige Botschaften zu vermitteln. Denkst du, dass die Jugend von heute mehr daran interessiert ist, was in den Texten tatsächlich gesagt wird, oder dass sie mehr daran interessiert ist, wie ein bestimmter Song klingt?
Joe: Ich denke, dass unsere Botschaften auf dieser Platte, wenn wir live spielen, weitgehend verstanden und geschätzt werden.
AFL: Was ist dir als Bassist wichtiger: Die Musik, also der Sound, oder die Texte?
Joe: Für mich ist ein Song eine Kombination aus Beat, Texten und Melodie, so wie es harmoniert, es ist der Mix. Ein Element allein wird nicht wirklich die kombinierte Energie liefern können. Was mich inspiriert, ist die Art und Weise, wie sich die Dinge verbinden.
Wir haben für das neue Album „While We’re At It“ von verschiedenen Orten aus gearbeitet. Dicky war in Los Angeles und ich war in Cape Cod in Massachusetts. Wir haben täglich kommuniziert und Demos elektronisch verschickt und solche Sachen. Dicky schreibt definitiv Texte, die mich dazu inspirieren Musik zu schreiben. So würde ich schon eher sagen, dass die Texte Basis für einen guten Song sind und zunächst wichtiger als der Sound sind.
AFL: Wir haben im Vorfeld ein paar Fragen auf unserer Facebook-Seite von The Mighty Mighty Bosstones-Fans gesammelt, die ich dir jetzt stellen würde.
Joe: Coole Idee, schieß‘ los.
AFL: Könnt ihr von eurer Tätigkeit bei The Mighty Mighty Bossontes leben?
Joe: Wenn wir uns dazu entschließen würden, wie früher auf Tour zu gehen, könnten wir das auf jeden Fall. Aber wir alle haben momentan alle verschiedene Dinge im Leben am Laufen, wodurch die Bosstones etwas in Hintergrund geraten, da die Zeit fehlt. Trotzdem nimmt die Band einen sehr wichtigen Teil unseres Lebens ein. Wir freuen uns immer darauf mit den Bosstones auf der Bühne zu stehen und unsere Songs zu spielen.
Es gab eine Zeit in der wir 300 Konzerte pro Jahr spielten. Es ist schwer, diese Begeisterung für solch lange und große Tourneen aufrecht zu erhalten.
Ich finde es aktuell super, so wie wir es jetzt tun, indem wir ein über die Band hinaus berufliches und privates Leben führen können und dabei trotzdem gelegentlich für Shows auf der Bühne stehen.
Kurzgesagt könnten wir mit Sicherheit von der Musik leben, wenn wir wieder auf Tour gehen würden, wie wir es früher getan haben, aber dann wäre nur noch Zeit für The Mighty Mighty Bosstones und sonst nichts. Im Moment ist das nicht wirklich unser Ziel.
AFL: Daran schließt diese Frage direkt gut an: Von welchen Jobs reden wir hier und habt ihr andere musikalische Projekte außerhalb der Bosstones?
Joe: Ja, ich zum Beispiel bin Collage-Professor. Ich habe vor zehn Jahren das Musikgeschäftsprogramm bei Vermont State Collage gestartet. Ich bin jetzt am Lehrstuhl für Musik und darstellende Kunst ein festes Mitglied des Hochschulwesens und immer noch unterrichtend.
Dicky ist der Moderator der Jimmy Kimmel Show in Los Angeles. Unser Saxophonist Tim arbeitet im Filmgeschäft als Produktionskoordinator. Unser Saxophonist Leon ist Teil der „Tennessee Kids“-Band und tourt mit Justin Timberlake. Er ist auch ein gefragter Studiomusiker und ist dort auf Abruf für Studios in Los Angeles. Du siehst schon, dass wir alle sehr unterschiedlich tätig sind, aber es immer etwas mit der Musik zu tun hat.
AFL: Auch eine Fanfrage: Wie schwierig ist es für euch, die Familie, den Beruf und euer Privatleben für eine Tour zurück zu stecken? Hast du dann auch Heimweh?
Joe: Die größte Schwierigkeit ist momentan die Koordination der neun Bandmitglieder, die alle unterschiedliche Dinge vorhaben. Wir müssen also weit genug im Voraus planen, wann wer Zeit hat und wir überhaupt Shows spielen können. Das war in den vergangenen Jahren aber auch schon so.
Generell ist es heutzutage durch das Aufkommen des Internet und der Smartphones viel einfacher Verbindung mit Zuhause aufzunehmen. Das gab es in den 90ern nicht. Ansonsten hat sich nicht viel geändert und wir machen im Tourbus immer noch die gleichen Witze wie früher.
AFL: Was ist dein Lieblings-Coversong?
Joe: Auf dieser Tour spielten wir die Lieder „I Can See Clearly Now“ von Johnny Nash und „Simmer Down“ von Bob Marley, welches uns sehr gut gefallen hat. Wir haben im Laufe der Jahre auch so viele Hardcore- und Punk-Songs gecovert.
AFL: Müssen wir auf das nächste Album auch wieder so lange warten?
Joe: Die Frage kann ich nicht wirklich beantworten. Das ist eine gute Frage. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es eines Tages wieder ein neues Album geben wird. In Wahrheit sind wir mit dem neuesten Album noch nicht einmal so viel auf Tour gegangen. Ich denke, wir müssen noch ein bisschen weiter arbeiten, um das Album zu promoten. Für mich ist das Album immer noch zu frisch und wir haben gerade einmal knapp 30 Shows gespielt seit es herausgekommen ist.
AFL: Woher bekommt dein Tänzer Ben Carr seine Energie?
Joe: Gute Frage, das müsste man Ben einmal direkt fragen.
AFL: Kennst du die Band Distemper und siehst du irgendeine Möglichkeit, Shows mit ihnen zu spielen?
Joe: Ja, ich kenne die Band! Natürlich können wir mit ihnen Shows spielen.
AFL: Danke für das Interview. Hast du noch irgendwelchen letzten Worte, die du loswerden möchtest?
Joe: Nein, ich denke wir haben über alles gesprochen. Es hat mich gefreut dich zu treffen, Franz.