Seit nun mehr als 15 Jahren betreibt Thomas Baumgärtel das Hip Gun Studio im beschaulichen Feldschlösschen. Strongbow, Risk It!, Deep Shining High und viele weitere Bands haben unter seiner Regie ihre Platten aufgenommen. Im Interview hat er uns verraten, worauf es beim Recording wirklich ankommt und was besonders junge Bands beachten sollten.
AFL: Hey Thomas! Viele unserer LeserInnen werden warscheinlich nicht wissen wer du bist und was du machst. Vielleicht magst du dich kurz vorstellen?!
Thomas: Hey und Hallo. Mein Name ist Baumgärtel, Thomas. Manchen auch bekannt als Al Kalony, Boomi, Tommy oder Bumsi. Ich bin 41, ganze 1,74m groß, sportliche Figur, tätowiert, Raucher, fast-nie-Trinker aber Cola Junkie. Meine Hobbies sind…
Ok. Also wenn mich jemand kennt, dann von der Musik. Mit dieser bin ich schon sehr, sehr lange verbändelt. Meine erste Band YOUNG REBELS hatte ich mit 12 Jahren. Daraus wurde dann REBEL POWER, CHICAGO JAZZZ, dann kam KRIEGER, ROBOZ, MASORATI und DOCTOR COLOSSUS. Außerdem betreibe ich, zum Kühlschrank füllen, die ganze Zeit auch ein Tonstudio. Das Hip Gun Studio. In Feldschlößchen. Bei Radeberg. Dort wo ich auch wohne. Auch, wenn ich mich keiner Richtung wirklich verschließe, wird hier vorzugsweise Rock aufgenommen. Punkrock, Metal, Stoner… Also alles, was Spaß macht und manchmal ist das auch ein Akkordeonquintett.
AFL: Eine Band entscheidet sich dafür, ihr Debutalbum bei dir im Hip Gun-Studio aufzunehmen. Was erwartet die Band und worauf muss sie sich einstellen?
Thomas: Ich denke meine größten Qualitäten liegen gar nicht unbedingt im Ton-technischen Bereich, sondern eher darin, mich gut in Musik und Bands und Situationen hineinversetzen zu können. Deswegen glaube ich die Debut-Band gut an die Hand nehmen zu können. Druck abbauen, motivieren, das Zeitmanagement zu übernehmen, damit sich niemand in irgendwas verrennt oder an einer Stelle totbastelt, und immer eine gute Idee parat zu haben, wenn irgendwas nicht so klappt oder klingt wie gewollt.
Ansonsten sollte sich jede Band darauf einstellen, dass das hier nicht die Abbey Road Studios sind. Das ist ein kleines Rock`n`Roll Studio, ohne viel Schnick Schnack, aber mit allem, was man braucht um was Gutes auf die Beine zu stellen.
AFL: Was erwartest du von Bands und KünstlerInnen, die zu dir ins Studio kommen? Worauf kommt es an?
Thomas: Naja, es ist immer gut, wenn die Bands ihr Handwerk beherrschen. Ich kann gut editieren und basteln, aber ein gutes Feeling ist ein gutes Feeling und das kann man nicht mit einem Plugin ersetzen. Ein guter Plan für die Songs ist auch nicht zu verachten. Offenheit für Input von meiner Seite her belebt und beschleunigt auch oft den Prozess und zu guter Letzt erwarte ich, dass am Ende ehrlich, korrekt und gerne gezahlt wird, denn so mache ich auch meinen Job.
AFL: Was stellt dich und deine Kunden beim Aufnehmen einer Platte vor die größten Herausforderungen? Woran scheitern Bands am häufigsten deiner Meinung nach?
Thomas: Es gibt in meinen Augen zwei Dinge, die eine Produktion schwierig machen. Erstens, wenn die Stimmung schlecht ist und zweitens, wenn sich die Band nicht auf die Dinge fokussiert, die sie gut kann. Wenn zum Beispiel der Drummer `nen geilen 4/4 Takt spielt, aber bei Up-Tempo Beats durchhängt, sollte die Band 4/4 Takt-Songs schreiben. Wenn die Sängerin gut shoutet, aber beim Singen nicht überzeugt, sollte die Band die Schmusesongs weglassen. Ich denke, du verstehst, worauf ich hinauswill? Schuster, bleib bei der Kirche in deinem Dorf. Spiel die Dinge, die du gut kannst, denn damit überzeugst du. Damit motivierst du den Zuhörer und Motivation ist das Ein und Alles um was es bei Musik geht.
AFL: Wenn man etwas über den Entstehungsprozess einer Platte hört, tauchen Begriffe wie Mixen und Mastern immer wieder auf. Kannst du unseren LeserInnen erklären, was es damit auf sich hat?
Thomas: Nun ja, das ist an sich recht einfach erklärt. Zuerst nimmt man die Instrumente auf. Damit man nachher auch noch viel daran arbeiten kann, nimmt man jedes Instrument auf separaten Spuren auf und die meisten Instrumente haben sogar mehrere Spuren. Das Schlagzeug kann locker 16 Spuren haben. Basedrum, Snare, Tom, ect. …
Beim Mixen wird dann, wenn alles fertig aufgenommen ist, an den Spuren gearbeitet. Vor allem mit Equalizern, Compressoren. Wenn das dann gut klingt, wird der Mix rausgespielt. Auf eine Stereospur. Diese kann ich mir schon auf einem anderen Gerät anhören. Damit die vielen Songs einer Platte aber zueinander passen, gleich laut sind und auch mit anderen Aufnahmen deiner Lieblingsbands mithalten können, kann und muss man die Stereofiles dann noch Mastern. Im Mix werden die einzelnen Spuren zueinander in eine gut klingende Verbindung gebracht und beim Mastern die verschiedenen Songs, die man gemixt hat.
