TUT DAS NOT im Interview über Historie, 10 Tracks und „White Noise“

Nach 16 Jahren haben sich Tut Das Not endlich mit 'Flutentreiber' zurückgemeldet. Mario hat sich die Zeit genommen uns ein paar Fragen zu beantworten., wobei wir von der Gegenwart in die Vergangenheit und in die Zukunft geschaut haben. 

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Nach 16 Jahren haben Tut Das Not sich endlich mit Flutentreiber zurückgemeldet. Bevor sich das Trio weitestgehend stillschweigend von der Bühne verabschiedet hatten, konnte sie die Band eine treue Hörerschaft aneignen. Mit der neuen Platte ist nicht nur die Melancholie wiedergekehrt, auch haben neue Einflüsse Platz gefunden. Und trotz allem ist die Essenz von Tut Das Not die gleiche wie vor 16 Jahren. Mario hat sich die Zeit genommen uns ein paar Fragen zu beantworten, wobei wir von der Gegenwart in die Vergangenheit und in die Zukunft geschaut haben.

AFL: Also ich glaub, Punkrock macht man nicht, um Geld zu verdienen.

Mario: Also wir sicherlich nicht.

AFL: Vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast. Die 16 Jahre wart ihr mehr oder weniger weg. Ihr habt zwar ein bisschen gespielt, aber, die letzte Platte war von 2009. Deshalb stellt euch gerne vor. Bestimmt habt ihr jetzt auch durch die Platte sicherlich ein paar neue Hörer*innen gewonnen, auch wenn ein wenig auf die Streamingzahlen schaut.

Mario: Ja, hoffen wir natürlich auch. Also wir sind Tut Das Not. Gegründet haben wir uns 98, damals auch noch in Vierer-Besetzung, also mit zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug. Das erste Album – die Fremdwelt – haben wir damals sofort eingespielt. Dann ist leider unser Bassist gen Berlin verschwunden und dann war die Frage:  Neuen suchen? Helge, Smigel und ich, wir kennen uns halt echt schon ewig und da hat sich einfach niemand gefunden, der musikalisch und auch persönlich passte.

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Damals haben wir uns entschieden, dass wir zu dritt weitermachen. Da aber keiner bereit war, den Bass alleine zu spielen bzw. komplett zu übernehmen, wechseln Smigel und ich uns nun immer ab. Das ist auch nicht festgelegt, wer auf den unterschiedlichen Alben wie viel spielt. Es ergibt sich einfach aus dem Songwriting heraus, wer was erbringt. So haben wir dann auch die nächsten Alben, die Bildfänger, Denkfluchten, Tiefenrauschen und Flutentreiber eingespielt. 2009 bis jetzt schon eine lange Zeit, wir haben auch acht Jahre mehr oder weniger Pause gehabt. Wir haben uns zwar getroffen, geprobt, aber keine Konzerte bis 2018 mehr gespielt. Schließlich haben wir uns gedacht, dass wir es nochmal versuchen könnten, waren aber auch schon ziemlich aus dem Fokus. Man merkt dann auch ziemlich schnell, dass es gar nicht mehr so einfach ist, Konzerte zu kriegen. Lieder sind dann machen auch über die ganzen Jahre schon entstanden, aber es hat dann halt auch ein bisschen gedauert, bis Flutentreiber 2025 endlich voll finalisiert wurde.

AFL: Das Lob, was ich für Gitarre und Bass bei der Review ausgesprochen habe, da habt ihr euch vermutlich beide drüber gefreut.

Mario: Genau, kann man so sagen.

AFL: Die Platte klingt aber auch wirklich gut. Ich hatt es ja schon angekündigt: Die Chancen stehen ganz gut, dass es neben der neuen Propagandhi-Platte in meiner Best-Of-Liste definitiv mit auftauchen wird.

Mario: Schön! Vor allem, weil es noch recht früh im Jahr ist und was noch alles so kommen kann. Aber uns freut das sehr!

AFL: Ist irgendwie bei mir immer so ein Bauchgefühl: Die Platte ist halt so gut, dann weiß ich, das ist ein Platz, der reserviert ist. Ja, eben dann natürlich der Elefant im Raum: Die 16 Jahre. Wir haben, ich glaube, vor ein oder zwei Jahren kurz mal geschrieben, weil ich durch Zufall gesehen habe, dass ihr doch wieder aktiv seid. Woran lag es, dass ihr so lange weg vom Fenster wart?

