Das zehnte Jubiläum haben die vier Jungs von The Offenders bereits seit längerem hinter sich gelassen und auch ihr aktuelles Album Heart Of Glas (HIER geht es zu unserem Review) hat bereits ein paar Monate auf dem Buckel.
Trotzdem wollten wir es nicht versäumt haben Sänger Valerio noch ein paar Fragen dazu zu stellen.
Der Staat, der von der Polizei verteidigt wird, ist auf jeden Fall dreckiger und ein größerer Bastard als die Polizei selbst.
Lest hier unser Interview mit Valerio von
AFL: Hey Valerio…du entschuldigst bitte meine erste Frage, aber sie ist unumgänglich…wie geht´s?
Valerio: Heute echt scheiße, es ist scheiß kalt, dunkel und irgendwie fühle ich mich nicht. Aber das ist es ja nicht, was die Leute hören wollen. Die wollen immer lieber sowas hören wie „Danke gut und dir?“ und sie selbst antworten dann dasselbe.
Darum dreht sich auch der Song Wie Geht´s – um die einfache, dumme und auch lakonische Standartantwort „Danke und selbst?“.
AFL: Einer meiner Favoriten auf eurem aktuellen Album Heart Of Glass ist der Track My Darling ´ACAB´ und das nicht nur weil er mir musikalisch so gut gefällt, sondern auch weil er mit textlich so aus dem Herzen spricht.
Wie trittst du Personen gegenüber, die offensichtlich nur aus modischen Gründen Dr. Martens, H&M-Punkshirts o.ä. tragen und was hältst du von Verallgemeinerungen?
Ich persönlich finde ehrlich gesagt, dass nicht alle Bullen Bastarde sind.
Valerio: Ehrlich gesagt denke ich nicht, dass wir uns noch in dieser Mode-Dekade befinden. Die letzte Punk-Revival-Mode war in den 90ern und ging bis in die frühen 2000er. Alles was man jetzt noch sieht, ist das was davon übrig geblieben ist und eben der Underground selbst.
Sicher gibt es auch noch Leute die immer mal wieder Szene-Mode aufgreifen oder auch tragen um dazuzugehören, aber im Grunde gehen diese Leute auch schnell wieder.
Der Song selbst ist gegen Leute gerichtet die immer wieder generalisieren. Die halt sowas sagen wie „alle Italiener sind Mafiosos“, „alle Araber Terroristen“ oder aber eben auch „all cops are bastards“. Es kann immer mal passieren, dass man jemanden mit einer Uniform trifft, der eben nicht so ein Bastard ist, wie man immer gedacht hat.
Genug gesagt, ich möchte mit dem Lied einfach nur sagen, dass ich Uniformen genauso wenig leiden kann wie eine Gesellschaft die die Uniformen verteidigt und sich dabei ebenso wiederspricht. Ich kann keinen Missbrauch von Macht oder Gewalt an Unschuldigen ertragen. Der Staat, der von der Polizei verteidigt wird, ist auf jeden Fall dreckiger und ein größerer Bastard als die Polizei selbst.
Ein Hund wird aufs Töten trainiert, er war nicht darauf aus als er geboren wurde und somit ist doch der eigentliche Schuldige der Trainer!
AFL: Hattest du selber schon häufiger Probleme mit Verallgemeinerungen…also das du aufgrund deines Äußeren in die faschistische Ecke gesteckt wurdest?
Mit Boots And Braces (Don’t Mean Racist) hast du ja auch ein mehr als hörenswertes Statement zu dem Thema abgegeben.
Valerio: Ich hatte das Glück in einer Stadt geboren worden zu sein, in der das Wort Faschist, in Bezug auf Skinheads, prinzipiell verboten war und diejenigen die es doch taten, taten es hinter vorgehaltener Hand.
Der Song selbst dreht sich darum, dass die Idioten den Skinhead-Style nur dafür nutzen böse und aggressiv zu wirken und nichts anderes.