AFL: Du selbst konntest in den vergangenen Jahren eine Menge Banderfahrung sammeln (KRIEGER, MASORATI etc.). Inwieweit beeinflussen sich deine beiden Rollen als Aufnahmeleiter und/oder Musiker?
Thomas: Der Musiker hat dem Aufnahmeleiter (schönes Wort) in mir beigebracht, wie ich mit den Menschen umgehen sollte. Wie ich sie motivieren kann, oder ihnen helfen kann und ich erkenne, warum ein 8-tel Feeling Riff nicht funktioniert, wenn die rechte Rhythmus Hand beim Gitarristen Up-and Downstrokes durcheinander bringt.
Der Aufnahmeleiter hat dafür im Gegenzug dem Musiker in mir beigebracht, dass ein Lied nur dann so richtig gut funktioniert, wenn die Drums tight sind, wenn jeder Schlag sitzt, wenn die Musiker dem Song dienen und nicht versuchen „nur“ sich selbst zu verwirklichen.
AFL: Bands und MusikerInnen können im Regelfall von allerlei Missgeschicken in ihrer Geschichte erzählen. Was fällt dir zum Thema „Pleiten, Pech und Pannen“ ein?
Thomas: Oh…Ich denke mein peinlichstes Studio-Erlebnis war, als ich mit einer sehr geilen Band (GT500) ein Vinyl Album gemacht habe. Ich sendete das Master zum Presswerk und wir bekamen ein Testmaster zurück. Die A-Seite war cool, aber auf der B-Seite liefen die A UND die B-Seite zusammen, über- und durcheinander.
AFL: 3 schnelle Fragen:
1. Welche Band würdest du gerne einem aufnehmen?
Thomas: GOJIRA
2. Das hat im Studio absolut nichts zu suchen:
Thomas: Rechtes Gedankengut!
3. Was würdest du beruflich machen, wenn du nicht das Hip Gun Studio hättest?
Thomas: Ich wäre vielleicht Filmkomponist oder Bergführer.
AFL: Die Coronapandemie und die daraus resultierenden Auswirkungen sind sicher auch an dir und deinem Studio nicht spurlos vorbeigezogen. Wie hast du diese Zeit erlebt?
Thomas: Ich mache auch den Live-Ton für The CASHBAGS. Da sind sehr, sehr viele Konzerte ausgefallen und fallen auch immer noch aus. Das war finanziell schon ein Tiefschlag. Im Studio selbst ging es auch etwas ruhiger zu. Ich habe, abgesehen von der Quarantänezeit, immer mal Bands im Studio gehabt, aber weniger als sonst. Aber da ich das Studio zu Hause habe, keine riesigen Mieten zahlen muss, ist das Jammern auf hohem Niveau. Mir ging und geht es trotz Corona gut und ich nehme das Positive mit. Mehr Zeit mit den Kiddies, mal wieder Sachen für sich selbst machen, auch im Studio. Einfach mal von dem arbeiten-arbeiten-arbeiten-Zug runter kommen.
AFL: Kannst du uns verraten, was das Schönste und was das Schlimmste an deinem Job ist?
Thomas: Das wirklich allerschönste ist, dass ich den Job nach 20 Jahren immer noch so gerne mache, dass ich mir ganze Nächte um die Ohren schlage um mich weiterzubilden. Ich schaue mir Tutorials an, lese Artikel, höre mir Podcasts an und versuche immer noch besser zu werden, weil mir der Job einfach fast ausnahmslos IMMER Spaß macht!
Das schlimmste sind Bands, die nicht ehrlich zur Tür reinkommen, was bis jetzt zum Glück nur ganz selten passiert ist. Wenn eine Band kommt und sagt: „Pass auf, uns ist das und das passiert und mit dem Geld sieht es leider knapp aus, können wir uns vielleicht auf eine Ratenzahlung einigen?“ Dann sage ich, klar: „Gerne. Macht mir einen Vorschlag.“
Aber wenn ich mit einer Band bis zum Ende arbeite und alles mache und sie mir dann sagt, dass kein Geld da ist, oder mich, wie es leider einmal passiert ist, um mein Geld bescheißt, dann kotzt mich das an. Da geht es mir noch nicht mal ums Geld. Das ist einfach keine korrekte und ehrliche Art und Weise. Solche Menschen mag ich nicht.
AFL: Alles klar, ich denke damit haben wir es. Ich danke dir sehr dafür, dass du dir Zeit für uns genommen hast und wenn du magst, kannst du jetzt noch ein paar Worte an unsere LeserInnen loswerden.
Thomas: Och, ich denke, ich habe ganz schön viel erzählt, oder? Weiß gar nicht, ob das überhaupt jemanden interessiert.
Ich freu mich jedenfalls über alle Bands und Projekte. Metal-Core, Blues, Liedermacher, Pop, Hip-Hop… und so weiter. Ich entdecke überall coole Songs und Bands und Leute, auch wenn ich im Herzen Punk bin. 🙂
Cheers
Thomas