Hierzulande noch ein Geheimtipp, in Spanien dann auf großer Tour. Stacy Crowne aus Köln waren im März, während wir hier noch, Corona sei Dank, keine Shows besuchen durften, auf Tour in Spanien. Dustin, Sänger des Quartetts, hat uns ein Tourtagebuch geschrieben.
So fühlt es sich an in Spanien auf Tour zu sein. Eine Woche voller Pleiten, Pech, Pannen, viel Freude und Rock’n’Roll!
Stacy Crowne – Tour Tagebuch Spanien 03/2022
Endlich Spanien Tour! Endlich, weil wir schon seit Jahren mit dem Booker Dany Torres in Kontakt standen. 2020 sollte das Jahr werden. Der Rest ist Geschichte.
Eigentlich ist unser Plan ganz entspannt einen Tag vor dem ersten Gig in Málaga anzukommen und dann am Dienstag zu spielen. Im Vorfeld häufen sich allerdings die Hiobsbotschaften (Mal ganz abgesehen davon, dass wir inmitten der 4. Corona-Welle stehen): Der Samstag Gig auf einem Festival in Castellón musste Corona-bedingt gestrichen werden, es wurde vergeblich nach Ersatz gesucht; das Paket mit unseren LPs ist noch immer auf dem Weg von CA, USA nach Köln und kommt nicht rechtzeitig an; und nicht zuletzt können wir bis kurz vor Abflug kaum noch zu viert proben! Dustin hat Corona, muss in Quarantäne und die Befürchtung macht sich breit, dass wir nicht zu viert nach Spanien können. Dann kommt in letzter Sekunde mit dem negativen Test auch endlich die Vorfreude. Wir können nach jahrelanger Planung und trotz Pandemie losfliegen! Doch dann, Flug nach Málaga und direkt die nächste Hiobsbotschaft: Dustins Gitarre ist kaputt. Und zwar richtig. Halsbruch. Danke für nichts, Eurowings! Glücklicherweise kennt Tour-Manager und allgemeines Wunderkind Dany einen lokalen Gitarrenbauer, der sagte, er könne die Gitarre in zwei Tagen leimen. Gesagt, getan. Noch am gleichen Abend abgeben und mit Bier und Tapas die Tour eingeleitet, während daheim in Kölle (wie auch in Málaga) Karneval gefeiert wird. Es ist schließlich Rosenmontag!
Málaga – Velvet Club
Nachdem wir uns bei bestem Wetter tagsüber durch die schmalen Gassen der Innenstadt Malagas geschlängelt haben, schnell noch ein Bühnenoutfit gekauft und ein hauptsächlich flüssiges Mittagessen zu uns genommen haben, geht es noch kurz an den Strand, bevor aus Urlaub Tour-Alltag wird. Zurück zum Hostel, Kram packen und da ist auch schon Dany. Ein rauchendes Schlitzohr, die Witze sind angenehmflach, der Fahrstil im besten Fall waghalsig. Direkte Sympathie! Er entpuppt sich als Alleskönner und ist in der Szene ohnehin unumgänglich als bester Booker Spaniens bekannt.
Der Velvet Club liegt in der Innenstadt, gleich um die Ecke von unserem Hostel. Nach dem Ausladen müssen wir allerdings lange auf den Veranstalter warten. Der Klub entpuppt sich als kleiner Raum mit gleich zwei Bars. Es wird also laut. Keine Monitore, außerdem Ersatz-Gitarre, fremder Bass, scheiß Fussmaschine und ungewohnte Amps. Die Komfortzone verlässt man schnell bei solchen Gigs. Während des Soundcheck bekommt Dany die Nachricht, wir könnten am Samstag für eine andere Band in Santander einspringen! Klar sind wir dabei, aber welch Ironie, die Band hat natürlich Covid. Erst Pech, dann Glück im Unglück. Jedenfalls ist der Velvet Club gut besucht für einen Dienstag. Sogar ein alter Freund aus Köln ist zufällig zur gleichen Zeit in der Stadt und kommt uns besuchen. Alle tanzen und haben Spaß, es sind anscheinend die richtigen Leute gekommen. Peter ist überglücklich, er wird zum ersten Mal nach einem Stick gefragt, muss aber ablehnen, da er nur eine Hand voll mitgebracht hat. Am Ende Crowd glücklich, Band glücklich. Abbauen und zur Belohnung dann noch in einen Club. Live Musik, teure Drinks und schöne Frauen. Insgesamt ein guter Auftakt.