Kahl geschorene Köpfe, Bomber und Boots war der klassische Stereotyp des Boneheads. Die Faschisten waren halt immer so blöd, dass sie irgendwas kopieren mussten und nie selbst was „kreieren“ konnten. Schau dir doch an, was sie heutzutage machen: sie spielen Hip-Hop als wäre es weiße Musik…oder noch schlimmer, sie spielen Rock als weiße Musik. Die haben nichts…das ist die Wahrheit!
AFL: Jetzt habe ich schon so einige meiner Favoriten genannt…hast du selber auch einen persönlichen Favoriten auf dem Album?
Valerio: Normalerweise erwähne ich mein Lieblingslied nicht, denn am Ende schrieb ich doch jede einzelne Note und jedes Wort, wodurch es für mich immer schwer ist eines auszuwählen. Ich könnte an dieser Stelle aber wohl Fallin nennen – aber auch nur, weil du zu Kotti Is Not L.A. ja noch eine Frage stellst.
Ich könnte jetzt aber auch über Hope As Drugs sprechen … ich denke wir sollten unsere Hoffnungen loswerden, aber wir sollten einige bestimmte Dinge dafür dazu gewinnen. Fakten statt Worte.
Ich würde die Hoffnung denen überlassen, die glauben, dass es etwas anderes geben wird als das, was wir leben. Ich wünschte, ich könnte gleich mehr davon nehmen, wie Queen schon sagte: „I Want It All, I Want It Now!“.
AFL: Was soll der Titel eures neuesten Werks denn Aussagen? Mir fehlt etwas der Bezug zu den Songs.
Valerio: Heart Of Glass hat eine Doppelbedeutung. Zum einen kann ein Herz zwar solide, pulsierend und lebendig wirken und trotzdem ist es zerbrechlich. Und wenn es bricht, kann man sich daran schneiden. Es kann dann andere verletzen, eben genau so wie zerbrochenes Glas.
Die andere Bedeutung bezieht sich auf regelmäßige Kneipengänger, denn manchmal ertränken diese ihre Sorgen ja auch tief in dem Glas, das sie trinken.
AFL: Ihr habt euer zehntes Jahr längst hinter euch gelassen. Gibt es zurückblickend etwas, dass du in Bezug auf die Band gerne anders gemacht hättest oder gar bereust?
Valerio: Es ist schwer zu sagen, ob ich etwas bereue. Ich kann aber definitiv sagen, dass wir einige Fehler gemacht haben, nachdem wir mit Hooligan Reggae unseren „Underground-Erfolg“ erleben durften.
Unser zweites Album wurde dann nämlich sehr schnell aufgenommen und zudem hat das Label keinen ordentlichen Job gemacht. Also mussten wir noch einmal von vorne anfangen.
Das war und ist der größte Fehler, den wir in unserer Karriere gemacht haben. Unser zweiter Fehler war, dass wir herauskamen, als der Offbeat unterging. Während wir in der Szene bekannt wurden, interessierten sich die Leute immer weniger dafür und waren in andere Richtungen ausgerichtet.
Wie auch immer, wir sind immer noch hier und leben und das machen wir eben so lange wie wir es machen können – für uns selbst und für all die Leute, die die Band nach all den Jahren immer noch mit Leidenschaft und Hingabe unterstützen.
AFL: Das Lied Kotti is not L.A. beschäftigt sich u.a. mit der Drogenszene am Kottbusser Tor. Was fühlst du, wenn du an solchen Orten bist und vermisst du dann auch manchmal deine Heimat Kalabrien?
Valerio: Ich wohne ganz in der Nähe vom Kotti, also bewege ich mich dort immer wenn ich zu Hause bin. Dadurch umgeben mich halt Junkies, Drogenhändler und betrunkene Penner. Und sicher ist das auch nicht die beste Umgebung aller Zeiten, aber es ist eben auch nicht wie im Film The Riffs – Die Gewalt sind wir, nur um klar zu sein.
