Vinyl boomt wie noch nie. Und in der Welt der Schallplatten darf es nicht langweilig werden. Das hat sich auch Nico Michaelis beim Gründen seiner Vinyl-Manufaktur so gedacht.
Wir haben uns mit dem „Plattendesigner“ am Chiemsee getroffen, um bei gemütlichen Bieren und Kaiserwetter etwas über eben jene Vinyl-Manufaktur und ihr Schaffen zu erfahren.
Letztens habe ich eine Anfrage eines sehr bekannten deutschen Indie-Labels bekommen, ob ich für ein anstehendes Release 500 mit Bier befüllte Platten erstellen könnte.
AFL: Hallo Nico. Danke für die Zeit und das Interview. Wie war die Fahrt?
Nico: Wie immer eine Katastrophe, wenn man die A8 fahren muss 🙂 Ansonsten bestes Wetter, um an so einem wunderschönen Ort zu stranden, um ein Interview zu führen.
AFL: Du hast ja bisher eher am Schreibtisch die Musikszene bereichert. Was hat dich dazu bewogen, jetzt Handwerker zu werden?
Nico: Ja, das war ein schleichender und doch dann doch recht schneller Prozess. Ich hatte mich schon so ungefähr fünf Jahre mit dem Thema Liquid-Filled Vinyl auseinander gesetzt und immer wieder mal das Thema auf dem Tisch. Mitte / Ende 2020 war dann auf der To-Do Liste eben besagtes Liquid-Filled Vinyl und die Veredelung von Schallplatten im Allgemeinen ganz oben. Ich fing dann an, mir immer öfter Gedanken zu machen, wie die Veredelung von Schallplatten stattfinden könnte und so kam es dann, dass ich mich mit vielen verschiedenen Faktoren und Techniken mit Fachmenschen austauschte, denn zu so einer Veredelung gehört doch jede Menge Know-How, was man ziemlich leicht unterschätzen kann. Selbst heute, ein Jahr später, bin ich noch immer am experimentieren und verbessern und ein Ende ist auch heute noch nicht in Sicht. So ist der Weg vom PC zur Werkstatt ein schleichender und doch sehr schöner Prozess gewesen, denn ich habe die letzten 20 Jahre Tag für Tag vom Schreibtisch aus gearbeitet und kann so langsam weder Social Media noch Computerarbeit im Allgemeinen ertragen. Die ganze Computerarbeit verursacht inzwischen eine Art Beklemmung in mir und die Arbeit in der Werkstatt gibt mir die Freiheit zurück, die ich vermutlich über eine lange Zeit hinweg gesucht habe.
AFL: Und wie war die Resonanz aus Familie und Umfeld auf deine neuen Pläne?
Nico: Die Resonanz war und ist auch jetzt noch stark durchmischt, da ich ja doch schon mehrere Start-Ups erfolgreich aufgebaut habe und am Ende doch immer wieder die Gesundheit mir einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Es ist gerade in der Start-Phase eines neuen Unternehmens sehr anstrengend, seine Familie, Freunde, Hauptjob, die Neugründung und Freizeit unter ein Dach zu bekommen. Zur Idee und Umsetzung gab es durchweg positives Feedback und die Auftragslage zeigt mir ja auch, dass ich nicht ganz verkehrt mit der Vinyl-Manufaktur und der Veredelung von Schallplatten liege. Es ist eine absolute Nische und in dieser gibt es doch unfassbar viele Menschen, die genau nach dem suchen, was ich produziere. Abgefahrene Sachen, die eigentlich nicht benötigt werden und doch jeder haben möchte.
AFL: Bisher halten sich deine Werke ja im Punk und Hardcore „versteckt“. Denkst du drüber nach, auch irgendwann in den Mainstream zu expandieren?