Granada – Lemon Rock
Am nächsten Morgen müssen wir früh raus. Der Kopf knirscht, die Ohren pfeifen, die Leber quietscht. Der Vorabend ging wohl doch etwas länger als erwartet. Schnelles Frühstück und ab zum Gitarrenbauer, Dustins Paula holen. Wie ein Wunder ist das gute Stück wieder heil. Kaum was zu beanstanden, die Spanier können Gitarren. Die Erleichterung ist riesig! Auf dem Weg nach Granada geht es zunächst irgendwo im nirgendwo ab zum Strand auskatern. Es gibt Bier, Paella, Carajillo, und der Serotoninspiegel steigt. Diese Fantasie von Tour mit Bier und Sonne ist schon mal in Erfüllung gegangen! Weiter Richtung Granada. Dany’s Bus scheint ihn etwas zu beschäftigen, er fährt notgedrungen langsamer. Peter kann also den Mülleimer bei Seite stellen. Mit etwas Verzögerung am Lemon Rock angekommen, die Unterkunft ist wieder gleich um die Ecke. Dort packen wir alles nach und nach in den Aufzug und fahren es in den zweiten Stock. Es war wohl vor zwei Jahren noch ein Hostel, nun ein recht schicker Mix aus Restaurant/Bar/Club, verteilt auf drei Etagen. Oben erwartet uns eine gut gelaunte, junge, tätowierte Frau namens Carmen – sie macht den Sound und ist unser persönliches Highlight an diesem Abend (Gluecifer mag sie auch noch!). Leider ist die Show sehr schlecht besucht, die wenigen Besucher sind aber begeistert und kaufen alles was der Geldbeutel noch hergibt. Nach der Show stellt uns Carmen ihre ebenso charmanten Freundinnen vor. Besonders Fabi scheint zu begeistern. So klingt der Tag für jeden etwas aus. Die einen gehen schlafen, die anderen ins Bett und die nächste Bar ist immer gleich um die Ecke.
Madrid – Wurlitzer Ballroom
Am nächsten Morgen sollten wir reichlich Zeit zum Frühstücken und einkaufen haben, denn wie vermutet ist der Van hinüber. Für Dany eine mittlere Katastrophe, er muss sich einen neuen leihen. Es fühlt sich alles etwas nach Murphy’s Law an. Als er uns irgendwann abholt, müssen wir also noch seinen Van zur Werkstatt bringen und alles umladen, bevor es weiter gehen kann. Die Fahrt wird durch die Verspätung alles andere als entspannt, aber Dany schafft es in Windeseile nach Madrid. Auf dem Weg machen wir kurioserweise noch Halt bei der Casa Pepe, landesweit als faschistische Hochburg und Franco Museum bekannt. Dany’s Erklärung: er wollte uns das “Horror-Museum” zeigen. Als Deutsche ist diese Art der Vergangenheitsbewältigung mehr als skurril und hätten wir vorher gewusst, was uns erwartet, hätten wir was mitgehen lassen oder zumindest den Edding mit auf Toilette genommen.