Mario: Also wie gesagt, bis 2018 war es einfach mehr oder weniger aus privaten Gründen, dass wir nur einige Konzerte gespielt haben. Jetzt vor zwei Jahren, wo alles relativ weit gediehen war, war noch das letzte Hauptthema, dass die Texte für die Songs fertig werden mussten. Wir sind jetzt nicht die schnellsten Textschreiber, sage ich mal. Das heißt, es zieht sich dann manchmal ein bisschen. Wir haben diesmal auch ein bisschen mehr in die Vorproduktion im Proberaum investiert, um gut vorbereitet zu sein. Studio ist halt doch was anderes als im Proberaum. Auch haben wir keine unbegrenzte finanzielle Mittel, dass wir sagen können, wir gehen jetzt ein halbes Jahr ins Studio. schreibt. Die Songs konnten wir so vorab bereits in einer angemessenen Qualität aufnehmen, anhören und zu beurteilen, was man noch verbessern kann. Das war eine relativ gute Vorbereitung, was sich auch zeitlich niedergeschlagen hat, bis wir dann schlussendlich zufrieden waren und richtig gut im Studio aufnehmen konnten. Dann gab es noch die Fragen: Wo gehen wir hin und zu wem? Ist das Preis-Leistungsverhältnis okay? Also das muss dann ja schon menschlich passen, weil man sehr eng zusammenarbeitet. Alles nicht so einfache Entscheidungen, denn das könnte die letzte Platte sein oder vielleicht kommt da nochmal was. Aber wir machen es aus Spaß und deshalb soll es im Studio auch so sein, dass es Spaß macht.

AFL: Also ich glaub, Punkrock macht man nicht, um Geld zu verdienen.

Mario: Also wir sicherlich nicht.

Wir kriegen zwar die Kritik, dass manches doch viel zu verkopft und zu kompliziert wäre. Bei uns gibt es die goldene Regel, nicht nach dem normalen Schema F zu arbeiten.

AFL: Du hattest jetzt gerade diese lange Vorbereitung und eben auch die, ich nenne es mal Schwierigkeit beim Texte schreiben aufgeführt. Es gibt sicherlich die einen oder anderen Punkbands, die eben einen Doppelreim machen, dann Refrain, dann wieder Doppelreim, dann eine kurze Bridge und dann ist der Song vorbei. Bei euch ist das doch eher alles ein bisschen verschachtelter, manchmal ein bisschen melancholischer, nachdenklicher. Beschreibt das die Essenz von Tut Das Not?

Mario: Ja, schon ein bisschen. Wir kriegen zwar die Kritik, dass manches doch viel zu verkopft und zu kompliziert wäre. Bei uns gibt es die goldene Regel, nicht nach dem normalen Schema F zu arbeiten. Wenn wir das mögen, das auch ein paar andere mögen, dann sind wir zufrieden. Das muss jede Band für sich entscheiden.

AFL: Das Album habt ihr jetzt diesmal komplett ohne Label veröffentlicht. Ich meine, die Nix Gut Geschichte, da muss man, glaube ich, nicht mehr drüber reden. Das ist ja mittlerweile ziemlich breitgetreten. Aber warum habt ihr euch entschieden, dass ihr das Ding in Eigenregie zu veröffentlichen? Weil ihr das wolltet oder weil euch gedacht habt, das ist wahrscheinlich einfacher, als jetzt erstmal irgendwie ein Label aufzutreiben, was halt Bock hat, euch zu veröffentlichen?

Mario: Ja, also wir haben nicht wirklich aktiv versucht ein Label zu finden. Für die Verbreitungswege ist das sicherlich sinnvoll, aber die CD-Verkäufe sind nun ja auch nicht mehr so relevant. Von der Finanzierung her ging’s und wir wollten nicht ewig lang rum suchen. Logischerweise war Nix Gut keine Option. Anstatt die Sachen erst irgendwo hinschicken zu müssen, haben wir das selber gemacht, was auch ganz gut funktioniert hat.

AFL: Du hast es ja schon geschrieben, dass falls die Resonanz groß genug ist, vielleicht noch eine Vinyl kommt.

Mario: Genau. Das war durchaus ein Thema. Aber wir müssen jetzt natürlich erstmal schauen, wie sich die Erstauflage macht. Ein paar Nachfragen wegen Vinyl gibt es, aber die ist in der Produktion recht teuer. Also könnte durchaus sein, denn es gab schon Nachfragen nach Vinyl. Wir haben sogar Nachfragen nach Kassette. Da dachte ich mir: Die gibt es auch noch? Also ja, mal sehen, aber könnte durchaus noch kommen.

AFL: Kassette ist so ein Ding, was ich überhaupt nicht verstehe, weil es auch nicht gut klingt. Aber gut, jedem das seine. Wie habt ihr euch über die die Jahre verändert? Zum einen würde ich sagen, das Flutentreiber doch ein bisschen ruhiger ist als die bisherigen Platten. Ist nicht mehr ganz so punkig. Aber textlich ist es natürlich noch mal ein bisschen offener, direkter geworden als früher.