Nico: Haha, das ist eine sehr gute Frage. Letztens habe ich eine Anfrage eines sehr bekannten deutschen Indie-Labels bekommen, ob ich für ein anstehendes Release 500 mit Bier befüllte Platten erstellen könnte. Grundsätzlich eine mega Idee und vor allem extrem lukrativ, vor allem, wenn die Besitzer des Labels auch noch meine großen Jugendhelden sind! Nicht aber, wenn das alles nebenbei läuft und die Kapazitäten überhaupt nicht vorhanden sind. Zudem habe ich mir selber eine Grenze von maximal 100 Stück eines Albums als Limit auferlegt, da sonst die Rarität daran verloren geht und somit für viele Sammler der Anreiz fehlt, etwas ganz Besonderes im Schrank stehen zu haben. Natürlich würde ich auch gerne mal für die ein oder andere Mainstream-Band arbeiten und ich bin mir da auch ziemlich sicher, dass da demnächst auch was kommen wird, aber da bleibt alles erst einmal spannend. Ansonsten habe ich erst Kürzlich zum Beispiel eine Anfrage bekommen, für eine Künstlerin Schallplatten mit Eierschalen zu befüllen, was ich extrem spannend finde, da das auch was ganz Besonderes ist. Also kurz und knapp: Ich bin dem Mainstream nicht abgeneigt.
AFL: Wenn ich mir jetzt zwei Exemplare eines Albums kaufe und diese dann zu dir schicke, produzierst du dann ein Einzelstück für mich?
Nico: Da muss ich dich leider enttäuschen, denn es gibt ja noch so etwas wie ein Copyright und alles, was von Label- oder Bandseite nicht genehmigt ist, kann und vor allem darf ich nicht veredeln, da es sich dann um eine Art neue Veröffentlichung handelt. In Fachkreisen spricht man dann auch von sogenannten Bootlegs. Diese zu produzieren und zu vertreiben ist in Deutschland verboten und ehrlich gesagt halte ich auch von so halb oder vollständig illegalen Sachen nichts. Mal davon abgesehen, habe ich in meiner Technik einen einmaligen Wiedererkennungswert und alle, die sich nur ein bisschen mit der Materie auskennen oder recherchieren, stoßen unweigerlich auf mich. Also macht das sowie so überhaupt keinen Sinn, mich in die Illegalität zu bewegen. Anders ist es, wenn mir für die Erstellung solch einer Veredelung natürlich eine Erlaubnis vorliegt. Das habe ich jetzt auch schon für ein Unikat für einen Privatkunden gemacht. Da wurde mir dann vom Label schriftlich bestätigt, dass ich solch ein Unikat anfertigen darf. Du siehst, das alles ist schon etwas kompliziert.
AFL: Machst du eigentlich „nur“ Liquid-Vinyl oder hast du eine breitere Produktpalette im Angebot?
Nico: Aktuell liegt das Hauptaugenmerk darin, die Liquids zu perfektionieren, um hier ein High-End-Produkt abliefern zu können, womit die Käufer lange Spaß haben werden. Ansonsten habe ich bereits das Filled-Vinyl mit voran getrieben, in dem auf Kundenwunsch Gegenstände aller Art eingefüllt werden können. Hier ist dann nur die Höhe zu beachten und natürlich darf es auch nichts Verderbliches sein. Aber auch Sand-Filled Vinyl ist bereits in der Endphase und wurde bereits schon mehrfach angefragt. Da kann man auch wahnsinnig tolle Effekte zum Beispiel mit „Glow in the Dark“ erzielen. Ja, und der nächste Hot-Stuff ist eine Schallplatte, die mit LED bestückt ist. Diese ist Batterie betrieben (die kann man dann auch wechseln) und es sieht im Dunkeln so aus, als ob sich da ein Lichtstreifen mit dreht. Aktuell kann ich da aber nur mit schwarzem Vinyl arbeiten, allerdings ist hier die Bearbeitung von transparentem und farbigem Vinyl auch vorgesehen. So in dem Stil gibt es solch eine Schallplatte weltweit noch nicht und ich habe es geschafft, damit in Serienproduktion gehen zu können. Die erste offizielle Serie ist bereits in Produktion und dürfte dann auch bald zum Verkauf anstehen. Aber Obacht, wie so oft bei meinen Arbeiten, ist die Serie stark limitiert und entsprechend dürfte diese auch schnell ausverkauft sein, was aktuell übrigens mit bisher allen Produktionen der Vinyl-Manufaktur so war.