In Madrid erwartet uns Regen in Strömen, wir halten kurz am Hotel und fahren dann schnell weiter zum Soundcheck. Wir spielen im Wurlitzer Ballroom, in der Szene längst etabliert. Unterstützt werden wir an dem Tag von der lokalen Band Jabato. Koke, der Soundmann ist Profi und selber Musiker, der Soundcheck geht schnell und die Vibes sind allgemein gut. Einige unserer Freunde kommen auch, Exildeutsche und nach Madrid zurückgekehrte Mitbewohnerinnen. Wir haben vorher etwas Zeit alle zu begrüßen. Abgesehen von einer Panne am Schlagzeug verläuft die Show gut und bis auf Fabi bleiben alle im Club bis uns die Drinks zu teuer werden. Zurück ins Hotel. Dustin beendet den Tag noch mit dem letzten Bier im Dunkeln, dort munkelt es sich schließlich am schönsten.
Soria – El Cielo Gira
Soria ist eine beschauliche Kleinstadt unweit von Madrid im Nordens Spaniens mit einem Altersdurchschnitt von ca 112. Mehr wissen wir leider auch nicht. Wir spielen im El Cielo Gira, ein großes Festzelt zwischen Bahntrassen und ausrangierten Zügen, mit einigen Holzöfen, um die Kälte in ca. 1000m über dem Meeresspiegel zu verdrängen. Alles wirkt DIY, die Bühne ist eher eine bzw. mehrere Erhöhungen wie auf Euro-Paletten gebaut, den Sound macht Gedo, ein rauchender, alter Spanier. Als er sein Pad zückt, sind aber alle Vorurteile vergessen. Es läuft einfach, schnell und unkompliziert – die Spanier stellen trotz Sprachbarrieren nacheinander Rekorde für die schnellsten Stacy-Soundchecks auf. Es füllt sich nach und nach, der Abend verheißt gutes. Der Altersdurchschnitt ist zwar wie so oft etwas höher als unserer, aber die Leute freuen sich ungemein. So ist das in spanischen Provinzstädten. Ein Besucher mit Pennywise-Jacke erzählt uns sogar, er habe die ganze Woche nichts als unser Album gehört. Hochmotiviert betreten wir also in fast eisiger Kälte die Bühne. Es läuft gut, die Züge rauschen vorbei, alle wieder happy. Der mittlerweile besoffene Pennywise-Typ verschüttet ein Bier auf Dustin’s Pedale und entschuldigt sich für den Rest des Abends. Dann ein spätes Abendessen, wieder Carajillo, und es geht noch in eine Bar. Wohlgemerkt ist die noch einzige offene Bar eine Rock/Metal-Bar mit all unseren Helden an den Wänden. Auch das ist Spanien, hier hat unsere Lieblingsmusik noch einen anderen Stellenwert. Wir werden gleich von einigen Konzertbesuchern begrüßt, sowie – natürlich – zwei Bekannten unseres Bookers aus Hamburg. Die Welt ist klein, auch in Soria.
Santander
Nach einigen Touren lernt man irgendwann Überraschungen zu antizipieren. Positive und negative. In Santander war das allerdings nur bedingt möglich. Die Unterkunft ist ein Bungalow auf einem Campingplatz. Viel zu klein für uns vier, die Heizung lässt sich erst abends einschalten, Matratze und Bettwäsche fehlen zum Teil und es riecht noch strenger, als wir es von den Vortagen und den Bandkollegen schon gewohnt sind. Venue und Menschen sind aber großartig. Im Rock Beer the New gibt es einen sehr herzlichen Empfang. Der Laden ist zwar groß, aber auch mit allem möglichen Punk, Horror und Pop Ramsch zugestellt. Die Frau des Besitzers ist in der lokalen Turbojugend, sagt aber direkt, wir würden heute vergeblich auf Jugendliche warten. Was man nicht kennt, hört man auch nicht. Schade, sollte der Show aber nichts ausmachen. Beim Soundcheck gibt es lediglich Probleme mit der Aufhängung der PA. Wieder geht’s schnell, sodass noch Zeit für ein Spaziergang und Pre-drinking auswärts bleibt. Carajillo. Zur Stagetime sind wir alle vier besonders gut gelaunt, vor allem Dominik. Die Show verläuft gut, nur die Drinks fallen unter ständiger Bearbeitung der Bühne reihenweise um. Amps bleiben aber verschont. Zur Abwechslung sind die Zuschauer sogar mal jünger als wir! Nach der Show wird fleißig verkauft und signiert. Heute geht wirklich niemand ohne unser Merch nach Hause.