Kotti Is Not L.A. ist im Grunde gegen alle Touristen, die hierher kommen, um diese Situation auszunutzen, weil sie in ihrem Alltag frustriert und unterdrückt werden. Darum brauchen sie einen Ort wie Berlin, wo „alles erlaubt ist“, was auch eine riesige große Lüge ist.
AFL: Apropos…ihr wohnt mittlerweile seit 2009 in Berlin. Diese Stadt ist auch innerhalb von Deutschland umstritten. Was magst du an Berlin und was überhaupt nicht?
Valerio: Berlin wurde meine Heimat, besonders der Teil von Kreuzberg, in dem ich lebe. Man kann von dieser Stadt aber auch nicht als wahre Schönheit sprechen, da sie völlig zerstört und falsch wieder gebaut wurde. Man kann auch definitiv nicht sagen, dass Berlin glatt und sauber ist und gerade in den letzten Jahren kann man auch nicht sagen, dass es hier billig ist.
Man kann aber definitiv sagen, dass Berlin lange das Zentrum von Europa war. Schließlich ist es die Stadt, in der der kalte Krieg begann und endete, die Stadt, in der David Bowie Heroes schrieb und aufnahm, wo Iggy Pop The Passanger schrieb und aufnahm. Die Oranienstraße, die Hausbesetzer, die Punks und teilweise auch die NDW. Es gibt keinen Ort auf der Welt wie Berlin, mit all seinen Widersprüchen.
AFL: Hat dich der Umzug musikalisch oder auch menschlich verändert…so zurückblickend gesehen?
Valerio: Na sicher! Ich lebte in einer Stadt mit 100.000 Einwohnern und studierte an der Universität, bis ich hierher zog um die Musik zu meinem Hauptberuf zu machen und nun lebe ich in einer Stadt mit 4 Millionen Einwohnern. Das war ein Lebenstraum, aber eben auch eine große Veränderung … ich wünschte, ich hätte damals gewusst wie schwer es wird, aber ich denke ich hätte trotzdem das gleiche getan.
Eine Band wie wir, die nicht in großen Hallen spielt, wird während des Tourens immer Höhen und Tiefen erleben. Das ist ein Standard, aber so ist leider das Leben.
AFL: Was hat sich deiner Meinung nach seit der Veröffentlichung von Hooligan Reggae bei euch verändert?
Valerio: Ich habe mich verändert. Ich war damals 23, ich spielte sogar Schlagzeug. Ich änderte meinen Umgang mit Leuten. Durch das Touren, gerade mit Wake Up Rebels Mitte 2008, wurde mir klar, dass diese Band sich irgendwie in Europa ausbreitete.
So änderten wir MySpace, was uns am Anfang sehr geholfen hat, und unseren Stil, welcher von da an nicht mehr so 2tone beeinflusst war.
AFL: Ihr seid mit Heart Of Glass bereits länger unterwegs …wie lief die Tour bisher?
Valerio: Eine Band wie wir, die nicht in großen Hallen spielt, wird während des Tourens immer Höhen und Tiefen erleben. Das ist ein Standard, aber so ist leider das Leben.
Aber wenn wir einen guten Auftritt haben, wenn die Leute ihre Unterstützung zeigen, dann kann man wirklich die wahren Fans sehen. Die Hingabe und die Leidenschaft die manche Fans zeigen ist etwas, was mich nach Jahren immer noch bewegt. Sozusagen der Treibstoff, der mir die Möglichkeit gibt weiterzugehen und meinen Weg zu gehen trotz allem und jedem.
Zum Beispiel die Show in Wien, wo wir 2 Jahren nicht gespielt hatten und dann das … verdammt voller Club, überall Schweiß, Moshpit, Tanz und singalong – was für eine Nacht, ich habe immer noch Gänsehaut!
AFL: Was läuft denn so bei euch im Bus an Musik, wenn ihr auf Tour seid? Gibt es da Dauerbrenner, die auf keiner Tour fehlen dürfen?
Valerio: Letztens schlug unser Fahrer (Clive) The Professionals vor, die alte Band von Paul Cook und Steve Jones nach den Sex Pistols.