Mario: Wirklich? Also von musikalischen her ist das keine Absicht. Vielleicht ja. Vielleicht sind unsere Instrumentals über die Jahre etwas ausdifferenziert geworden. Bei uns schreiben alle drei Texte und mit unterschiedlichen Einflüssen, mehr Lebenserfahrung. Das kann durchaus sein.

Für uns ist die Nummer untypisch, ja. Aber sonst kommt das bei den Leuten nicht an.

AFL: So über Songs reden halte ich für komisch, weil ich finde, ein Hörer / eine Hörerin sollte die Musik für sich selber entdecken. Aber was macht das mit euch, wenn jetzt zum Beispiel die Nummer White Noise, von der zweiten Platte, die jetzt fast 20 Jahre alt ist, immer noch aktuell ist und das rechte Spektrum bzw. Nazis gerade Social Media so extrem nutzen? Habt ihr damals gedacht, das White Noise vielleicht irgendwann nicht mehr so relevant ist?

Mario: Weiß ich nicht. Ich glaube, es läuft ein bisschen in Wellen ab. Aktuell ist es wieder stärker mit den Rechten. Wir hoffen schon lange, dass es sich bessert oder positiver wird. Die letzten Jahre sind doch eher wieder schlechter geworden. Mehr Gewalt, mehr Hass und natürlich auch über Social Media. Dass der Song in nächster Zeit überflüssig wird, das sehe ich im Moment tatsächlich nicht.

AFL: War das dann auch ein Grund, warum Keine Diskussion auf der Platte ist? Das ist ja ein Titel, der ich würde sagen relativ platt für Tut Das Not ist. Wizo hatte das ja auch mit Ganz klar gegen Nazis gemacht, der eigentlich viel zu platt war, wo dann aber gesagt wurde: Es muss halt einfach mittlerweile so ausdrücklich geäußert werden. War das ein ähnlicher Hintergedanke bei euch, dass einfach der Respekt für andere Menschen besungen werden muss?

Mario: Ja, bei dem Lied schon ein stückweit, weil es da schwierig ist, das irgendwie zu verschnörkelt oder zu umschreiben. Für uns ist die Nummer untypisch, ja. Aber sonst kommt das bei den Leuten nicht an. Ich finde auch, dass solche Themen auch deutlicher angesprochen werden müssen.

AFL: Dann natürlich so ein Mysterium bei Tut Das Not: Auf jeder Platte habt ihr nur zehn Songs. Normalerweise denke ich immer, dass zehn Songs ein bisschen wenig sind. Das ist so ein bisschen dürftig, so kurz vor EP und gerade so Album, aber bei Tut Das Not ist es trotzdem ein rundes Ding. Ist das so eine magische Nummer bei Tut Das Not? Zehn Songs, die reichen und wir machen das durch die Spielzeit wieder wett?

Mario: 16 Jahre waren recht lang, ja. Aber wir sind halt keine Riesen-Schnell-Songschreiber und sind eigentlich immer dann bei zehn gelandet. Und das hat sich dann irgendwie eingeschlichen. Da unsere Songs ja meistens zwischen drei und vier Minuten oder darüber hinaus gehen, landen wir immer so bei knapp 40 Minuten. Also wenn wir natürlich Songs mit 1 1/2 Minuten hätten, wären zehn Stück relativ wenig. Aber ich finde, dass sich das durch die Spielzeit bei uns ganz gut verhält.

AFL: Die Platte ist in sich geschlossen, also ist euer Plan aufgegangen. Wenn man sich das Artwork von Flutentreiber anschaut, und das mit den vorangegangenen Platten vergleicht, ist das trotz der Jahre immer relativ gleichgeblieben. Es wirkt so, als würdet ihr euch auch über das Artwork viele Gedanken machen, dass es irgendwie zusammenpasst, zu der Musik, zu der Stimmung, zu Tut Das Not. Habt ihr da jemanden, der das immer für euch macht, der euch seit Jahrzehnten begleitet? Und ist das ein bewusster Prozess bei euch, oder ist das was, was passiert?

Mario: Bisher war das bei anderen Alben bis Flutentreiber so, dass wir das eigentlich immer gemeinsam gemacht haben, wenn wir das Album im Studio fertig hatten, und uns dann hingesetzt haben und eine Bildauswahl getroffen haben. Dann haben wir auch immer einen Albumtitel gesucht und das musste zusammenpassen. Irgendwie so, dass das gesamte irgendwie beschrieben wird. Diesmal war es tatsächlich so, dass es mal jemand anders für uns gemacht hat und wir dann eigentlich eher an der Seite standen. Das ist auch ein Prozess und nicht so einfach, das muss man lernen. Ich finde aber, das neue Artwork unterscheidet sich von den anderen durchaus. Aber uns gefällt’s sehr.