Wenig später dann die böse Überraschung. Wir packen ein und machen uns unter Anleitung von Alejandro auf dem Weg in eine beliebte Punkrock Bar. Falsch abgebogen (Fußgängerzone) und plötzlich überall Blaulicht. Kein Wunder, denn Dany’s Versuch das Auto von innen zu verdunkeln sieht mehr als zwielichtig aus. Die Beamten sind nicht gerade freundlich, suchen nach Rauschgift. Nach einer gefühlten Ewigkeit müssen wir im strömenden Regen allesamt aussteigen. Einige Schweißausbrüche und einen Beinahe-Fluchtversuch später müssen die Kollegen in blau-gelb und deren Vierbeiner aber mit leeren Händen von dannen ziehen. Wir gehen noch von Kneipe zu Kneipe bis zu einem Schwulenclub um ein paar der Fans zu treffen und die Geschehnisse zu verarbeiten. Irgendwann nimmt der Frust überhand und wir fahren Heim.
Algorta
Der Tag vor der Abreise. Die letzten Nächte liegen schwer in den Knochen, die Stimmen schwinden, aber die Basken sollen für ihr Kommen genauso belohnt bzw. bestraft werden wie alle anderen. Zudem ist der Tag grau, die See rau und es macht sich langsam Abschiedsstimmung breit. Wir spielen in La Ola, Algorta an der Atlantikküste nahe Bilbao im spanischen Baskenland. Der Laden heißt passend “die Welle”, wir spielen mit Blick auf einen kleinen Hafen. Dany scheint hier oft herzukommen und viele Freunde zu haben. U.a. ein Pärchen – er ist der Veranstalter, sie die Köchin des gemeinsamen Restaurants. Dahin führt auch unser erster Weg, nachdem wir kurz die Unterkunft gecheckt und anschließend Equipment verladen haben. Alles ist voll, für uns werden aber aus dem Lager Tisch und Stühle auf die 10m² große Hinterhof-Terrasse gestellt, und die Teller kommen nacheinander an. Leider müssen wir aber das bislang vielversprechendste Mahl abbrechen, sonst kommen wir zu spät zum Soundcheck. Im Venue nimmt alles seinen gewöhnlichen Lauf. Es sind einige Trucker-Caps und Lederjacken zu sehen – ein gutes Zeichen. Die Bühne ist winzig, Fabi sieht nicht was er spielt und Dustin ist sichtlich erschöpft – aber es stört niemanden. Die Leute bekommen nicht genug, zwei mal müssen wir zurück auf die Bühne, um die Zugaben mit allerletzter Kraft rauszuprügeln. Es war wieder ein schöner Abend mit sehr netten Gästen, einigen neuen Freundschaften und viel Bestätigung. Wenn es in Spanien immer so ist, möchten wir kaum noch woanders spielen. Es gibt nach dem Abbau, Merch-Verkauf etc. noch ein spätes Abendessen, und ab in die Koje.
Am nächsten Tag dann frühe Goodbye’s. Dominik hängt nämlich in weiser Voraussicht noch etwas Urlaub dran und fährt mit Dany wieder Richtung Süden. Wir könnten alle nach dieser großartigen Woche voller Eindrücke, Bekanntschaften und Geschichten noch etwas Ruhe gebrauchen, aber für die drei anderen geht es zurück in den Alltag. Ganz ohne Pannen – aber auch mit dem Wissen, dass diese Zeit jetzt vorbei ist.
Danke Spanien, für die Gastfreundschaft, Dankbarkeit und Liebe zu dem was wir ebenso lieben. Danke Dany für deine gute Laune, Geduld und deine (Hilfs-)Bereitschaft.
Wir werden euch alle vermissen, bis zum nächsten mal!