Das Thema „Glück“ beschäftigt unzählige Berufssparten, Professionen und Wissenschaftler. So wurde und wird auf biochemischer Ebene nach Erklärungsmodellen für Glücksgefühle gesucht, aber auch innerhalb der (politischen) Philosophie ist die Thematik von zentraler Bedeutung. Entsprechende Studierende kennen oder kannten das Thema und dem Thema zuträgliche Autoren zu Genüge.

tot, also jene Band, die Lieder vom Glück zum Besten zu geben, könnten dabei vor allem den philosophischen Fachdiskurs merklich verkürzen. Dafür nehmen sich die vier Ostfriesen einen zentralen Punkt des Diskurses heraus, den des Konsums, und schreddern diesen mit ihren Instrumenten gerade zu nieder. In deren Welt ist Glück definitiv kein Produkt von Konsum und gesellschaftlichem Zusammenleben.

Jetzt bin ich leider weder ein ausgewiesener Experte der besagten philosophischen Subsparte noch des Deutschpunks, aber eines kann ich getrost zu diesen Album sagen: Es bereitet mir auf biochemischer Ebene reinste Glücksgefühle. Der erste Durchlauf von Lieder vom Glück hat mich dabei sowas von unvorbereitet getroffen, da ich dank des Bandprofils und deren Referenzen eher von einem avantgardistischen Kunstprojekt ausgegangen bin und niemals von einem Kandidaten für das Album des Jahres. Lieder vom Glück ist destruktiv, dekonstruktivistisch und zeigt eine breite musikalische Varianz, ohne dabei den berühmten roten Faden zu verlieren.

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tot (Band, 2019)

Das ganze klingt dann für mich wie Ton Steine Scherben, die mit Jello Biafra gepflegt zwei Flaschen Absinth verzehren um anschließend mit einem Knüppel durch Einkaufszentren zu flanieren. Und das, was dabei raus kommt, direkt vertonen.  Die Texte zeigen hierbei keine ausgefeilten Metaphern, sondern sind einfach gehalten und sehr eingängig. Mal wird eher gesungen, mal gepöbelt, im Falle von Die Natur kann grauenhaft sein, aber auch schön wird hingegen einfach mal eine gesampelte Rede in den Hintergrund eingefügt. Mal dominieren Bassgitarre und Drums (Alarm, Psychosomatisch), mal die Gitarre (Plastik), Panikland wiederum wirkt instrumentell sehr ausgewogen und rechnet textlich mal eben mit Allem ab:

„Alles ist scheiße,
Die ganze Welt ist falsch,
Alle Menschen Heuchler,
Alle Menschen gleich,
Alle sind hier Mörder,
Alle sind bald tot,
Die Jugend eine Lüge,
Das Alter eine Not“ (Panikland)

Was bleibt ist astreiner, konsequenter und auch experimenteller Deutschpunk, der in kleinen Punkschuppen genauso funktionieren wird wie in besetzten universitären Freiräumen irgendwelcher geistes- oder sozialwissenschaftlicher Fakultäten. Wahrscheinlich ginge es perspektivisch ne´ganze Nummer größer als die besagten Punkschuppen, das interessiert allerdings erstmal nicht. Ich genieße dieses wunderbare Stück Deutschpunk erst einmal von Track zu Track. Aktuell digital, nach Veröffentlichung auf Vinyl. Für mich ein Pflichtkauf!

Daher auch meine Empfehlung an alle Punker*innen, Gesellschaftskritiker*innen und Freund*innen des gepflegten Abrisses: Kaufen, Supporten, Glücklich sein. Klingt einerseits nach der Art Konsum, den tot vollkommen zurecht in ihrem Album auseinander  dezidieren, andererseits muss Glück ja irgendwie verbreitet werden. Und das wird die Band und deren Label ab dem 08.11.2019 über spastic fantastic Records in limitierter Auflage tun. Wer früh genug dran ist kann sich gleich ein Bundle aus farbigen Vinyl und Shirt ordern oder einfach im Vorfeld den Track mehr mal anspielen.

Groß!

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Timbo
Seit Anbeginn gehört der Konsum härterer Musik zu meinem Leben, von Punk bis Hardcore, von Metal bis Sludge. Dazu gesellt sich die Liebe zum Fussball, Hamburg ist und bleibt Braun-Weiß!
tot-lieder-vom-glueck-review-2019Das Thema "Glück" beschäftigt unzählige Berufssparten, Professionen und Wissenschaftler. So wurde und wird auf biochemischer Ebene nach Erklärungsmodellen für Glücksgefühle gesucht, aber auch innerhalb der (politischen) Philosophie ist die Thematik von zentraler Bedeutung. Entsprechende Studierende kennen oder kannten das Thema und dem Thema zuträgliche...

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