Die sind übrigens gerade mit einem neuen Album unterwegs und sie klingen wirklich toll. Alter Punkrock der direkt ins Herz geht!
In letzter Zeit versuche ich ein paar andere Bands des Undergrounds zu hören und schaue mir ihre neuen Veröffentlichungen an. Zum Beispiel hatten wir letzte Woche das letzte von den Peacocks, wirklich ein gutes Album. Für Fans von Clash würde ich auch die Dead 60’s empfehlen. Ihre Single Riot Radio war vor 10 Jahren ziemlich groß.
AFL: Ihr habt mittlerweile unzählige Shows gespielt, viele Alben und Singles produziert und verkauft und doch sehen viele euch immer noch als Geheimtipp an. Freust du dich darüber, dass ihr euch eher im Untergrund bewegt oder würdest du die ganz große Bühne bevorzugen?
Valerio: Ich werde versuchen Heucheleien zu vermeiden und dir eine klare Antwort zu geben: Ich liebe den Underground, aber ich würde sicherlich gerne in größeren Clubs für ein größeres Publikum spielen, ohne Zweifel.
Aber wenn das auch bedeuten würde, dass ich mich an jemanden verkaufen muss, über Themen sprechen muss die keiner hören will, vorgegebene Musik spielen muss, die Tragödien der Zeit als Flaggen schwenken und schlechte Nachrichten nutzen muss und für die Popularität eine Lüge leben muss, dann würde ich sofort klar und laut sagen: Fuck Off!
Wenn die Leute diese Band größer machen wollen, obwohl wir sind was wir sind und unsere Lieder singen, dann wäre das zweifelsohne ein Privileg und eine Ehre. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass das in diesem Leben nicht passieren wird.
AFL: Wie schafft ihr es über so viele Jahre immer nur Nuancen an eurem Stil zu verändern und eurem Stil so immer treu zu bleiben? Das schafft echt nicht jeder!
Valerio: Wie ich schon sagte, ich tue und schreibe was ich will und was immer ich in dem Moment gerade fühle ist richtig.
Als ich anfing zu touren, hatte ich eine Streetpunk-Band, dann begann ich mit den Offenders als Nebenprojekt 2Tone Songs zu schreiben und später entwickelte sich Offenders mehr und mehr zu etwas anderem.
Immer noch Offbeat mit Punk, träumend von Clash, nenne es wie du willst oder bezeichne es einfach als Hooligan Reggae – auch wenn es nichts Reggae zu tun hat und soweit ich weiß, bin ich auch kein Hooligan. Aber sicher ist es unsere „Marke“. Übrigens danke für deine Worte, wenn ich jemals ein Rezept haben werde, wirst du es als erstes wissen! ; )
AFL: Das Artwork eures neuen Albums gefällt mir richtig gut. Wenn ich dahingehend richtig informiert bin, hat dieses Stefan von SBÄM entworfen. Wie ist der Kontakt zu ihm entstanden? Kennt ihr ihn näher?
Valerio: Stefan (Sbäm) ist definitiv der aufsteigende Stern der Punk-Grafik, kein Zweifel! Er arbeitet für viele Fat Wreck Bands (Nofx eingeschlossen) und viele andere Namen in der Szene.
Wir arbeiteten zusammen an den Brew36 und Die Brassterds Grafiken und ich wollte ebenso etwas für die Offenders. Er hat dann dieses Design entworfen und wir könnten nicht glücklicher sein!
Wir wollten uns vor einem Monat in Linz treffen, aber leider war er damals krank, aber ich bin mir sicher, dass es früher oder später passieren wird!
AFL: Ich bedanke mich zu guter Letzt für deine Zeit und freue mich bereits jetzt auf eure noch kommenden Veröffentlichungen und Live-Momente. Irgendwelche letzten Worte von deiner Seite?
Valerio: Danke an dich und alle Leser! Wir sehen uns dann irgendwo und irgendwann im Moshpit!