AFL: Es ist schon ein bisschen anders, aber von der Farbstimmung ist es doch ähnlich. Wenn man die ganzen Platten nebeneinanderlegt, dann erkennt man sofort, dass das von Tut Das Not ist.

Mario: Ja genau, das ist auch ein bisschen Geschmacksache, aber das Artwork passt zu dem, was uns auch so gefällt. Und es passt zu unserer Musik gut. Deshalb haben wir uns wohl von den Farben und von der Stimmung schon in einer Range zugeordnet.

Und ja, ich verschick gern CDs.

AFL: Du hast so ein bisschen darüber gesprochen, wo ihr herkommt, was euch beeinflusst. Was sind die Einflüsse bei Tut Das Not?

Mario: Wir drei hören alle unterschiedliche Musik und dann gibt es so die Punkte wo sich das trifft. Als größten Einfluss würde ich …But Alive nennen. Die haben uns schon sehr stark von ihrer Art beeinflusst. Sonst ist es ziemlich kreuz queer. Also von Hardcore über Ska hören wir mitunter relativ unterschiedliche Dinge. Also da hat jeder seinen eigenen Musikgeschmack und versucht immer, bei der eigenen Musik irgendwie alles irgendwie mit einfließen zu lassen und dann zu dem Punkt zu kommen, wo jeder mitgehen kann. Wir haben im Laufe der Zeit natürlich mit vielen Bands zusammengespielt. Irgendwie tendenziell aber tatsächlich mit eher den kleineren Bands. Okay, wir haben auch mal mit Feine Sahne Fischfilet gespielt. Kafkas früher zum Beispiel hat früher sehr gut gepasst, aber die haben sich anders entwickelt. Es gibt so einige gute Bands auf den Bühnen und in den Studios.

AFL: Zum Beispiel Reclaim the Streets ist ja unglaublich tanzbar. Eure Musik ist gar nicht fürs Tanzen gemacht, aber dann habt ihr doch immer wieder Elemente, die dann doch unglaublich dazu einladen. Auch wieder auf der neuen Platte. Also da ist dann vielleicht ganz gut, dass so unterschiedliche Musikeinflüsse bei Tut Das Not zusammenkommen und irgendwo ihren Platz finden, obwohl die gar nicht zusammengehören.

Mario: Ja, das ist richtig. Aber das resultiert daraus, dass wir unterschiedliche Musikgeschmäcker haben und sich so in Eigenwilligkeit widerspiegeln.

AFL: Wo geht die Reise jetzt bei Tut Das Not hin? Ihr habt natürlich ein paar Konzerte jetzt anstehen. Und gibt es irgendwelche Sachen, die ihr noch von der Bucket List streichen wollt, wie zum Beispiel auf dem Ruhrpott Rodeo spielen und oder eine nächste Veröffentlichung in 20 Jahren?

Mario: Wir wollen jetzt erstmal Konzerte spielen. Wie viele es werden sollen, das ist wirklich schwer zu sagen. Wird sich zeigen, was sich ergibt. Und Bucket List? Das haben wir jetzt nicht so wirklich. Wir sind froh und freue uns wirklich, dass wir diese Platte veröffentlicht haben. Das war ja auch nicht mehr klar, ob es noch jemals zustande kommt. Auch über die Reaktionen teilweise von Leuten, auch viele, die uns schon lange hören und auch ähnlich wie du, die dann sagen: Was, euch gibt es noch? Das hat uns unheimlich gefreut. Ja, mal sehen, wo die Reise hingeht. Also ein paar schöne nette Konzerte wären noch cool und mal schauen, ob wir noch eine Veröffentlichung machen. Aber dann wird es nicht wieder so lange dauern, sondern eher in den nächsten drei vier Jahren als in 20.

AFL: Ich freue mich auf jeden Fall über jedes Konzert und falls irgendwann eine neue Platte kommt… Das darf auch seine Zeit dauern und dann freut man sich umso mehr, wenn was Neues kommt. Hast du letzte Worte, Gedanken? Vielleicht noch ein bisschen Marketing für die Platte betreiben?

Mario: Die holt man sich ganz unkompliziert bei uns auf der Homepage oder per Mail einfach bestellen. Das kostet 10 € pro CD. Und ja, ich verschick gern CDs.

Tut Das Not – Live 2025

24.05.25 Dorfen – Jugge
14.06.25 Nürnberg – P31
26.07.25 Bleyen-Genschmar – Rock mit Ring
30.08.25 Erfurt – AJZ
19.09.25 Kassel – Goldgrube

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– Playlist: Happy Release Day

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