P.S.: Ich möchte an der Stelle noch nicht zu viel verraten, aber ich bin mit einer regionalen Spezialgalvanik in einer ersten Testphase, Schallplatten so mit echtem Gold, echtem Silber und echtem Platin zu bearbeiten, dass diese nach wie vor ohne Soundverluste und ohne Abnutzung der entsprechenden Schicht abspielbar sind. Da steht allerdings noch Einiges an Arbeit an und wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis das alles tatsächlich umsetzbar ist. Ich denke, Mitte bis Ende 2022 dann das Produkt anbieten zu können.
AFL: Hast du ein Firmen-Credo?
Nico: Ganz klar: Ja! Wie du weißt, komme ich aus der Punk- und Hardcore-Szene und setze mich seit meinem 13. Lebensjahr gegen Faschismus ein. Und so habe ich mir auch bei meinem neuen Unternehmen als Credo gesetzt, dass weder homophobe, sexistische noch faschistische Kackscheiße in meinem Auftragsbuch landet. Ebenso werde ich nicht für stumpfe Prollbands und Acts arbeiten, denn meine Arbeit soll etwas besonderes sein und so sollen auch nur besondere Bands und Acts davon profitieren. Ich werde einen Teufel tun, für einen Ausverkauf meiner Ideen und deren Umsetzung an all diese Deppen voran zu treiben. Dafür sitzt mein Herz und meine Einstellung schon immer ganz weit links und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Denn du weißt ja, Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!
AFL: Wenn man bei Ebay nach Liquid-Vinyl sucht, dann findet man Einiges, das offensichtlich nicht von dir produziert ist. Was unterscheidet deine Arbeit von den bisherigen Angeboten?
Nico: Wie gesagt, bin ich ja nicht der Erfinder dieser gefüllten Schallplatten. Es gibt weltweit etwa 10-15 Personen, die das Handwerk umsetzen können und sich darin ausleben. Allerdings ist mir bei dem Großteil der Produzenten aufgefallen, dass diese irgendwie einen unsauberen Rand haben und/oder relativ schnell undicht werden. Das wollte ich irgendwie ändern und habe lange nach einer Technik gesucht, mit der man diese Probleme beheben kann. Am Ende bin ich bei einer Technik aus Autoindustrie hängen geblieben und zumindest bisher scheint diese Technik gut zu funktionieren. Erst Kürzlich habe ich mal solch eine Schallplatte bei sechs Bar unter Druck gesetzt und das Resultat war, dass die Schallplatte in tausend Teile geflogen ist. Allerdings ist an den Stellen, an denen der Verbund halten sollte, genau nichts passiert. Wenn also meine Arbeit stolze 6 Bar aushält, dann kann sie nur gut sein. Und neben dem Standhalten des Drucks ist eben der Rand absolut genau und ist nicht ungleichmäßig wie bei den meisten anderen Produktionen, was eben dazu führt, dass Insider sofort wissen, ob ich die entsprechende Platte produziert habe oder nicht. Die Technik dahinter ist quasi mein Markenzeichen.
AFL: Liegt dir noch was auf der Zunge, was du unseren Lesern abschließend mit auf den Weg geben willst?
Nico: Seid offen für Neues. Versucht DIY eure Ideen umzusetzen und gebt diesen eine Chance. Ansonsten dürft ihr euch gerne auch bei mir als Band oder Label melden, wenn ihr auch solche abgefahrenen Schallplatten haben wollt und ansonsten bleibt alle Gesund und zeigt Flagge gegen all die Rechten und Querdenkenden Spinner da draußen.
AFL: Finale Frage: Welches Album würdest du gerne einmal veredeln und vor allem wie?
Nico: Ganz klar ein Album von …But Alive oder Turbostaat, da diese beiden Bands mich nun schon seit meinem 13. oder 14. Lebensjahr begleiten und ja, am Liebsten eine schöne Schallplatte mit Konzerttickets oder Band Erinnerungen. Das wäre schon ein kleines Highlight für mich. Aber eigentlich liebe ich, was ich mache und so kommt es mir weniger auf die Band als auf die Umsetzung meiner Arbeit an.
Schaut gerne mal bei mir vorbei 🠒 vinyl-manufaktur.de